Montag, 17. Januar 2011
Leipziger Hochwasserfazit. Oder: Ein lebendiger Auwald ist der beste Hochwasserschutz
Na, da hat Leipzig ja noch einmal Glück gehabt mit dem Hochwasser. Die Pegel unserer „Ströme“ Elster, Parthe und Pleiße sinken allmählich, große Schäden sind ausgeblieben, der Arbeit des dynamisch agierenden Hochwasserstabes hat sich bewährt. Und die Deiche haben im Prinzip gehalten, nur hier und da gab es Probleme, die sich aber mit Sandsäcken, Geotextilien und der Arbeit einiger hundert Helfer meistern ließen. Schulterklopfen allüberall, schöne Bilder für die nächsten Wahlen.
Axel Bobbe, der Leiter der Talsperrenverwaltung Untere Pleiße, ist zufrieden. Bürgermeister Heiko Rosenthal freut sich auch und dank allen Einsatzkräften, und bald wird auch Oberbürgermeister Burkhard Jung noch einmal gummibestiefelt daherkommen und ein entschlossen-zufriedenes Chefgesicht aufsetzen (Früher hieß das übrigens FDJ-Prinzip: Wenn was klappt, Blauhemd überziehen, „Freundschaft“ rufen und Lob einheimsen, wenn’s schief geht, nicht blicken lassen und aus der Ferne kritisieren, aber das nur am Rande ...).

Natürlich gibt es auch ganz softe Manöverkritik. Axel Bobbe bezeichnet die Situation der alten Deiche in Leipzig als „alles andere als rosig“ und mahnt Sanierungen, den Bau von Deichverteidigungswegen und die Fällung des reichlich vorhandenen Baumbewuchse auf und unmittelbar hinter den Deichen an. Und schon während des Hochwassers wusste man im Rathaus, wo die Schuldigen an der Leipziger Deichmisere sitzen: Nicht im Rathaus, sondern in den Büros der hiesigen Öko-Taliban, soll heißen, der Naturschutzverbände, die den emsigen Rathausmitarbeitern das Leben schwer machen und diese bei der Planung von Deichen usw. behindern. Sagt man im Rathaus (Was von solcherart Gräuelpropaganda zu halten ist, sollten die geneigten LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches hier http://www.nabu-sachsen.de/index.php?option=com_content&view=article&id=1627:pm-nr-01-14-01-2011&catid=223:pm-2011&Itemid=1100 nachlesen. Sehr empfehlenswert.).
Mal abgesehen davon, dass hier wohl rathausseitig ein wenig Zweckflunkerei im Spiel war, sind die grünen Störer als Schuldige natürlich immer gut. Allerdings braucht es schon hohe Kunst und beinahe Zauberei, ihnen in die Schuhe zu schieben, dass die Leipziger Deiche (bis auf ein kleines Stücklein nahe Wahren) ein halbes Jahrhundert lang praktisch unbeachtet in der Gegend standen und vergammelten. Die am wankenden Luppendeich in Windeseile gefällten Bäume waren keine dünnen Ruten, sondern ausgewachsene Stämme. Die wachsen nicht in zehn Jahren, da muss eine Fachbehörde lange auf der Schreibtischplatte geschnarcht haben ...
Und was heißt überhaupt Sanierung? Die jetzigen Deichanlagen stammen aus einer Zeit, als hierzulande nach der Maxime geplant und gebaut wurde, dass der Mensch die Natur beherrschen kann, soll und darf. Folglich wurden Auen eingedeicht, Gewässer verfüllt und durch Kanäle ersetzt und Neuland gewonnen. Der einstige Auenwald, ein Wasserspeicher erster Güte und ein vielfältiger Lebensraum, kränkelte hinter Deichen und Notwehren vor sich hin, wurde bebaut und geschunden.
Erst vor vier, fünf Jahren gönnte man diesem Biotop, dessen Lebenselixier regelmäßige Überschwemmungen sind, im Rahmen eines Forschungsprojektes wohldosierte, tröpfelnde Wasserschübe. Dabei lechzt ein solcher Wald nach Überflutungen, wie sie ihm das aktuelle Hochwasser endlich wieder einmal beschert hat.

Fazit: Wenn in den Fachbehörden der Stadt Leipzig tatsächlich irgendwo Fachleute überlebt haben sollten, müssten sie sich dafür stark machen, das Hochwasserschutzkonzept der Stadt sang- und klanglos zu beerdigen und durch ein Auwaldrevitalisierungskonzept zu ersetzen. Die Deiche gehören nicht ins Vorland zwischen Fluss und Wald, sondern weit in den Wald hinein, am besten unmittelbar vor die angrenzende Bebauung. Die eine oder andere Ausflugskeipe, die im Auenwald steht, lässt sich mit einem Ringdeich schützen (Bei dieser Genehmigung sollte allerdings auch gleich geprüft werden, ob allerlei Bauten und deren Nutzung, insbesondere als Schweinmastanlagen, überhaupt jemals genehmigt wurden. Hier kann sich eine Verwaltung gern austoben ...).
Dass dabei so mancher Neubau der vergangenen 20 Jahre nasse Füße bekommen und auch die eine oder andere Tiefgarage gelegentlich absaufen dürfte, ist ein Kollateralschaden. Dumm gelaufen, aber die Betroffenen mögen sich bitte bei den „Fachleuten“ der Stadt Leipzig beschweren, die solcherart Bebauung in bzw. direkt an einem Überflutungsgebiet genehmigt haben.
Ach ja, und wenn bei dieser Gelegenheit auch noch das unsägliche Fußballneubaumillionenprojekt der „Roten Bullen“ den Bach bzw. Fluss runtergeht, wäre das kein Verlust. Sumpf ist da ja schon mehr als genug, und das sogar ohne Wasser.

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Freitag, 14. Januar 2011
Der Leipziger OBM Burkhard Jung als Deichgraf. Oder: Mit dem Hochwasser auf Augenhöhe
Der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung steht in „seiner“ Stadt nicht wirklich in dem Ruf, ein Übermaß an Kompetenz und Charisma zu besitzen. Wer Jungs Beliebtheit in der Stadt Leipzig mit Worten wie „sinkend“ oder „Sturzflug“ beschreibt, muss sich den Vorwurf der Beschönigung gefallen lassen. Der Begriff „Freier Fall“ beschreibt den realen Zustand wohl am treffendsten. Daran ändern auch die vielen, schönen Reisen nicht, die das Stadtoberhaupt an viele, schöne Orte macht um dort mit vielen, wichtigen Menschen zu sprechen. Zum Wohle der Stadt.
Da wundert es nicht, dass Burkhard Jung die Chance nutzt, die ihm die steigenden Pegel der Flüsse Elster, Parthe und Pleiße bietet. Schließlich braucht’s nicht viel, um die Rolle des Deichgrafen zu spielen: Ein paar Gummistiefel, ein entschlossenes Gesicht, die üblichen Worthülsen und ein paar Medienvertreter, die froh sind, dass ihnen jemand die Zeilen bzw. Sendeminuten zuschwätzt. Und ganz gleich, ob Oder, Elbe oder Mulde – irgendwie kommt so ein dynamisch durchs Wasser patschender Politkomiker beim tumben Wahlvolk mördermäßig gut an. Die Gummistiefel haben ja einst sogar den Schröder gerettet, damals, als er noch nicht Gasmann war, sondern den Kanzler darstellte.
Bei seinem gestrigen Auftritt am wankenden Deich stellte Burkhard Jung allerdings eindrucksvoll unter Beweis, dass er in der Lage ist, sogar eine narrensichere PR-Nummer wie die des Deichgrafen zu vergeigen. Okay, dass er bei den tapferen Deichverteidigern den Handschüttelonkel machte, war zwar den meisten Beteiligten sichtlich peinlich, aber so was gehört nun mal zum Geschäft eines wiederwahlwilligen Wahlbeamten. Dass der OBM dann aber tatsächlich Kompetenz mimen und Äußerungen von Landestalsperrenverwaltung und Feuerwehr eigenständig etwas Dynamisch-substanzielles hinzufügen wollte, ging in die Hose.
Auf die Frage, warum in einem Naturschutzgebiet auf rund 1,3 km Deichlänge Bäume gefällt werden, sprach Jung in die Kamera des Mitteldeutschen Rundfunks: „Das ist absolut notwendig, absolut notwendig. Man kann nicht verantworten, nicht auf die Deiche zu kommen Im Extremfall, im Katastrophenfall müssen schwere Fahrzeuge auf den Deich rauf. Und das heißt, die Baumfällung muss sein.“
Um von den geneigten LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches nicht missverstanden zu werden: Die Fällung von Bäumen auf und hinter einem Hochwasserdeich, für dessen Erhalt und Ertüchtigung die Stadtverwaltung Leipzig seit Jahrzehnten nichts getan hat, ist zum jetzigen Zeitpunkt in Ordnung und die einzig sinnvolle Maßnahme. Hinter jedem „gesunden Deich“ gibt es einen Deichweg, auf dem im Notfall Helfer und Material schnell ans wankende Schutzbauwerk gebracht werden können. Wer aber „schwere Fahrzeuge auf den Deich rauf“ schickt, beweist, dass er ein kompetenzfreier Schwätzer ist. Fahr mal einer mit einem LKW auf einen Haufen Sülze ...
Ach Burkhard, wie leicht wäre es doch gewesen, nur eine der üblichen Worthülsen loszulassen. „Unsere Aufgabe als Stadt ist es, verwaltungsseitig die Voraussetzungen für eine effiziente und nachhaltige Deichverteidigung zu schaffen. Wir sehen uns in dieser Hinsicht gut aufgestellt und können dem Hochwasser auf Augenhöhe begegnen.“ Na gut, das mit der Augenhöhe lassen wir weg, sonst kommt noch jemand auf die Idee, sich das bildlich vorzustellen ... Wie hoch steht das Wasser eigentlich am OBM?

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Mittwoch, 12. Januar 2011
Deutschland schafft sich ab. Oder: Berliner Parallelen zur DDR
Die regelmäßigen LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches wissen, dass ich gelegentlich auf Parallelen zwischen dem aktuellen Geschehen und dem in der real nicht mehr existierenden DDR verweise. Den nicht so regelmäßigen Konsumenten meines kleinen, jugendgefährdenden Tagebuches sei zur Beruhigung verraten, dass ich erstens kein Ostalgiker bin und zweitens die IP-Adressen meiner Leser weder auswerte noch deren Arbeitgeber über ihr Surfverhalten informiere. Das überlassen wir doch den Hugenotten im aktuellen Bundeskabinett, gelle.
Doch zurück zur einstigen DDR bzw. zu meinen gelegentlichen Vergleichen mit dem ersten Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden. Wie ähnlich manche Verhaltensweisen sind, schrieb ich kürzlich hier http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1734617/ und dachte ein wenig über die Eigenart abgehobener Politiker nach, sich in der kalten Jahreszeit gen Süden zu verpi... ähem verfliegen. Gelle, Guido.
Parallelen bestehen auch im Hinblick auf die Symptome, die den wirtschaftlichen Niedergang eines System begleiten: Eine verrottende Infrastruktur, einen unübersehbaren Investitionsstau, amtliche Schönrednerei und das Ausquetschen der eigenen Wirtschaft zu Gunsten eines sinnlosen Bündnisses - all das habe ich schon einmal erleben dürfen und hätte nicht geglaubt, wenige Jahre später schon wieder live dabei zu sein.

Heute fiel mir eine weitere, sehr interessante Parallele auf. Vor 20 Jahren, am 11. Januar 1991, trat das erste Gesamtberliner Parlament zusammen. Aus diesem Anlass fand nun eine Feier in der Berliner Nikolaikirche statt, an der manches passend (zum Beispiel der Auftritt Barbara Kellerbauers mit "Anmut sparet nicht noch Mühe"), anderes unpassend (Der Auftritt das einstigen Einheitsgegners, jetzigen Gasmannes und ewigen Exkanzlers Gerhard Schröder mit viel Werbung in eigener Sache und für die Vorhaben seines russischen Arbeitgebers) und eines skandalös war: Der Schluss.
Zum Ende der Feier stand nämlich die deutsche Nationalhymne auf dem Programm. Diese sollte gesungen werden, verlangte die Berliner CDU. Die rot-rote Regierungskoalition hatte damit ihre Probleme und lehnte die Singerei ab.
Als Kompromiss wurde die Hymne instrumental vorgetragen - allerdings auf dem Programmzettel brav angekündigt als Kaiserquartett von Haydn. Was sachlich in Ordnung ist, denn als solches wurde die staatstragende Melodei einst komponiert, real hingegen ein bedenkliches Zeichen, denn eine Hymne mit weggelassenem Text hatte ich schon mal ... in der DDR. Wohin das führte, ist seit dem 3. Oktober 1990 bekannt. Preisfrage: Wie lautet der Titel des erfolgreichsten deutschen Sachbuches 2010?

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Dienstag, 11. Januar 2011
Gedanken zur Polizeifusion. Oder: Von Heydrich, Himmler, de Maizierè und dem Grundgesetz
Als ich zum ersten Mal davon hörte, dass Bundesinnenminister Thomas de Maizière eine Fusion von Bundespolizei und Bundeskriminalamt (BKA) anstrebt http://www.welt.de/print/welt_kompakt/print_politik/article11517062/Die-grosse-Fusion.html , nahm ich das noch nicht ernst. Zugegeben, das war ein Moment der Schwäche. Ich hätte schließlich wissen müssen, dass Machtmenschen anders ticken, dass ihnen die Vision eines allumfassenden Überwachungssystems feuchte ... ähem angenehme Träume bereitet. Außerdem habe ich mir trotz gegenteiliger Erfahrungen noch immer ein Quäntchen des Irrglaubens bewahrt, dass Politiker 1. mit Verstand gesegnet sein und 2. sich an geltendes Recht halten müssen. Schön blöd.
Immerhin, gegen des Ministers Träume regte sich Protest. Das Bundeskriminalamt sah sich nicht wirklich als Fusionskandidat http://www.welt.de/politik/deutschland/article11735683/BKA-will-Superpolizei-mit-aller-Macht-verhindern.html , und auch aus Bayern http://www.welt.de/politik/deutschland/article11892770/Bayern-findet-geplante-Superpolizei-verfassungswidrig.html erklang Kritik. Wobei, die wahr reichlich blauäugig. Zu oft wurden in den vergangenen Jahren verfassungswidrige Gesetze verabschiedet und erst durch höchstrichterliches Veto gestoppt.
Doch nun machte der Bundesinnenlothar deutlich, dass es ihm mit der Schlapphutbehörde ernst ist: http://www.dradio.de/nachrichten/201101111200/4 Dass de Maizière Kritikern aus den Ländern zusagte, die Befugnisse von BKA und Bundespolizei nicht zu erweitern, erinnerte mich an Mauerbauer Walter Ulbricht. Der antwortete am 15. Juni 1961 auf die Frage einer (West-)Journalistin nach den Plänen der DDR zur Grenzsicherung „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“ – zwei Monate vor dem Bau derselben. Niemand hat die Absicht, die Befugnisse von BKA und Bundespolizei zu erweitern.
TAZ-Kolumnist Friedrich Küppersbusch äußerte zum Vorhaben de Maizierès bereits am 13. Dezember (Pioniergeburtstag!) 2010: „Der sicherste Unterschlupf der Verfassungsfeinde ist derzeit ein Job im Kabinett Merkel.“ Und weiter: „ ... Die Letzten, die aus Länderpolizeibehörden eine nationale Polizei zusammentricksten, waren Himmler und Heydrich – mit Tumoren wie Reichssicherheitshauptamt, SiPo ... und ursprünglich Gestapo.“ Also, der Mann, der Küppersbusch, gehört eingesperrt! Solcher Vergleiche gehören in Deutschland verboten, verstoppschildert und vorratsgespeichert. Selbst dann, wenn sie zutreffen.


PS.: Wer nun denkt, dass das alles übertrieben ist und dass die Bayern sowieso spinnert sind (prinzipiell ja, aber nicht immer), dem sei ein Blick ins Grundgesetz empfohlen. Artikel 30 legt fest, das Polizei Ländersache ist ... eine Fusion angesichts der aktuellen Machtverhältnisse also besondere Tricks erfordern würde. Aber bis zum 30. Januar sind ja noch ein paar Tage ...

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Postgedanken. Oder: Plädoyer für eine neue Behörde
Früher war alles besser. Keine Angst, jetzt kommt nicht die nervige alte-Leute-Litanei von Kaiser, Führer und Wirtschaftswunder. Erstens bin ich noch kein „altes Leut“ und habe zweitens folglich weder Kaiser noch Führer noch Wirtschaftswunder erlebt. Und war es früher nicht wirklich besser, nur anders.
Zum Beispiel bei der Post. Als „die Post“ noch der Inbegriff der Farbe gelb war, konnte man sich auf sie verlassen. Jahrein, jahraus kam – fast auf die Minute genau – der Briefträger bzw. die Briefträgerin. Ebenso zuverlässig wurden in regelmäßigen Zeitabständen die Portogebühren (jawoll, das waren mal Gebühren) erhöht; zumindest im Westen Deutschlands.
Dass das seit 1597 bestehende Postmonopol gefallen ist und nun diverse Wettbewerber am Markt agieren, finde ich gut. Seit dem 1. Januar 2011 ist die vollständige Marktöffnung für Briefe unter 50 Gramm EU-weit vollzogen. Weil Ausnahmen die Regel bestätigen, dürfen sich allerdings Griechenland, Luxemburg und die meisten der neuen EU-Länder noch zwei Jahre Zeit lassen.
Doch zurück zum Wettbewerb im Briefbereich. Der hat für die Absender von Briefen vor allem den Vorteil, sich seit einigen Jahren nicht mehr als Bittsteller, sondern als Kunde fühlen zu dürfen. Welcher Briefträger hätte denn früher gefragt, ob er gleich meine Tagespost mitnehmen soll ... Und irgendwie hat die mehr oder minder bunte „Ich-bin-einen-Cent-billiger“-Konkurrenz dazu geführt, dass die „gelbe“ Post sich mit ihren Portoerhöhungen im deregulierten Marktsegment zurückhält und ihre Preise statt dessen dort erhöht, wo die Konkurrenz noch nicht nach ihr schnappt.
Allerdings, und nun kommen wir zum „Früher war alles besser“ zurück, gibt es auch Nachteile. Vorbei sind die Zeiten, da man nach dem Eintreffen des Briefträgers die Uhr stellen konnte. Je nachdem, welche Touren er oder sie nebenbei mit übernehmen darf, rollt das gelbe Fahrzeug mal früher, mal Stunden später vor. Und von wegen gelb: Seit die Post nicht mehr im hohen Gras sichelt, sondern ihre Ernte nach betriebswirtschaftlichen Kriterien einfahren muss, ist die Posthornflotte geschrumpft. Muss die gelbe Rappelkiste in die Werkstatt, rollt die motorisierte Christel schon mal mit einem Leihwagen vor. Ganz zu schweigen von der Hochsaison vor Weihnachten: Wenn’s mal wieder richtig viel zu befördern gibt, werden Transporter angemietet. Was betriebswirtschaftlich durchaus sinnvoll ist.
Mist ist hingegen, dass statt eines Briefzustellmenschen nunmehr derer drei oder vier im Lauf eines Tages an meinen Briefkasten kommen. Noch größerer Mist ist es, wenn die alle an meiner Tür klingeln, weil sie etwas gegen Quittung abzugeben haben. Allergrößter Mist ist es, wenn sie zweimal kommen, weil ein Nachbar nicht erreichbar ist, damit aber warten, bis ich wieder in mein Büro gekrabbelt bin und die nächste Runde meines Kreativschlafes begonnen habe.
Aber immerhin: Solcherart Besuch bewahrt mich in meinem Büro vor Vereinsamung und Verkauzung, doch ökologisch sinnvoll ist das Herumgefahre all der Postler, Zusteller und Kuriere sicher nicht. Mein „Fußabdruck“ in Sachen Kohlendioxid ist mir ziemlich wurscht, was muss, das muss. Aber wenn statt einer Postkutsche gleich vier an meiner Tür vorfahren, läuft was falsch.
Gestern fiel mir übrigens noch eine andere Tücke der Deregulierung auf. Eine per Nicht-Postbrief (ja, auch ich nutze die bunten Billigheimer) nach Dresden verschickte Rechnung kam mit dem Hinweis auf den unbekannten Empfänger zurück. Ein Telefonat später wusste ich die neue Adresse der just über den Jahreswechsel umgezogenen Empfängerin. Die nette verwies zudem auf den bei der gelben Post hinterlegten Nachsendeauftrag ... Früher, als alles besser war, hätte der auch funktioniert – aber nicht mehr heute, denn da braucht’s für jeden Postkonkurrenten einen eigenen.
Die regelmäßigen LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches wissen, dass ich mit unnötigen Datensammlungen und Behördengeschwüren auf Kriegsfuß stehe. Doch im konkreten Fall sehe ich einen Bedarf ... man muss ja nicht gleich eine Bundesnachsendeadressenverwaltungsagentur daraus machen.

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Freitag, 7. Januar 2011
Wie Leipzig sich zur Billig-Nutte macht. Oder: Stadt für 30 Millionen zu verkaufen.
Im ältesten Gewerbe der Welt gibt es kleine, aber wichtige Unterschiede: Auf der einen Seite schaffen bedauernswerte Geschöpfe in der Billigschiene an, in Gottes eigenem Land treffend als „Drei-Dollar-Nutte“ bezeichnet. Am anderen Ende der Skala werden Edelhuren wie Markenartikel feilgeboten. Dass es solche Unterschiede beim sich Prostituieren nicht nur bei Nutten, sondern auch bei Städten gibt, machte mir der heutige Tag wieder einmal deutlich.
In meiner Heimatstadt Leipzig gab es in den vergangenen Woche viel Gewese um ein Red-Bull-Projekt. Die Brausehersteller wollen hier ein Trainingszentrum für die Fußballer ihrer mittelmäßig glücklosen Werksmannschaft „Rasenball Leipzig“ errichten. Um das Vorhaben gab es erschröcklich viel Geheimniskrämerei, doch allmählich sickerte durch, dass Red Bull auf einem Gelände am Leipziger Cottaweg rund 30 Millionen Euro ausgeben will, um dort seinen Aufstieg in die Bundesliga irgendwie hinzuzaubern.
Das wäre nicht so schlimm, wenn hier nur Geld ausgegeben würde. Doch die Roten Bullen alias Rasenballer errichten ihr Trainingszentrum nicht etwa in einer der reichlich vorhandenen Industriebrachen, sondern – vorsichtig formuliert – am Rand des Leipziger Auenwaldes. Alles in allem sind im ersten Bauabschnitt neun Hektar dran, Erweiterungen und abholzende Inanspruchnahme dürften nicht lange auf sich warten lassen. In meiner Lokalpostille wurde das Vorhaben heute online hier http://nachrichten.lvz-online.de/gestaltete-specials/knipser/rb-leipzig/rb-leipzig-trainingszentrum/r-rb-leipzig-a-68461.html bejubelt, was nicht wundert, denn der depperte Schreiberling konnte nicht mal den Vornamen des Leipziger Oberbürgermeisters richtig schreiben. Burkhard Jung ist zwar kein harter Mann, aber dass ihn die Leipziger Volkszeitung zum „Burghard“ macht, hat nicht mal diese Figur verdient.
Fassen wir zusammen: Für 30 Millionen Öcken dürfen die Ösibrausianer in Leipzig Bäume fällen.
Schauen wir nun nach Dresden. Auch dort gab es Eingriffe in bestehende Natur, auch dort wurde einer Investition Landschaft geopfert. Der Unterschied liegt im Detail: Für den Neubau von AMD Saxony (heute Globalfoundries) wurden 6 Milliarden Dollar angefasst. Selbst wenn man davon die seinerzeit öffentlich gesponserten 800 Millionen DM abzieht, bleibt noch eine Menge Holz übrig. Edel. Sehr edel.

Und nun lehne ich mich zurück und überlasse den geneigten LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches die Bewertung, welche der beiden sächsischen Städte Leipzig und Dresden die „Drei-Dollar-Nutte“ und welche die Edelhure ist.
Übrigens: Den Ausstieg aus dem Gewerbe schaffen in aller Regel nur die Edelhuren. Die Billignutten kommen nie auf einen grünen Zweig, gehen ewig auf den Strich und machen ... nur ihren Zuhälter reich. Ganz gleich, ob mit hartem oder weichem g (Aber das verstehen nur Einheimische).

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Letzte Ölung für einen Aktenordner. Oder: Geiz bei der Buchhaltung kann so geil sein
Zu den Schattenseiten im Leben eines Selbstständigen zählt die Buchhaltung; vor allem der Jahresabschluss ist ein immer wiederkehrender Quell der Freude. Dieser Tätigkeit widme ich mich zurzeit und hoffe, dass auf meinem Antlitz dabei nicht gar zu viele Ekelpickel sprießen mögen.
Beim Hin- und Herschaufeln und Sortieren von Belegen habe ich mich allerdings bei einer Anwandlung von Geiz ertappt, über die ich im Nachhinein selbst Grinsen musste - und wer kann schon von sich behaupten, beim Abarbeiten von Buchhaltungsmüll die Mundwinkel nach oben zu ziehen?
Also dann: Aus lauter Sparsamkeit (Im Herzen kann auch ein leibhaftiger Sachse irgendwie Schwabe sein) nutze ich zum Abheften all der ekligstaubigen Belege des vergangenen Jahres Ordner, die - vorsichtig formuliert - schon einiges erlebt haben und mindestens das vierte Rückenetikett tragen. Ein solcher Aktenschrankveteran erregte heute mein morgendliches Missfallen, denn beim Öffnen und Schließen zeigte sich seine ausgeklügelte Hebelmechanik nicht nur recht widerspenstig, sondern ließ dazu auch noch ein jämerliches Quietschen ertönen. Nach gefühlten 43 Trilllionen Quietschvorgängen griff ich mir einen Pumpöler http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96lkanne und träufelte ein klitzekleines Tröpchen edlen Öls in die Ordnermechanik und gab gleich noch ein zweites hinterher - was soll der Geiz, die verfressenen Hühner und Schweine, die das Zeug sonst verdrücken, sind ja zurzeit auf Diät.
Anschließend wackelte ich ein wenig an der Mechanik herum, ergötzte mich am Nachlassen des Ordnerwimmerns und putzte abschließend überschüssiges Öl mit einem Stück Zellstoff ab. So schön kann Büroarbeit sein ...

PS.: Vor Übergabe des geschmierten Ordners an meinen Steuerberater werde ich wohl noch ein Zettelchen anbringen, das die Bearbeiterin meiner Unterlagen über die Herkunft des doch recht penetranten Geruches informiert. Ich hätte vielleicht doch kein altes Motorenöl verwenden sollen ...

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Mittwoch, 5. Januar 2011
Späte Neujahrsansprache. Oder: Tillich und die Schlaglöcher
So, das isser wieder. Und sollten sich die geneigten Leserinnen und Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches gefragt haben, wo er denn gesteckt haben könnte, so sei ihnen mitgeteilt, dass er – also ich – nie weg, sondern auch in den vergangenen Funkstillefeiertagen stets da war; also hier. Dass er – also ich – aber eine Menge zu tun hatte und angesichts der Pflicht wenig Muße für die Kür hatte. Alles klar soweit?
Dann wünsche ich meiner geneigten Leserschaft ein fröhlich-chaotisches Jahr 2011, in dessen Verlauf ich hoffentlich wieder den einen oder anderen Denkanstoß liefern darf. Meiner nicht geneigten Leserschaft, allen voran den Angehörigen der Selbstgoogler- und Internetausdruckerfraktion, wünsche ich ein stets reichhaltiges Frühstück, das ihnen beim empörten Lesen im Hals stecken bleiben möge. Aber bitte nicht final, schließlich soll die Quälerei nicht zu schnell vorüber sein. Aber ein wenig Röchelei und Blauwerden darf's schon sein.
In diesem Sinne: Macht was draus!

PS.: Beim Schnellnochmallesen meiner verspäteten Neujahrsansprache musste ich kichern. Nicht über meinen Sülz, sondern weil ich mich an die wirklich erlebenswerte Ansprache des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich erinnerte.
Unser aller Obersachse mühte sich mit staatstragenden Worten, seinen Untertanen die Erfolge der vergangenen 20 Jahre zu verdeutlichen. Dabei verstieg er sich zu der Feststellung, dass vor 20 Jahren „die Straßen voller Löcher“ gewesen seien. Was erstens stimmt, aber zweitens ein schon lebensgefährlicher Brüller ist und drittens das Zeug zum "Eigentor des Monats" hat. Guckt der Mann auf dem Weg von der Staatskanzlei nach „dorheeme“ (vulgo: nach Hause) überhaupt mal aus seinem Phaeton? Oder verlässt er sich darauf, dass der Chauffeur zuverlässig dem zufällig vorausfahrenden Schneepflug hinterherlenkt (Für Eingeweihte: "Es gibt keine Schneepflugaffäre in Sachsen!").

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Montag, 27. Dezember 2010
Was die Kirche von der Deutschen Post lernen kann. Oder: Beamer statt Pfaffengesabber
Es ließ sich nicht vermeiden, während der gottlob Geschichte gewordenen Weihnachtstage "Kevin allein zu Haus" zu sehen - gefühlt 12 Trillionen mal, zumindest stückweise. Ich gebe zu, dass ich mit verordnetem, kollektiven Wahnsinn nichts am Hut habe, Weihnachtsmärkte als nervig empfinde und das ganze Gewese rund um den mutmaßlichen Geburtstag eines ziemlich abgefahrenen Kreuzhängers für eine terroristische Verschwörung halte, auf alle Fälle aber für gesundheitsgefährdend.
Doch zurück zu Kevin allein zu Haus. In einer Szene dieses Films geht Kevin am Heiligen Abend in die Kirche und trifft dort den alten Marley, göttlich knurrig und kauzig dargestellt von Robert Blossom, der die gleiche sehenswerte Kauzigkeit übrigens auch in "Doc Hollywood" rüberbringt.
Doch (schon wieder) zurück zu Kevin allein zu Haus. In der Kirche kommt der vergessene Kevin mit dem alten marley ins Gespräch und stellt fest: "Man kommt immer hierher, wenn man mit sich nicht zufrieden ist."
Hierher - das ist die Kirche. Und genau an diesen Satz musste ich denken, als ich mich am 24. Dezember gegen 14.30 Uhr auf den Weg zu einer gemütlichen 20-km-Runde durch den Schnee machte, in die Dämmerung und ins einsetzende Schneetreiben hinein, während sogar im heidnischen Sachsen die "Gottes-"Häuser voll mit erführchtig-gerührten Heuchlern saßen, die das ganze Jahr über einen auf Atheist machen und zum Heiligabend das große Rennen bekommen - zum Gottesdienst.
Da gefiel mir meine eigene Heilignachmittagrennerei schon wesentlich besser.
Doch zurück, nein, nicht zu Kevin, sondern zur Kirche. Eigentlich könnte man den ganzen Summs samt Pfaffenhütchen und pseudogeistlichem Humtata doch einfach per Gesetz abschaffen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist es doch höchst unsinnig, ein ganzes Jahr lang eine Leistung vorzuhalten, die man nur sehr selten benötigt. Die Post macht's doch vor: Der Fuhrpark wurde stark verringert, die Lastspitze zum Jahresende wird mit Mit-Lkw abgefangen.
Auf die Pfaffen übertragen hieße das: Weg damit, oder irgendwo als Missionare an den A... der Welt schicken. Die alljährliche Heiligabendshow überlässt man irgendeinem Musical-Produzenten, der diese zeitgleich bundesweit aufführt. Oder noch besser: Das Christkindsgeschwafel wird dem tränentriefenden Volk auf Videoleinwände übertragen, das klappt doch beim Sommermärchen auch. Kein Mensch müsste mehr leere Kirchen finanzieren, Entschädigungen an Pädophilieopfer zahlen, Prozesse ums Glockengebimmel führen ...

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Rapunzel neu verföhnt. Oder: Aufruf zum Terror
Manchmal muss ein Mann Dinge tun, die ein Mann zwecks Wahrung des Familienfriedens eben tun muss. So zum Beispiel im Kino einen Film anschauen, der den schönen Titel "Rapunzel neu verföhnt" trägt.
Ich hab's getan, hab's überlebt und einiges dazugelernt. Ersten, dass der Film recht nett ist und eigentlich durchaus erträglich wäre, gäbe es die blöde Singerei nicht. Aber das ist Geschmacksache.
Zweitens - und diese wichtige Erkenntnis möchte ich den LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches natürlich nicht vorenthalten - ist dieser Film staatsgefährdend. Ja, er ruft sogar zum Terror auf, er ist eine Gefahr für die bestehende freiheitlich-demokratische Grundordnung unserer Bananenrepublik und für den Förderalismus. Es wird mir wohl auf immer unverständlich bleiben, wie ein solcher Film, achwas, ein solches Machwerk, ohne Alterseinstufung durch die FSK kommen konnte.
Nur zum Vergleich: "Easy Rider" ist noch heute mit einer FSK 18 verhunzt, "Rambo" (I; II, III) musste von den Kinowelt-Schnittmeistern nachträglich kastriert werden, ehe er als DVD die umsatzfördernde "FSK16"-Einstufung erhalten durfte - und "Rapunzel"? Geht glatt durch.
Unglaublich, und ich bin noch immer aufgewühlt, dass dieser Film Kinder, die Zukunft Deutschlands also, verderben darf.
Wie er das macht? Gleich mehrfach dürfen in "Rapunzel neu verföhnt" Himmelslaternen fliegen. Und nicht nur fliegen - sie werden glorifiziert, zum Symbol für Hoffnung gemacht. H-i-m-m-e-l-s-l-a-t-e-r-n-e-n! Sowas gehört verboten! Schlafen die eigentlich bei der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft? Bloooockwaaaart!

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