Freitag, 3. Juli 2009
Verlegerische Affenschande. Oder: Meine Lokalpostille im Leipziger Zoo
Wenn in einer Stadt etwas besonders Wichtiges geschieht, gehört das auf die erste Lokalseite. Man nennt das dann Aufmacher, der geneigte Leser weiß, dass es nichts Schlimmeres geben kann, als über dieses oberaffengeile, superexistenzielle Thema nicht informiert zu sein. Soweit die Theorie. Und nun zur Praxis meiner Lokalpostille, der Leipziger Volkszeitung – nach oft verkündetem Selbstverständnis eines der letzten Bollwerke des Qualitätsjournalismus’ in Good Old Germany.
Schaut man sich die heutige Ausgabe der Leipziger Volkszeitung aus dem oben genannten, theoretischen Blickwinkel an, muss das wichtigste Ereignis in der Stadt Leipzig das heutige Zoofest sein; eine Big Party im (zugegeben sehr attraktiven) Leipziger Zoo, bei der es allerlei Kurzweil zu erleben und mancherlei Getier zu sehen geben wird. Bei freiem Eintritt.
Dieses wahrhaft epochale Ereignis füllt die obere Hälfte der ersten LVZ-Lokalseite und verdrängt sogar den Personalzoff in der SPD-Stadtratsfraktion in den Seitenkeller – und das bei einem Blatt im anteiligen SPD-Besitz!
Der geneigte Leser, soweit noch nicht völlig verblödet, wird dieses Wunder wahrscheinlich richtig zu deuten wissen: Das Sommerfest im Zoo ist keine Veranstaltung irgendwelcher Gutmenschen vom Mars, sondern eine Werbeaktion der unter Auflagenschwund leidenden Leipziger Volkszeitung. Nachdem die Führungsriege der LVZ vor Wochenfrist mit echten und gefühlten Promis im Zoo feierte, darf nun das gemeine Volk und der unendliche Schwarm der Freibiergesichter durchs schmiedeeiserne Gatter des Zoos pilgern, Chefredakteur, Geschäftsführung und andere große Tiere begaffen und sich – mit etwas Glück – morgen im Blatt wiederfinden.
Das alles ist so wichtig, dass sogar die Aufbauarbeiten für allerlei Stände und Büdchen im Blatt beschrieben werden und dass sogar Birgit Rebeck, die Marketingchefin meiner Lokalpostille mit einem Statement im Blatt wiederfindet.
Nun mag sich der eine oder andere Neu-Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches fragen, weshalb ich solcherart Selbstbeweihräucherung eines Holzmediums zum Thema eines Eintrages mache. Nun, ich gebe zu, dass ich ein gewisses Faible für den Pressekodex habe (Guckst Du hier: http://www.presserat.info/8.0.html ). Und ich gebe ferner zu, dass ich es für untragbar halte, wenn ein so genanntes „seriöses Medium“ mit so schöner Regelmäßigkeit gegen Ziffer 7 dieses Regelwerkes verstößt, dass dahinter nicht Dummheit, sondern schon Vorsatz stecken muss. Für alle Unwissenden und die Chefredaktion meiner Lokalpostille noch mal zum Nachlesen:

„Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.“

Man beachte insbesondere den letzten Satz. Wobei – den Hinweis auf das Nachlesen hätte ich mir zumindest im Hinblick auf die Chefredaktion der LVZ wohl ersparen können. Schließlich wissen die regelmäßigen Leser dieses Blogs, dass LVZ-Chefredakteur Bernd Hilder dem Deutschen Presserat als Stellvertretender Sprecher (http://www.presserat.info/150.0.html?&L=bakmloqjgai ) angehört. Und nach einem Studium der Rechts- und Politikwissenschaften sollte man in der Lage sein, die im Pressekodex aufgelisteten Regeln zu verstehen und umzusetzen. Gelle?

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