Dienstag, 16. Juni 2009
Erfolglose Handydurchsuchung. Oder: Hin und wieder mal ein Blick ins Grundgesetz
Gegen alle Gewohnheit schreibe ich an den Beginn des Eintrages eine Warnung an die geneigte Leserschaft meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches: Die folgende Geschichte ist keine Erfindung, sondern am vergangenen Wochenende tatsächlich passiert. Nicht in China, Nordkorea oder dem Iran, sondern in Deutschland, genauer gesagt im Freistaat Sachsen, am Kulkwitzer See.
Dort herrschte lustiges Treiben am Strand. Der Spaß endete, als ein aufmerksamer Badegast auf einen anderen zeigte und diesem zur Last legte, per Handy anstößige Fotos aufgenommen zu haben. Ganz schnell fiel dabei auch das Killerwort Kinderpornographie.
Nun braucht man nicht viel Verstand um einzusehen, dass beim ganz normalen, braven Strandtreiben aufgenommene Fotos – selbst wenn es an textiler Bedeckung mangelt – weit von Pornographie entfernt sein sollten. Doch wenn das gesunde Volksempfinden in Aufruhr gerät, bleibt der Verstand zuerst auf der Strecke.
Die Polizei wurde gerufen, erschien und befragte den mutmaßlichen Missetäter. Bis zu dieser Stelle ein ganz normaler Vorgang. Dann allerdings wurde das dem Verdächtigen bereits abgenommene Handy von aufmerksamen Polizistenaugen an Ort und Stelle auf Fotos untersucht, die den erhobenen Vorwurf erhärten sollten. Eben diese Beweismittel fanden sich jedoch nicht, das Handy wurde dem nun nicht mehr Verdächtigen wieder ausgehändigt, der Mann durfte seiner Wege ziehen.

Nun liegt es mir fern, irgendwelche Schweinereien gutzuheißen, zu decken und potenzielle Kinderschänder in Schutz zu nehmen. Aber: Im konkreten Fall wurde geltendes Recht auf Gröbste missachtet. Dass ein Verdächtiger dingfest gemacht wird, ist – soweit dabei übermäßige Misshandlungen unterbleiben – ein Jedermannsrecht. Beweismittel sicherzustellen und vor möglicher Zerstörung zu bewahren, ist zwar sinnvoll, birgt aber bereits rechtliche Tücken. Denn wer kann garantieren, dass nicht einer der selbsternannten Asservatenhüter die Gelegenheit nutzt, Beweismittel zu manipulieren oder erst herzustellen?
Viel schlimmer ist allerdings der Umstand, dass – man verzeihe mir den respektlosen Ausdruck – irgendein Streifenhörnchen ohne richterliche Genehmigung mit dem Telefon eines Verdächtigen hantiert, es nach Fotos durchsucht und vorhandene Bilder auf mögliche strafrechtliche Relevanz sichtet.
All denen, die an dieser Stelle noch kein Problem sehen, sei ein Blick ins Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland empfohlen. Dort steht in Artikel 1 etwas zur Unantastbarkeit der Würde des Menschen (ich empfände die geschilderte Behandlung als unwürdig), in Artikel 10 etwas zum Thema Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Letzteres umfasst nicht nur den Inhalt, sondern auch die Daten von Gesprächen, selbst von nicht zustande gekommenen), außerdem ist ja die Privatsphäre auch irgendwie ein schützenswertes Gut – wo kämen wir hin, wenn eine Uniform ihren Träger berechtigte, des unbescholtenen Bürgers Fotoalben einzusehen.

Bleibt eine Frage offen: Was wäre, wenn der Verdächtigte das Handy freiwillig übergeben und die Untersuchung zum Zwecke des Unschuldsbeweises ausdrücklich genehmigt hätte? Dann wäre besagte Unschuldslamm eines der dümmsten Wesen unter der mitteldeutschen Sonne. Wer um seine Unschuld weiß, hat keinen Grund, vertrauliche Daten ohne richterlichen Beschluss auszuhändigen bzw. Unbefugten deren Sichtung zu erlauben.
Hat der Verdächtige hingegen Dreck am Stecken, sollte er gegen die Beschlagnahme protestieren, der Durchsuchung ausdrücklich widersprechen und sich bereits freuen, weil hier Beweismittel durch rechtswidrige Erlangung von Amts wegen wertlos gemacht wurden.
Dass solcherart Klatsche für die Uniformträger tatsächlich realistisch ist, beweist das hier zitierte Urteil: http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1380880/

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Reichsspatenstichminister auf Abwegen. Oder: Wolfgang auf Stimmenfang
Die Deutsche Presseagentur dpa meldet, dass Reichsspatenstichminister Wolfgang Tiefensee (SPD), zugleich auch Spitzenkandidat der schrumpfenden Genossenschar im Leipziger Bundestagswahlkampf, sich in den italienischen Abruzzen „ein Bild von den Folgen des verheerenden Erdbebens“ gemacht und „deutsche Hilfe zugesagt“ habe.
Apropos gesagt: Hat dem Bundesbaulächler eigentlich niemand gesagt, dass die Italiener bei der Wahl zum Deutschen Bundestag gar nicht mit wählen?

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Montag, 15. Juni 2009
Die Kirschen auf Nachbars Golfplatz. Oder: Die besonders leckeren Seiten des Lauftrainings
In der warmen Jahreszeit hat das Laufen seine unbestritten angenehmen Seiten. Dazu zählen für mich vor allem die diversen Früchte, die man entlang der Strecke mehr oder minder erlaubt wegsammeln kann. Mein absoluter Favorit – und noch dazu gänzlich legal – ist in dieser Beziehung ein Feldweg, der vom Tresenwald zum Dörfchen Plagwitz und von dort aus weiter in Richtung Lübschütz führt. Dieser Weg ist von zahlreichen uralten Bäumen gesäumt, auf denen Äpfel, Birnen, Pflaumen und Marillen wachsen. Wer nun an das globalisierte und geschmacksarme Zeugs aus dem Supermarkt denkt, liegt vollkommen falsch. Was dort vor Jahrzehnten gepflanzt wurde, sind klassische Sorten, die eine unvorstellbare Geschmacksvielfalt bieten.
Schade nur, dass diese Genüsse erst im kommenden Monat auf mich warten, denn noch sind die Früchte hart und grün. Allerdings ist für Abhilfe gesorgt: Ich laufe derzeit häufig auf einem Weg, der durch den Golfplatz Machern führt. Entlang des Weges gedeihen mächtige Kirschbäume, die mir meine auf meinen derzeitigen Trainingsrunden als Verpflegungspunkte dienen. Auch hier gilt: Vergesst das weltweite Obst-Einerlei, diese Kirschen finden sich in keinem Supermarkt; schon deshalb, weil so reifes Obst für die heute üblichen Verteil- und Vermarktungsketten ungeeignet ist. Schade nur, dass ich von diesem Kirschparadies bis zu mir nachhause noch rund 9 km zu laufen habe. Das erlegt mir ein gewisses Maß an Mäßigung auf, damit es im Bauch nicht allzusehr grummelt und grollt.

PS.: Ach ja, heute habe ich entlang eines Trampelpfades auch noch Walderdbeeren entdeckt. Lauftraining kann so lecker sein ...

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Politische Dummschwätzer. Oder: Keiner weiß was, aber alle machen mit.
Die Bundesregierung, allen voran Familienministerin Zens-Ursula von der Leyen, bereiten die Sperrung so genannter KiPo-Seiten auf Basis einer Blacklist vor. Andere Politiker signalisierten bereits, dass diese Sperren wohl nur der erste Schritt sein werden: Weitere inhaltsbezogene Sperrrungen sind nur eine Frage der Zeit.
Wer nun glaubt, dass unsere Berliner Vordenker schon wissen, was sie tun und unser aller Bürgerrechte achten. Dem möge der liebe Herrgott seine Unbedarftheit erhalten. Wes Geistes Kind die Verfechter der Internetsperren sind, zeigt die Antwort auf eine Kleine Anfrage mehrerer MdB und der FDP-Bundestagsfraktion zum Thema KiPo und Internetsperren. Im Namen der Bundesregierung erläutert Staatssekretär Dr. Bernd Pfaffenbach auf 20 Seiten, wie sich Mäxchen das segensreiche Wirken der Frau Zensursula vorzustellen hat. Guckst Du hier: http://blog.odem.org/2009/06/11/2009-06-11-anfrage-sperren.pdf
Sollte der eine oder andere geneigte Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches keine Lust verspüren, die 20 drögen Seiten durchzuackern, so sei ihm die Lektüre des folgenden Textes meines werten Kollegen Burkhard Schröder empfohlen: http://www.burks.de/burksblog/2009/06/14/die-bundesregierung-hat-keine-kenntnis-will-aber-sperren/
„Burks“ bringt das traurige Fazit auf den Punkt: Die Bundesregierung hat keine Kenntnis, will aber sperren.

Sehr lesenswert ist übrigens auch der folgende Artikel im lawblog: http://www.lawblog.de/index.php/archives/2009/06/12/stoppseiten-was-passiert-mit-e-mails/
Ob Zensursula an diese rechtlichen Tücken bei ihrer populistischen Nummer auch nur einen Gedanken verschwendet hat?

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Ich find' Euch Sch ... Oder: Müssen Kommerzkünstler ihr Publikum immer loben?
Am Sonnabend hat Peter Maffay in Leipzig ein Konzert gegeben. Vor 9.000 Fans am Völkerschlachtdenkmal. Das ist - weil historisch "aufgeladen" - ein besonderer Ort, an dem nicht jeder eine Veranstaltung machen darf. Peter Maffay schon. Und das Konzert war, wenn man dem Bericht in meiner Lokalpostille, der Leipziger Volkszeitung, Glauben schenken darf, ein Erfolg.
Neben einer Art "The Best of ..." muss Peter Maffay dem begeisternden Publikum wohl auch zahlreiche Komplimente dargeboten haben. So in der Art "Ihr seid toll", "Wir sind gern bei Euch" usw.
Keine Angst, ich habe nicht vor, den gutmenschelnden Großkünstler zu verunglimpfen, aber diese netten Sprüche brachten mich ins Grübeln. Ist eigentlich ein Fall überliefert, in dem ein auftretender Künstler (mal abgesehen von Punks) sein Publikum wissen ließ, dass er es Schei... findet und das die Stadt, in der er spielt, der letzte Husten ist? So in der Art "Ihr seid die allerletzten Heuler. Bei Euch scheint ja nichts los zu sein, dass Ihr hierher kommt. Ich bekomme es ja wenigstens bezahlt ..."
Für Informationen über solcherart Erlebnisse bin ich zwecks Stillung meiner Neugierde dankbar.

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Freitag, 12. Juni 2009
Klick, klick, tüdelü. Oder: So schnell verschwindet ein Mensch.
In dem sehr sehenswerten Film „Die Waffen der Frau“ beschreibt Jack Trainer (Harrison Ford) das Motiv seines rastlosen Tuns. „Auf den Tasten meines Telefons sind mehrere Lagen Klebestreifen mit Namen von Leuten, die es nicht geschafft haben. Ich möchte nicht unter einem solchen Klebestreifen enden.“
Nun mag sich der eine oder andere Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches fragen, wie ich darauf komme, über einen Film von Mike Nichols aus dem Jahre 1988 nachzudenken. Nein, es hat nicht mit der Finanzkrise zu tun.
Mir fiel die Szene mit den Klebestreifen aus einem anderen Grund ein: Die Mitarbeiterin eines Kunden, mit der ich in den vergangenen Monaten zu tun hatte, ließ mich gestern per E-Mail wissen, ab sofort nicht mehr für ihren Arbeitgeber tätig zu sein. Kürze und Stil der Nachricht ließen einen unfreiwilligen, sehr schnell angeordneten Abgang – vulgo: Rausschmiss – vermuten. Ich zog heute daraus die Konsequenzen, änderte den Rufnummernspeicher meiner Telefonanlage und das Adressenverzeichnis meines E-Mail-Programmes. Klick, klick, tüdelü, klick, piep – so schnell geht das. Ganz ohne Klebestreifen und Kritzelei. Moderne Zeiten eben.

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Kreuzfahrer in eigener Sache. Oder Willy Wimmer MdB in der Bananenrepublik Deutschland macht Google Feuer unterm Server
Willy Wimmer, seines Zeichens seit 1976 Mitglied des Deutschen Bundestages, ist ein Stütze unserer parlamentarischen Demokratie. Immerhin war der Rechtsanwalt von 1988 bis 1992 sogar Staatssekretär beim Bundesminister für Verteidigung und gehört dem Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages an. 1999 gehörte Wimmer zu den Politikern, die sich gegen den Kosovo-Krieg aussprachen, 2007 reichte er mit Peter Gauweiler beim Bundesverfassungsgericht Klage gegen den Tornadoeinsatz in Afghanistan ein.
Willy Wimmers Homepage www.willy-wimmer.de ist das, was man dröge Hausmannskost nennt: CDU-Logo, Einhaltung des CI-Konzepts der Partei, amtliche Verlautbarungen, Links zu lokalen Medien. Online sieht anders aus.
Wer nun glaubt, dass Willy Wimmer in punkto Internet nicht eben der Fittesten einer ist, liegt richtig. Wen wundert’s, denn schließlich staatssekretärte er zu einer Zeit, da der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl auf die Frage nach dem Information Highway die kultige Antwort „Die deutschn Autobahnn sind gudd“ brubbelte. Wobei: Es soll ja auch mittlerweile auch Senioren geben, die sich mit Web & Co. auskennen. Aber nicht im Bundestag, denn dort surft man nicht selbst, dafür hat man Taschenträger und wissenschaftliche Mitarbeiter, die „alles Wichtige ausdrucken“.
Immerhin: Irgendwie ist Willy Wimmer darauf gestoßen, dass im Internet neumodisches Teufelswerk existiert. Nönö, er hat weder Zensursulas Kipo-Seiten noch Wolfgang Schäubles Bombenbauanleitungen erspäht: Willy weiß jetzt, dass es Google gibt, genauer gesagt Google Streetview. Und er will nicht, dass sein Grundstück und seine Haustür von missgünstigen Zeitgenossen beguckt werden können. Jetzt, wo er in Rente gehen und den wohlverdienten und -alimentierten Ruhestand genießen möchte. Schließlich hat er geackert und neben dem Plack im Bundestag sogar noch Nebentätigkeiten – so als Beirat der IKB Deutsche Industriebank und bei Morgan Stanley London - aufnehmen müssen, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Wer zu diesem Salär mehr wissen will, sei auf das Stichwort „Stufe III“ verwiesen. Guckst Du hier: http://www.bundestag.de/mdb/bio/W/wimmewi0.html und hier http://www.bundestag.de/mdb/nebentaetigkeit/hinweise.html .
Und nun, da der wackere Parlamentarier sich um die Sperrung seiner Daten beim Suchmaschinenmulti bemüht, spürt er, wie es Normalbürgern geht, die sich um den Schutz ihrer Daten vor unbefugtem Zugriff kümmern: Er läuft gegen Wände, wird von Pontius zu Pilatus geschickt. Die Sicherheitsverantwortlichen des Deutschen Bundestages lehnten einen Einsatz „pro Wimmer“ ab, der Landrat half nicht, und auch der Hamburger Datenschutzbeauftragte hob die Hände. Doch nun schlägt Willy Wimmer zu und fordert den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert auf, Google Feuer unterm Server zu machen. Wimmer begründet das damit, dass es „die Pflicht des Präsidenten des Deutschen Bundestages ist, sich für das Wohl und die Hoheitsinteressen aller deutschen Volksvertreter einzusetzen.“
An dieser Stelle möge der geneigte Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches kurz innehalten, durchatmen und den vorherigen Satz noch einmal lesen. Willy Wimmer macht sich nicht etwa für das Recht aller Bürgerinnen und Bürger auf informationelle Selbstbestimmung stark. Nein, er sorgt sich ums Wohl und Wehe der Parlamentarier, für das nun – unter Einsatz von Steuergeldern – gestritten werden möge.
Im Gelnhäuser Tagblatt lässt Wimmer verkünden (http://www.gelnhaeuser-tageblatt.de/sixcms/detail.php?template=d_artikel_import&id=6964599&_zeitungstitel=1133845&_resort=1103638&_adtag=nationalnews&_dpa=brennpunkte ) , dass die Auswirkungen des Google-Tuns „in einem Kolonialgebiet nicht drastischer sein“ können.
Ha, ich wusste doch, dass wir auf dem Weg zur Bananenrepublik sind!

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Donnerstag, 11. Juni 2009
Wolfgang Schäuble nach Brüssel. Oder: Zigarre statt Schlapphut.
Gerücht hin, Dementi her. Aber der Gedanke, dass unser aller Terroristenjäger Wolfgang Schäuble demnächst den Posten als Berliner Oberschlapphut an den Nagel hängen könnte, hat seinen Reiz. Dass er dafür im Gegenzug nach Brüssel gehen (guckst Du hier4: http://www.tagesspiegel.de/politik/Angela-Merkel-CDU-EU-Wolfgang-Schaeuble;art771,2820393 ) und dort den Verheugen Maulwurfsbrille Günter Verheugen beerben soll, wäre ein aus meiner Sicht zwar unangemessener Aufstieg, aber na gut: Dafür kann er dann hier keinen innenpolitischen Schaden mehr anrichten.
PS.: Schön wär' natürlich, wenn bei der Gelegenheit auch Zensursula von der Leyen verbracht werden könnte.

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Mittwoch, 10. Juni 2009
Holzmedien lernen's nicht. Oder: Was meine Lokalpostille LVZ ihren Lesern vorenthält
Meine Lokalpostille, die Leipziger Volkszeitung, liefert heute auf ihrer Titelseite ein tolles Beispiel dafür, wie moderner Journalismus nicht geht. Anders gesagt: Sie beweist mal wieder, dass klassische Holzmedien auch durch ein wenig Onlinegebastel und Rumgetwittere nicht wirklich zukunftsfähig werden, wenn die Visionen fehlen.
Zurück zum Beispiel: Auf Seite 1 der LVZ ist eine hübsche Agenturmeldung von AFP abgedruckt. Dort erfährt der geneigte Leser, dass Computer gefährlich sind und dass die Zahl der Unfälle beim Umgang mit selbigen von 1994 bis 2006 um das Siebenfache gestiegen ist. Sagen US-Wissenschaftler. Kinder und Senioren sind besonders gefährdet, die Zahl der Unfälle ist schneller gestiegen als die Ausstattung der Haushalte mit Computern. Immerhin erfährt die LVZ-Leserschaft sogar, dass die Forscher dem Nationalen Kinderkrankenhaus im US-Bundesstaat Ohio angehören und ihre Erkenntnisse in der Juli-Ausgabe der Fachzeitschrift American Journal of Preventive Medicine veröffentlicht haben.
Das lässt vermuten, dass es sich um US-Zahlen handelt. Sicher sein kann der Leser nicht, denn darüber schweigt sich der Leipziger Volkszeitung aus. Mag sein, dass AFP darauf verzichtet hat, den Link zum zitierten Bericht mitzuliefern, aber für einen Leipziger Qualitätsjournalisten sollte es kein Problem sein, das mal einzweifix zu googeln.
Machen die Lokalpostilleros aber nicht, weil sie Links für etwas Politisches halten, auf alle Fälle sind Links etwas, was in einer seriösen Zeitung nichts zu suchen hat. Wo kämen wir denn hin, wenn wir dem Leser helfen, sich zusätzliche Informationen zu erschließen. Womöglich informiert er sich dann gleich woanders und die Leipziger Volkszeitung büßt wieder mal einen Leser ein – das schmerzte, denn so viele sind’s nicht mehr ...
Zurück zur Computergefahr: Etwa zwei Minuten braucht ein durchschnittlicher Internetnutzer, um das AJPM im Internet zu finden. Den betreffenden Artikel zu entdecken, dauerte etwas länger, da die Juli-Ausgabe heute noch nicht online war. Also tippte ich darauf, dass die Kollegen von AFP wohl eine Pressemitteilung verwurstet hatten – und siehe, bei den Presse-Meldungen findet sich die Quelle der Informationen über die erschröcklichen Computerunfälle. Wer’s genau wissen will: http://www.ajpm-online.net/webfiles/images/journals/amepre/AJPM_PR_July_2009_Computer_Related_Injuries.pdf
Amüsant: Die Unfälle im Zusammenhang mit Computermonitoren sind seit 2003 rückläufig. Die Erklärung liefern die Autoren der Untersuchung gleich mit: Moderne LCD-Bildschirme sind leichter als die aussterbenden Röhrenungetüme. Folglich setzen sie beim Heben einem angegriffenen Rücken weniger zu. Fallen sie vom Tisch, machen sie dank ihrer geringeren Masse zudem weniger „Aua“.
Und warum finde ich so was nicht in meiner Lokalpostille?

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National bereinigte Pannenstatistik. Oder: Über Autotests, subtilen Druck und beinahe-Folter
Autotests haben ihren Reiz. Mal abgesehen von hartgesottenen PS-Junkies, Motorträumern und alternden Männern mit der Hoffnung auf die letzte Chance lesen Normalos solcherart Schrifttum zumeist nur, wenn die Anschaffung eines neuen Boliden in greifbare Nähe rückt. Also fast immer, wenn man von den zweieinhalb Wochen nach Inbesitznahme eines Neuwagens mal absieht.
Dass Autotests nicht wirklich objektiv sind, haben viele Nutzer dieser Art von Nutzwertjournalismus schon bemerkt. Ganz gleich, ob Auto-BLÖD, Auto-Dings oder Auto-Bums, natürlich spielen bei Vergleichstests neben objektiven Daten („hard facts“) auch weiche Faktoren eine Rolle. Und natürlich fließt auch in den Vergleich ein, wie hoch der Anzeigenumsatz eines konkreten Hersteller im jeweiligen Blatt ist. Merke: Beiß’ nie die Hand, die Dich füttert. Dabei muss es ja nicht gleich zum Schlimmsten kommen, dem Entzug von Anzeigen. Vor einer solchen Strafe gibt es subtilere Möglichkeiten der (Ver-)Warnung. Mir ist ein Fall in Erinnerung, der Anfang der 90er-Jahre Berliner Kollegen getroffen hatte, die trotz wahrgenommener Einladung der Motorredaktion zur Vorstellung des neuen Modells unter südlicher Sonne (wegen des besseren Wetters) nicht die gewünschte Jubelarie über das jüngste Kind eines deutschen Edelherstellers anstimmten, sondern tatsächlich einige Haare in der automobilen Sternchensuppe fanden.
Kurz nach der Veröffentlichung rollte beim Verlag ein Kleinbus vor, dem mehrere Männer entsprangen, die sämtliche Dauertestfahrzeuge besagten Herstellers aus der Verlagstiefgarage entfernten. Das schmerzte, denn so schlecht waren diese Karossen denn doch nicht, dass man freiwillig auf Lada Samara, VW Golf und Opel Astra umsteigen mochte. Fortan äußerten sich die gebeutelten Redakteure des Verlages nie wieder negativ über Fahrzeuge guter Kunden und lästerten nur noch im kleinen Kreis darüber, dass die pneumatisch betätigten Peilstäbe am Fahrzeugheck „irgendwie eine Art Schwellkörper“ seien.
Und selbst der allgegenwärtige ADAC tut sich immer schwerer, in Vergleichstests deutsche Fahrzeuge nicht aufs Siegertreppchen zu hieven. Selbst wenn einheimisches Blech bei einem solchen Vergleich in den meisten Einzeldisziplinen schlechter als importiertes abschnitt, kam unterm Strich stets ein Sieg der nationalen Automobile heraus. Zu verdanken war dies dem Zauberwort „Wichtung“, das besagt, mit welchem Anteil ein Merkmal in die Wertung eingeht. Da mochte ein deutsches Modell in punkto Motor, Kosten, Umwelt und Sicherheit schlechter als die Konkurrenz sein, da es aber in der Kategorie „schönster Aschenbecher im Kofferraum“ punkten konnte, lag es letzten Endes doch vorn.
Lange Zeit bildeten zumindest die Tabellen der ADAC-Pannenstatistik eine Insel der glücklichen Objektivität. Denn schließlich lässt sich daran wenig deuteln: Wenn die Gelben Engel des ADAC einem schlappen Boliden wieder auf die Reifen helfen müssen, ist das ein Einsatz, dafür wird bei der entsprechenden Marke in Häkchen gemacht, am Jahresende zusammengerechnet und fertig ist die Zuverlässigkeitslaube.
Weit gefehlt. Eben weil deutsche Nobelhersteller sich darüber geärgert hatten, dass allerlei Reisgeschüssel ihnen in punkto Pannenstatistik den Schneid abgekauft haben, sannen sie auf Abhilfe. Und erfanden: die Service-Hotline.
Fortan landeten die Notrufe empörter Benzchauffeure, BMW-Fahrer und Audimobilisten nicht mehr beim ADAC, sondern beim Hersteller-Call-Center. Und folglich wurden die Pannenstatistiken auf wundersame Weise deutschfreundlicher, die betreffenden Marken scheinbar zuverlässiger.
In der aktuellen ADAC-Statistik herrscht wieder political correctness. In der miesen Ecke stehen zumeist Autos aus dem Land des gallischen Erbfeindes sowie Billigschüsseln aus Fernost, bei den Guten finden sich verstärkt die national korrekten Produkte aus Wolfsburg, Ingolstadt, München, Stuttgart und Zuffenhausen wieder.
Schade nur, dass der ADAC es nur früher einmal wagte, auf die Gründe für die Verzerrung des hauseigenen Zahlenwerkes hinzuweisen. Aktuell erfährt der geneigte Leser nicht mehr, dass ein wachsender Teil deutschen Bleches via Herstellerhotline revitalisiert wird. Da wird doch wohl niemand mit Gunstentzug gedroht haben ...

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Sommertraum in Schwarz. Oder: Leipziger Qualitätsjournalismus im Tiefflug
Welches Top-Ereignis hat gestern in der Region Leipzig stattgefunden und in meiner Lokalpostille samt Kreisausgaben den meisten Platz beansprucht? Kaufhauspleite? Meteoriteneinschlag? Wahlskandal? Alles so was von falsch. Richtig wäre gewesen: Autoverlosungsgewinnübergabe.
Was fürn Brösel, mag nun der eine oder andere Leser dieses kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches denken. Eine Autoverlosung, das ist doch etwas für wurstige Anzeigenblätter und nichts für eine nach eigenem Verständnis dem Qualitätsjournalismus verpflichtete Tageszeitung. Stimmt, aber zumindest letzterer Anspruch ist bei meiner Lokalpostille, der Leipziger Volkszeitung, ja nicht mehr wirklich ernst zu nehmen.
Wie sonst wäre es zu erklären, dass der Verlag die gemeinsam mit einem Grimmaer Autohaus durchgeführte Verlosung eines Renault Mégane Cabrios über Wochen zum Ereignis von staatstragender Bedeutung hochkritzelt, dass sich sogar namhafte Verlagsmitarbeiter, die ansonsten vor allem an exponierter Stelle kolumnieren, dazu herablassen, blasse Werbetexte für ein „tolles Auto“ und die Möglichkeiten zu dessen Gewinn zu tippen und dass dem geneigten Leser meiner Lokalpostille Tag für Tag die Nummer des LVZ-Glückstelefons eingehämmert wird? Guckst Du hier: http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1411389/
Nun ist es (wahrscheinlich) ausgestanden. Die glückliche Gewinnerin ist eine 44-jährige Chefsekretärin, stammt aus dem Kaff Kahnsdorf in der Nähe von Neukieritzsch und hat nur ein einziges Mal angerufen, um den Gewinn zu ergattern. Das war am 22. Mai, dem Geburtstag ihrer Mutter und es hat nur 50 Cent gekostet. Diese vielen, beglückenden Informationen habe ich heute in meiner Lokalpostille lesen dürfen, und auch, dass LVZ-Muldental-Regionalchef Heinrich Lillie im Grimmaer Autohaus Lange „Sommertraum in Schwarz“ gestern an die Gewinnerin übergab. Und noch viel mehr, denn meine Lokalpostille nimmt’s ja mit dem Pressekodex nicht so genau und verschwurbelt Redaktionelles und Geschäftliches so emsig miteinander, dass es eine (UN-)Art hat.
Nun möge der geneigte Leser meines Blogs nicht etwa glauben, dass solcherart Verstöße gegen geltende Regeln schamhaft auf einem Plätzchen im Hinterhof des Lokalteils abgefrühstückt würden. Nönö. Ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt es sich ganz ungeniert – dieses Motto gilt auch bei der Leipziger Volkszeitung. Und folglich ist der schönmenschelnde Cabrioverlosung das lokale Aufmacherthema der LVZ im Muldental und in Borna-Geithain, großes Seite-1-Lokalthema in Delitzsch-Eilenburg und in der Stadtausgabe Leipzig immerhin noch der Aufmacher für die Seite 2 Lokal.
So etwas nennt meine Lokalpostille Qualitätsjournalismus nach Leipziger Art.

PS.: Da mein Tagebuch auch von zahlreichen auswärtigen Lesern genutzt wird, sei – um Missverständnisse zu vermeiden – vermerkt, dass die Leipziger Volkszeitung ein Aboblatt ist, für dessen Bezug man richtig Geld abdrücken darf. Und das, obwohl sie sich gekonnt als Anzeigenblatt tarnt.

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Dienstag, 9. Juni 2009
I did it. Oder: Piratenwahl
Die sonntägliche Europawahl ist Geschichte, die übliche mediale Zeremonie von Erfolgsverkündung, Schuldzuweisung und Wundenleckung ist absolviert. In Sachsen kam zur Europawahl noch eine landesweite Kommunalwahl hinzu.
Für meinen Ort Borsdorf lieferte diese Kommunalwahl vor allem ein positives Ergebnis: Die braunen Kameraden, die im Vorfeld heftig getönt und es dabei mit der Wahrheit nicht immer gut gemeint haben, bleiben außen vor. Schaut man allerdings genauer hin, relativiert sich die positive Botschaft: Die beiden Bewerber sammelten 373 von 9886 abgegebenen Stimmen für sich ein; beim Führenden fehlten nicht wirklich viele Kreuze zu einem Stuhl im Gemeinderat.
Nur am Rande sei erwähnt, dass ich mich ebenfalls zur Wahl gestellt hatte. Auf der Liste der CDU stand ich auf recht aussichtslosem Hinterplatz und darf - zur Erleichterung wesentlicher Mitglieder meiner Familie - auch künftig meine Freizeit ohne Rücksichtnahme auf Gemeinderatssitzungen planen. Doch immerhin: Zieht man die möglichen Stimmen aus meinem familiären und nachbarschaftlichen Umfeld ab, so gab es für mich als kommunalpolitischen Nobody gut 90 Stimmen bei minimalem Wahl-"Kampf". Also bleibe ich an dem Thema dran.
Recht amsüsant war für mich die Europawahl. Die geneigten Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches wissen, dass ich mit der EU in ihrer aktuellen, bevormundenden Ausprägung nicht wirklich glücklich bin. Zudem hat mich noch niemand davon überzeugen können, welche Vorteile die EU mir und meinem kleinen, unbedeutenden Dasein beschert. Niemand komme mir jetzt mit Reisefreiheit und solcherart Laberschwafel, dazu braucht's kein bürokratisches, staatenfressendes Monster, dazu reichen anderweitige Abkommen. Um nicht missverstanden zu werden: Ich bin für Europa, gutnachbarschaftliche Beziehungen und "den Weltfrieden", aber gegen eine europäische Blähunion.
Zurück zum Thema Europawahl: Ausgehend von meiner gänzlich unbedeutenden EU-Aversion gibt es eigentlich keine ernstzunehmende Partei, in der ich mich in punkto Europa wiederfinde. Folglich hätte ich meine Europawahlklorolle auch jungfräulich in die Urne stopfen und folglich auf eine Stimmabgabe verzichten können.
Weil mir solcherart Schweigsamkeit jedoch widerstrebt, habe ich meine Stimme der einzigen Partei gegeben, deren Auffassungen im EU-Wahlkampf ich rückhaltlos unterstützen kann: der Piratenpartei Deutschland.
Guckst Du hier: http://piratenpartei.de/

Warum? Weil diese Partei ihre Stimme gegen allerlei Schäubelei erhebt, weil sie gegen politischen Populismus (Spieleverbote, Zensursula), die Einschränkung verfassungsrechtlicher Freiheiten auftritt und weil mir das Video "Du bist Terrorist" (guckst Du hier: http://piratenpartei.de/DuBistTerrorist ) aus dem Herzen spricht.

Ein wenig überrascht hat mich, dass immerhin 26 meiner Nachbarn die selbe Wahl getroffen haben. Immerhin kann ich für mich wahrscheinlich in Anspruch nehmen, der älteste "Pirat" meines Dorfes zu sein.
Bundesweit holten die Piraten übrigens 229.117 Stimmen. Das entspricht 0,9 Prozent und ist gar nicht so weit von der SPD entfernt. Zumindest aber ausbaufähig.

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Montag, 8. Juni 2009
Vorauseilende Schatten. Oder: Die schöne Ex-Landrätin will in den Sächsischen Landtag
Über Petra Köpping, die zum Glück Nichtmehr-Landrätin des einstigen Landkreises Leipzig Land habe ich in meinem kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuch schon einige male nachgedacht. Zum Beispiel hier http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1160578/ , hier http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1335821/ und hier http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1407943/ .
Der aufmerksame Leser meines Tagebuches weiß natürlich, dass die wackere SPD-Frau in den Sächsischen Landtag einziehen will – allen aktuellen Anfeindungen und Ermittlungen wegen mutmaßlicher Fördermittelkungeleien zum Trotz. Mit Platz vier auf der Landesliste steht Petra Köpping bei der Landtagswahl auf guter Position; sogar dann, wenn sich der Niedergang der SPD fortsetzt. Die Genossen werden ja nicht gleich unter die 5-Prozent-Hürde rutschen – aber man soll ja nie nie sagen.
Man muss kein Prophet sein, um der Menschheit im Raum Leipzig einen deftig-schlammigen Wahlkampf nach Landrätinnenart vorherzusagen. Die Katze lässt das Mausen nicht, warum sollte sich eine MdL-Aspirantin da umstellen.
Dass auch das Internet dabei eine Rolle spielen wird, ist sicher. Erste Anzeichen werden sichtbar. Die Internetseite www.petra-koepping.de lebt wieder, zumindest ein wenig. War die einstige Wahlkampfseite zunächst auf die Dienstadresse der Landrätin Petra Köpping registriert, wechselte die Registratur dann auf die Privatadresse und später auf die der Leipziger SPD. Schaut man heute unter www.denic.de nach, erfährt man, dass den deutschen Domainverwaltern Ende Mai eine Änderung gemeldet wurde und sieht als neue Registraturadresse den SPD-Landesverband in Dresden. Die Zeiten, da in der Region gehostet wurde und eine Susann Keil sich um die Seite kümmerte, sind Geschichte. Jetzt werden große Brötchen gebacken.
Schade, dass in diesem Zusammenhang die philosophisch anspruchsvolle Meldung „Diese Seite existiert nicht mehr“ (https://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1335821/ ) verschwunden ist. Weil Petra Köpping die Speerspitze ihres kommenden Internetwahlkampfes nun auf den Servern von 1&1 abgelegt hat, sieht man beim Aufruf der Seite nun das typische Schaufelmännchen.
Neues gibt es auch von der Zweitdomain namens www.petrakoepping.de
Diese war vor kurzem noch im Besitz eines Domaingrabbers, der nun wohl zu der Überzeugung gelangt ist, dass Petra Köpping nicht wirklich eine Zukunft hat, heute ist sie laut denic frei gemeldet. Wer also noch was Hübsches zum Reservieren sucht ...

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