Mittwoch, 14. April 2010
Kaltmischgut im Anflug. Oder: Zeichen wirtschaftlichen Niedergangs
Hin und wieder lasse ich die Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches an dem einen oder anderen Déjà-vu teilhaben, das ich habe oder besser: zu haben glaube. In den vergangenen Tagen war es wieder einmal soweit. Ich erlebte Szenen, die ich in beinahe gleicher Form bereits vor Jahren gesehen hatte. Und diesmal stimmte es wirklich.
Besagte Szenen spielten sich vor 1990 allfrühjährlich auf maroden, vom Frost arg mitgenommenen DDR-Straßen ab. Um die Löcherpisten irgendwie zu retten bzw. deren totalen Kollaps ein wenig hinauszuzögern, rückten nach Ende des Winters Bautrupps an und füllten in die Schlaglöcher eine Mischung aus Bitumen und Splitt. Das Zeugs hieß Kaltmischgut und wurde zumeist gleich vom Lkw per Schaufel in die Löcher geschmissen. Ein zweiter Werktätiger klopfte das Gestreusel mit der Schippe fest; so leicht kann eine Reparatur sein. Und ebenso schnell war das Gebrösel wieder draußen, nämlich dann, wenn die ersten Autos über die geflickschusterte Kraterlandschaft gerollt waren.
Für mich (und viele andere Bewohner der dahingeschiedenen DDR) war das allfrühjährliche Kaltmischgutgekrümel eines von zahlreichen Indizien für den unaufhaltsamen Niedergang der DDR-Wirtschaft. Wer solcherlei Kosmetik betreibt, so die damals gängige Meinung, der muss auf dem letzten Loch pfeifen.
Umso verblüffter war ich, als mir das Kaltmischgut in den vergangenen Tagen gleich mehrfach wieder begegnete. Zuerst regnete es den klebrigen Splitt in Taucha von einem Lkw, gestern sah ich des Wunder der nahezu technikfreien Schlaglochspontanheilung in Leipzig. Und ich gebraucht wieder einmal das schwierige Wort Déjà-vu – wohl wissend, dass es keine Macke meines Frontallappens ist, sondern eine offensichtliche Wiederkehr von Ereignissen: Der Niedergang ist nicht zu übersehen.

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Kokain in Holzbriketts. Oder: ein paar Gedanken nach dem Lesen einer dpa-Nachricht
Eine kurze dpa-Meldung nebst Foto rauschte gestern und heute durch die deutschen Medien. Im Hamburger Hafen wurde mit 1,3 Tonnen der größte Kokainfund Deutschlands gemacht. Die Drogen haben einen Wert von ca. 40 Millionen Euro und stammen aus Paraguay. Nachzulesen so ziemlich überall, u.a. hier http://www.zeit.de/newsticker/2010/4/13/iptc-hfk-20100413-87-24500962xml und (etwas ausführlicher) hier http://www.n-tv.de/panorama/Kokain-in-Holzbriketts-article822859.html
Was mich an der Sache aufhorchen ließ, war nicht Nachricht über den geplatzte Mega-Deal, sondern die Information über die für die Drogen genutzte Tarnung: Das Kokain – vulgo: der Koks – war in billigen Holzbriketts, so genannten Pellets, versteckt, die zu diesem Zweck aufgeschnitten, ausgehöhlt und nach „Füllung“ wieder zusammengeklebt wurden.
Offensichtlich ist es nicht ungewöhnlich, dass Holzbriketts aus Südamerika per Container nach Deutschland verschifft und hier verheizt werden. Das nennt man dann „nachwachsende Rohstoffe“ – so schön kann man das Wort „Riesensauerei“ umschreiben.
Warum? Paraguay ist zu 21 Prozent von Wald bedeckt, dem Wald geht es nicht wirklich gut. Jährlich werden 400.000 Hektar zumeist wild abgeholzt, in den vergangenen 50 Jahren ist die Waldfläche um 65 Prozent gesunken. Nachzulesen z.B. hier http://de.wikipedia.org/wiki/Paraguay , Stichwort Land- und Forstwirtschaft.
Noch größer wird der Betrug unter dem lustig flatternden Banner der vermeintlichen CO2-Neutralität, wenn man ein wenig über den Transport der Holzbriketts nachdenkt. Paraguay ist ein Binnenstaat, Containertransporte werden über Straßen des so genannten „biozeanischen Verkehrsweges“ abgewickelt. Und mal ehrlich: Was sind schon 1.000 Kilometer bis zum nächsten Hafen? Dazu noch die paar tausend Seemeilen von Südamerika bis nach Hamburg – da kann man als umweltbewusster Deutscher doch guten Gewissens seine CO2-neutralen Holzbriketts verfeuern ...

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