Montag, 11. August 2014
Lügner am Laternenpfahl. Oder: Wahl in Sicht.
Es wird nie so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd. Dieser sehr nette Ausspruch wird Otto von Bismarck zugeschrieben. Allen LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches sei verraten, dass ich nicht auf der Jagd war. Allerdings muss ich an den Bismarckschen Satz in jüngerer Zeit immer wieder denken. Wir befinden uns zwar noch nicht im Krieg mit Russland, aber gelogen wird in Moskau und Kiew, dass sich die Balken biegen.
Doch viel mehr nerven mich die aktuellen Lügen der sächsischen Möchtegern-Mitglieder-des-Landtages. Die (d.h. deren Konterfeis und Parolen) hängen nämlich derzeit an allen möglichen Laternenpfählen und anderen erhöhten Orten und versprechen dem tumben Wahlvolk des Blaue vom Himmel, um am 31. August gewählt zu werden.
Eine Ausnahme macht in gewisser Weise die FDP. Deren Plakate versprechen nichts, sondern überraschen mit dem Geistesblitz, dass Sachsen nicht Berlin ist. Soll heißen: Hier würden wir gern weiter Schwarzgelb spielen. Außerdem versuchen sich die Liberalen in kryptischen Prophezeiungen und verkünden per Plakat "Ihr Auto würde FDP wählen". Das verstehe ich nicht, betrachte es aber als gutes Argument gegen das Wahlrecht für Autos.
Linke, NPD und AfD sind sich treu geblieben, blasen Schlagworte in die Luft und halten sich fern von Details oder gar Lösungen. So kommt es dann zu Parolen wie "Weg mit Crystaldreck" oder "Friede-Freude-Eierkuchen" (Letzteres hat niemand plakatiert, würde aber treflich zur Linken passen.).
Das Schönste an den SPD-Plakaten ist die Gestaltung. Ist auch logisch, denn mit Inhalt haben es die Radieschen ja nicht so. Also werden die Köpfinnen und Köpfe so ausgeleuchtet, dass das Gesicht an den Seiten etwas "nachdunkelt". Das ist schlau, denn so wirken auch ausgewachsene sozialdemokratische Wohlstandsbäckchen ein wenig kerniger. Aus Siechmar wird Siechfried.
Bei der CDU hat sich jemand einen lustigen Claim einfallen lassen. "Mit Mut, mit Weitsicht, miteinander" fabuliert es von den Plakaten. Vielleicht bin ich hier nicht objektiv; da ich aber einige der Laternenpfahlkopfträger kenne, tue ich mich schwer, ihnen Mut und/oder Weitsicht zuzugestehen.
So richtig putzig wird es, wenn Kandidaten für sich als tolle Typen werben. Mein absoluter Favorit ist ein in Leipzig zu bestaunender Jungchristdemokrat, der durchs Brillenglas linst und für sich "Durchblick" reklamiert. Und als ob das nicht peinlich genug wäre, erhielt das Plakat noch ein rotes Bapperl mit der Drohung "100% Einsatz".
Ein Diplomlehrer für Marxismus-Leninismus präsentiert sich als stoppeliger und dynamischer Hufeisenverbieger (ok, Selbstironie ist ganz nett). Und weil der Mann wohl mal gehört hat, dass Größe entscheidend ist, hat er sich zur doppelten Größe seiner Mitbewerber aufblasen lassen. Also nicht sich, sondern sein Plakat.

PS.: Allen Kandidaten bzw. deren Beratern die Lektüre Georg Büchners empfohlen, der Mercier in Dantes Tod sagen ließ: "Geht einmal euren Phrasen nach bis zu dem Punkt, wo sie verkörpert werden." Wer diesen Rat beherzigt, kann so manche Peinlichkeit vermeiden.

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