Dienstag, 1. Juli 2008
Joseph Goebbels, DHL und 500 Mio vom Freistaat Sachsen
zeitungsdieb, 14:59h
Was haben Willy Brandt, Helmut Kohl, Hans-Joachim Kuhlenkampf, Egon Bahr und Guido Knopp gemeinsam? Sie alle haben die Sünde begangen, andere Menschen mit Joseph Goebbels zu vergleichen. Für die Spätgeborenen: Joseph Goebbels war einer der Hauptakteure des NS-Regimes, der durch sein Wirkens als „Reichsminister für Propaganda und Volksaufklärung“ sowie „Generalbevollmächtiger für den totalen Kriegseinsatz“ maßgeblich zu Endlösung, totalem Krieg und sinnlosem Sterben beigetragen hat. Aus eigenem Erleben kenne ich noch den Aufruhr, den Helmut Kohl auslöste, als er dem US-Magazin Newsweek in einem Interview (später durch Tonbandmitschnitt bestätigt) über Michail Gorbatschow sagte: „Das ist ein moderner kommunistischer Führer, der war nie in Kalifornien, nie in Hollywood, aber der versteht etwas von PR. Der Goebbels verstand auch etwas von PR.“
Die dadurch ausgelöste echte (und erst recht die gespielte) Hysterie lehrten mich: Man darf niemanden mit Goebbels & Co. vergleichen. Daran halte ich mich tunlichst, auch wenn ich (man lernt ja dazu) inzwischen durchaus nachvollziehen kann, warum der promovierte Historiker Helmut Kohl diesen Vergleich gebraucht hat …
Wer sich ein wenig in die Gedankenwelt eines skrupellosen PR-Mannes und notorischen Demagogen im Dienste des Teufels einlesen will, dem sei die Lektüre seiner Tagebücher empfohlen, die man u.a. unter ISBN 3492114105 ordern kann.
Gobbelssche Leitsätze wie „Wozu Wahrheit? Eine Lüge muss man nur oft genug wiederholen, immer drauf!“ oder „Wir dürfen uns nicht an die Elite wenden – die erreichen wir nicht. Wir müssen die Dummen überzeugen!“ klingen mir übrigens in diesen Tagen in den Ohren, wenn ich die aktuelle Berichterstattung zum Themenkreis DHL, Flughafen Leipzig-Halle LEJ, Nachtflug usw. erlebe.
Beispiele gefällig?
Eine Methode, die schon der gottlob per Suizid endgelöste Joseph Goebbels geschickt einzusetzen wusste, erlebt dieser Tage auch in Leipzig und Umgebung eine Renaissance: die Stigmatisierung. Darunter versteht man laut http://de.wikipedia.org/wiki/Stigmatisierung die zu sozialer Diskriminierung führende Charakterisierung einer Person oder Gruppe durch die Zuschreibung gesellschaftlich oder gruppenspezifisch negativ bewerteter Merkmale.
Im Klartext: Wer es wagt, sich gegen DHL den Nachtfluglärm zur Wehr zu setzen, der ist plötzlich der Dumme. „Diese Leute haben Anfang der 90er billige Grundstücke am Flughafen gekauft, und jetzt jammern sie.“ Dass die Grundstücke damals weder billig noch „am Flughafen“ waren (wir reden hier von einer später geplanten und gebauten, neuen Start- und Landebahn und von der zehn Jahre späteren DHL-Ansiedlung) – wen kümmert’s? Und dass viele Betroffene gar nicht „am Flughafen“, sondern im Leipziger Stadtgebiet leben, wen kümmert’s?
Man muss die Lüge nur oft genug aufkochen („Die haben billig gekauft und nun müssen sie den Lärm auch aushalten ...“), dann wird sie geglaubt. Und damit’s nicht so auffällt, wird sogar noch ein Freundesverein ins Leben gerufen, dessen Gutmenschenmitglieder das Aufkochen vollkommen uneigennützig übernehmen.
Apropos kochen: Die ganze Propagandasuppe blubbert zurzeit auf besonders großer Flamme. Da in wenigen Tagen das Thema Nachtflug vor Gericht behandelt werden wird, schlagen die DHL-Trommler einen besonders heftigen Takt.
Ein besonders dreistes Stück PR-Arbeit, an dem sicher auch der Bock von Babelsberg seine dämonische Freude gehabt hätte, flatterte mir vor wenigen Tagen auf den Schreibtisch. Als Verlagsbeilage zur Zeitschrift „Journalist“ wurde unter dem Titel „Das Tor zur Welt“ ein 16-seitiges Heft über das DHL-Luftfrachtdrehkreuz Leipzig/Halle an die Vertreter der journalistischen Zunft verschickt. Diese gelten als Multiplikatoren oder – auf Neudeutsch – Meinungsmacher und müssen gewonnen werden. Überzeugen kann man die Angehörigen dieser Info-Elite nur schwer, aber man nutzt sich deren Faulheit aus und schickt ihnen maulgerecht Happen – Infofastfood zum schnellen Herunterschlingen.
Mit der Wahrheit nehmen es die Macher des DHL-Heftchens nicht immer genau. Da ist von soviel umweltfreundlichem Zeugs die Rede, dass man beim Lesen zu der Überzeugung gelangen könnte, dass DHL die Luft sauberer macht und Lärm verschwinden lässt statt ihn zu erzeugen. Aber es kommt ja auf „die Dummen“ an.
Beispiel gefällig? Als „kleines Wunder“ wird in besagter Propagandabroschüre der Bau des Luftfrachtdrehkreuzes Air Hub Leipzig/Halle geschildert. Zitat: „Die Story klingt wie ein modernes Märchen, Auf zwei Millionen Quadratmetern Brachland vor den Toren Leipzigs entstand ...“
Zwei Millionen Quadratmeter – das sind 200 Hektar. Das ist schon was. Ziemlich viel Brachland, was da vor den Toren Leipzigs herumgelegen haben muss und auf den gelben Prinzen gewartet hat. Ein Blick auf Google Earth zeigt anderes.
Die derzeit zu sehenden Aufnahmen entstanden offensichtlich zu Beginn des DHL-Märchens und lassen erkennen, dass da kein Brachland war, sondern landwirtschaftlich genutzte Fläche. Brach ist etwas anderes. Aber das merken ja die Dummen nicht, deren Verstand brach liegt.
Inzwischen trommeln die Freunde des Nachtfluges, dass es in Leipzig und Umgebung kräfitg scheppert. Oberbürgermeister Burkhard Jung macht sich bei einem Gutteil seiner kargen Wählerschaft unbeliebt, indem er ein rückhaltloses Bekenntnis zum Logistikstandort Leipzig (und zu den Nachtflügen) abgibt und ein solches auch von Stadträten etc. fordert. Er erhält es nicht von allen, denn so mancher Kommunalpolitiker erlebt werktäglich, ähäm: werknächtlich, den akustischen Unterschied zwischen Propaganda und Realität im eigenen Schlafzimmer. Aber zumindest Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht steht zu Jung, zu DHL und zu dem Krach, den er selbst nicht hört. In einem Interview (LVZ, 1.Juli 2008) sagte er: „Dort, wo Arbeitsplätze in der Industrie oder einem Flughafen entstehen, dort ist auch Lärm, dort sind Belastungen zu tragen. Auch hier greift wieder der Pakt für Leipzig. Flughafen, DHL und die öffentliche Seite müssen Hand in Hand stehen, um das bestmögliche Ziel zu erreichen: Sichere Arbeitsplätze für Leipziger in einer lebenswerten Stadt.“ Da werden sich die Dörfler und Kleinstädter, über deren Köpfen die Frachtflieger nächtens herumgurken, aber freuen, dass es um sie nicht geht ... Aber mal ehrlich: Da hat er sich doch tüchtig verquast ausgedrückt, der gute Mann. Olle Goebbels hätte die gleiche Aussage wesentlich kürzer getroffen: „Es gereicht dem Einzelnen zur höchsten Ehre, wenn er für die Volksgemeinschaft ein Opfer bringen kann.“ Aber das war jetzt kein Vergleich, nur so ein Gedanke ...
Apropos Gedanke: Mit ein wenig Nachdenken und Suchen bekommt man ganz leicht heraus, warum all die Jungs, Albrechts und die vielen, vielen Gutmenschen sich so für DHL und den Flughafen einsetzen. Na klar, es geht um Arbeitsplätze. Aber das ist längst nicht alles: Zwischen DHL und dem Flughafen Leipzig/Halle wurde eine nette Vereinbarung getroffen, bei der der Freistaat Sachsen die Hosen sehr weit heruntergelassen hat. Hier findet sich http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2007:048:0007:0029:EN:PDF der Wortlaut einer Vereinbarung zwischen Flughafen und DHL, in dem auch die Patronatserklärung des Freistaates Sachsen zu finden ist. Soll heißen: Wenn die Nachtfliegerei nicht mehr möglich ist, muss der Freistaat zahlen. Zwecks Wahrung von Geschäftsgeheimnissen sind in vorliegender Fassung so ziemlich alle Zahlen außer der Uhrzeit gelöscht, aber es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass, sofern die auf 30 Jahre befristete Nachtfluggenehmigung fällt, der Freistaat bis zu 500 Mio. Euro berappen darf.
Die dadurch ausgelöste echte (und erst recht die gespielte) Hysterie lehrten mich: Man darf niemanden mit Goebbels & Co. vergleichen. Daran halte ich mich tunlichst, auch wenn ich (man lernt ja dazu) inzwischen durchaus nachvollziehen kann, warum der promovierte Historiker Helmut Kohl diesen Vergleich gebraucht hat …
Wer sich ein wenig in die Gedankenwelt eines skrupellosen PR-Mannes und notorischen Demagogen im Dienste des Teufels einlesen will, dem sei die Lektüre seiner Tagebücher empfohlen, die man u.a. unter ISBN 3492114105 ordern kann.
Gobbelssche Leitsätze wie „Wozu Wahrheit? Eine Lüge muss man nur oft genug wiederholen, immer drauf!“ oder „Wir dürfen uns nicht an die Elite wenden – die erreichen wir nicht. Wir müssen die Dummen überzeugen!“ klingen mir übrigens in diesen Tagen in den Ohren, wenn ich die aktuelle Berichterstattung zum Themenkreis DHL, Flughafen Leipzig-Halle LEJ, Nachtflug usw. erlebe.
Beispiele gefällig?
Eine Methode, die schon der gottlob per Suizid endgelöste Joseph Goebbels geschickt einzusetzen wusste, erlebt dieser Tage auch in Leipzig und Umgebung eine Renaissance: die Stigmatisierung. Darunter versteht man laut http://de.wikipedia.org/wiki/Stigmatisierung die zu sozialer Diskriminierung führende Charakterisierung einer Person oder Gruppe durch die Zuschreibung gesellschaftlich oder gruppenspezifisch negativ bewerteter Merkmale.
Im Klartext: Wer es wagt, sich gegen DHL den Nachtfluglärm zur Wehr zu setzen, der ist plötzlich der Dumme. „Diese Leute haben Anfang der 90er billige Grundstücke am Flughafen gekauft, und jetzt jammern sie.“ Dass die Grundstücke damals weder billig noch „am Flughafen“ waren (wir reden hier von einer später geplanten und gebauten, neuen Start- und Landebahn und von der zehn Jahre späteren DHL-Ansiedlung) – wen kümmert’s? Und dass viele Betroffene gar nicht „am Flughafen“, sondern im Leipziger Stadtgebiet leben, wen kümmert’s?
Man muss die Lüge nur oft genug aufkochen („Die haben billig gekauft und nun müssen sie den Lärm auch aushalten ...“), dann wird sie geglaubt. Und damit’s nicht so auffällt, wird sogar noch ein Freundesverein ins Leben gerufen, dessen Gutmenschenmitglieder das Aufkochen vollkommen uneigennützig übernehmen.
Apropos kochen: Die ganze Propagandasuppe blubbert zurzeit auf besonders großer Flamme. Da in wenigen Tagen das Thema Nachtflug vor Gericht behandelt werden wird, schlagen die DHL-Trommler einen besonders heftigen Takt.
Ein besonders dreistes Stück PR-Arbeit, an dem sicher auch der Bock von Babelsberg seine dämonische Freude gehabt hätte, flatterte mir vor wenigen Tagen auf den Schreibtisch. Als Verlagsbeilage zur Zeitschrift „Journalist“ wurde unter dem Titel „Das Tor zur Welt“ ein 16-seitiges Heft über das DHL-Luftfrachtdrehkreuz Leipzig/Halle an die Vertreter der journalistischen Zunft verschickt. Diese gelten als Multiplikatoren oder – auf Neudeutsch – Meinungsmacher und müssen gewonnen werden. Überzeugen kann man die Angehörigen dieser Info-Elite nur schwer, aber man nutzt sich deren Faulheit aus und schickt ihnen maulgerecht Happen – Infofastfood zum schnellen Herunterschlingen.
Mit der Wahrheit nehmen es die Macher des DHL-Heftchens nicht immer genau. Da ist von soviel umweltfreundlichem Zeugs die Rede, dass man beim Lesen zu der Überzeugung gelangen könnte, dass DHL die Luft sauberer macht und Lärm verschwinden lässt statt ihn zu erzeugen. Aber es kommt ja auf „die Dummen“ an.
Beispiel gefällig? Als „kleines Wunder“ wird in besagter Propagandabroschüre der Bau des Luftfrachtdrehkreuzes Air Hub Leipzig/Halle geschildert. Zitat: „Die Story klingt wie ein modernes Märchen, Auf zwei Millionen Quadratmetern Brachland vor den Toren Leipzigs entstand ...“
Zwei Millionen Quadratmeter – das sind 200 Hektar. Das ist schon was. Ziemlich viel Brachland, was da vor den Toren Leipzigs herumgelegen haben muss und auf den gelben Prinzen gewartet hat. Ein Blick auf Google Earth zeigt anderes.
Die derzeit zu sehenden Aufnahmen entstanden offensichtlich zu Beginn des DHL-Märchens und lassen erkennen, dass da kein Brachland war, sondern landwirtschaftlich genutzte Fläche. Brach ist etwas anderes. Aber das merken ja die Dummen nicht, deren Verstand brach liegt.
Inzwischen trommeln die Freunde des Nachtfluges, dass es in Leipzig und Umgebung kräfitg scheppert. Oberbürgermeister Burkhard Jung macht sich bei einem Gutteil seiner kargen Wählerschaft unbeliebt, indem er ein rückhaltloses Bekenntnis zum Logistikstandort Leipzig (und zu den Nachtflügen) abgibt und ein solches auch von Stadträten etc. fordert. Er erhält es nicht von allen, denn so mancher Kommunalpolitiker erlebt werktäglich, ähäm: werknächtlich, den akustischen Unterschied zwischen Propaganda und Realität im eigenen Schlafzimmer. Aber zumindest Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht steht zu Jung, zu DHL und zu dem Krach, den er selbst nicht hört. In einem Interview (LVZ, 1.Juli 2008) sagte er: „Dort, wo Arbeitsplätze in der Industrie oder einem Flughafen entstehen, dort ist auch Lärm, dort sind Belastungen zu tragen. Auch hier greift wieder der Pakt für Leipzig. Flughafen, DHL und die öffentliche Seite müssen Hand in Hand stehen, um das bestmögliche Ziel zu erreichen: Sichere Arbeitsplätze für Leipziger in einer lebenswerten Stadt.“ Da werden sich die Dörfler und Kleinstädter, über deren Köpfen die Frachtflieger nächtens herumgurken, aber freuen, dass es um sie nicht geht ... Aber mal ehrlich: Da hat er sich doch tüchtig verquast ausgedrückt, der gute Mann. Olle Goebbels hätte die gleiche Aussage wesentlich kürzer getroffen: „Es gereicht dem Einzelnen zur höchsten Ehre, wenn er für die Volksgemeinschaft ein Opfer bringen kann.“ Aber das war jetzt kein Vergleich, nur so ein Gedanke ...
Apropos Gedanke: Mit ein wenig Nachdenken und Suchen bekommt man ganz leicht heraus, warum all die Jungs, Albrechts und die vielen, vielen Gutmenschen sich so für DHL und den Flughafen einsetzen. Na klar, es geht um Arbeitsplätze. Aber das ist längst nicht alles: Zwischen DHL und dem Flughafen Leipzig/Halle wurde eine nette Vereinbarung getroffen, bei der der Freistaat Sachsen die Hosen sehr weit heruntergelassen hat. Hier findet sich http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2007:048:0007:0029:EN:PDF der Wortlaut einer Vereinbarung zwischen Flughafen und DHL, in dem auch die Patronatserklärung des Freistaates Sachsen zu finden ist. Soll heißen: Wenn die Nachtfliegerei nicht mehr möglich ist, muss der Freistaat zahlen. Zwecks Wahrung von Geschäftsgeheimnissen sind in vorliegender Fassung so ziemlich alle Zahlen außer der Uhrzeit gelöscht, aber es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass, sofern die auf 30 Jahre befristete Nachtfluggenehmigung fällt, der Freistaat bis zu 500 Mio. Euro berappen darf.
... comment