Montag, 2. November 2015
Lügenpresse reloaded. Oder: Leseempfehlung
Um es vorweg zu nehmen: Ich hatte Akif Pirinçci vollkommen aus den Augen verloren. Irgendwann in den 90ern (für alle Jüngeren: Das war die Zeit von Tamagotchi und Handys, deren Akku nur einen Tag hielt, die aber nur zum Telefonieren taugten) las ich sein Buch Felidae, fand's nicht so tosend und den finsteren Film zum Buch schon ganz und gar nicht.
Dass es diesen Autor noch gibt, bemerkte ich irgendwann nach 2010, als allerlei Gutmenschen sich über seine neueren Bücher aufregten.
Und dann kam jener 19. Oktober 2015, als ein putziger Mensch bei Pegida auftrat und dort eine noch putzigere Rede vom Blatt verlas, die wohl darin gipfelte, dass die KZs zur Zeit ja leider außer Betrieb seien.
Es kam, was zu erwarten war: Shitstorm, Medienrummel, Verteufelung. Es folgte, was zumindest ein wenig überraschte: Der Buchhandel (zumindest dessen übergroßer Teil) ächtete den bösen Redner und nahm alle Pirinçci-Titel aus dem Programm. Und wer, wie z.B. Manufactum.de, nicht gleich merkte, dass er noch Titel im Angebot hatte, nahm sie raus und distancierte sich irgendwie von sich selbst oder so http://www.manufactum.de/aktuellen-diskussion-um-manuscriptum-autor-c-4112/
Solcherart Selbstzensur und pauschale Indizierung kotzt mich an. Um nicht missverstanden zu werden, wiederhole ich an dieser Stelle für alle Gutmenschen, dass ich für die Bücher Pirinçcis nicht wirklich etwas übrig habe, doch die Entscheidung, ob ich "Die große Verschwulung" lesen möchte oder nicht, will ich doch gern selbst treffen - genau wie die, "Mein Kampf" im Original zu lesen. Auf Telepolis wurde angesichts der Selbstzensur des deutschen Buchhandels von einem Rückfall in die Barbarei geschrieben ... http://www.heise.de/tp/artikel/46/46385/1.html Full Ack!
Doch zurück zur Lügenpresse. Stefan Niggemeier hat hier http://www.stefan-niggemeier.de/blog/22191/die-unwahrheit-ueber-akif-pirincis-kz-rede/ sehr akribisch zusammengetragen, wie die deutschen Medien Pirinçcis besch... Rede zitiert oder besser nicht zitiert haben und kommt zu dem Fazit, dass mit der aus dem Zusammenhang gerissenen Wiedergabe des KZ-Zitates dem Lügenpresse-Vorwurf Vorschub geleistet wurde.
Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch meine Lokalpostille, die Leipziger Volkszeitung, unter den aufgelisteten Medien ist, die sich nun als Förderer des Lügenpressevorwurfes rühmen dürfen.

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