Donnerstag, 11. Oktober 2012
Reisen bildet Teil 1. Oder: Spaß mit der Bundespolizei
Flughafen Leipzig/Halle, aka LEJ. Meine Wenigkeit checkte dort kürzlich ein zum Flug nach Griechenland.
Einschub: Ja, an diesem Flughafen werden auch normale Passagiere abgefertigt, nicht nur US-Marines und nächtliche Rumpelpumpel-Frachtflieger. Es gibt hier auch ein Terminal für Leute ... Einschub Ende.
Meine Wenigkeit checkte also ein, gab eine große, fein verrödelte Sporttasche als Gepäck auf und behielt nur ein kleines Rucksäcklein auf dem Buckel.
Gemütliches Schlendern zum Gate, Sicherheits-Check, dann noch mehr Gemütlichkeit, weil eine Durchsagerin die Verschiebung des Abfluges mangels Flugzeug bekannt gab, also alle Zeit der Welt.
Die brauchte ich auch, denn eine weitere Durchsagerin nannte meinen Namen und dazu the magic word "Gepäcknachkontrolle".
Also weg vom Gate, raus aus dem Sicherheitsbereich, zügigen Schrittes empor zur stählernen Pforte, die den Eingang ins Reich der Sicherheitsgötter verschließt.
Knopfdruck, Sprechkastengebrabbel, Türaufsummer. Ein großer Raum, zwei Bundespolizeidingensleute an einem großen Seziertisch (der Vergleich drängt sich auf, weil die Tischplatte edelstählern beplankt ist und hochgebogene Ränder hat), mitten auf dem Tisch stand meine leuchtgelbe Sporttasche.
Wirklich gewundert hatte ich mich nicht, dass die Einladung zur Nachkontrolle ausgesprochen wurde, denn ich hatte neben allerlei Sportsachen 15 kleine Plastikflasche mit hochkalorischer Spezialnahrung für die Versorung auf der Laufstrecke eingepackt, außerdem einen Sechserpack Bier zum selben Zweck.
Folglich begrüßte ich die wackeren Gepäckbegucker mit dem lockeren Spruch "Ihnen gefallen wohl meine Flaschen nicht ...".
Weit gefehlt, erfuhr ich. Ein mit dem Gepäck aufgegebenes Messer hatte die Bundespolizei alarmiert. Ein Klappmesser, einhändig zu öffnen, mit 80 mm langer, feststellbarer Klinge. "Das ist verboten", teilte man mir mit, "holen sie das mal raus."
Nach längerem Wühlen und zwischenzeitlichem Ausbreiten des Tascheninhaltes auf dem Seziertisch beförderte ich auch das Messer unter die vier Augen des Gesetzes. Nur gut, dass meine Laufklamotten vor dem Einpacken noch eine Runde in der Waschmaschine gedreht hatten ...
Während ich meine Besitztümer wieder in der Tasche verstaute, nahmen die Amtspersonen, deren Zahl inzwischen auf drei angewachsen war, das Killerinstrument genau in Augenschein. Da fielen Worte wie "Waffengesetz", "verbot", "strafbar", irgendwann wurde ich befragt, wo ich denn dieses Gerät erworben hätte. Ich nannte wahrheitsgemäß den Namen eines bekannten, in Hamburg ansässigen outdoor-Ausrüsters, bei dem ich besagtes Messer (nicht wahrheitsgemäß) erst kürzlich erworben hätte.
Dann ging's ans eingemachte. "Das dürfen Sie nicht haben", erfuhr ich. "Verboten." Obwohl meist relativ obrigkeitshörig, hielt ich gegen. "Stimmt nicht, ich darf dieses Messer laut Waffengesetz nur nicht führen, aber das tue ich auch nicht, denn es ist ja in der verschlossenen Reisetasche, also nicht im direkten Zugriff."
Dieses Argument passte den Bundespolizisten nicht. "Verschlossen heißt, dass man es erst aufschließen muss, ihre Tasche hat aber kein Schloss." Auch mein Hinweis, dass der Reißverschluss besagter Tasche bis vor wenigen Minuten noch per Kabelbinder abgesperrt gewesen war und dass dieser nur unter Zuhilfenahme bundespolizeilichen Werkzeuges geöffnet wurde, zog nicht. "Verboten. Strafbar."
Da zog ich meinen stärksten Trumpf. "Ich habe dieses Messer im Gepäck, weil ein berechtigtes Interesse nach § 42a Waffengesetz vorliegt. Das ist der Fall, 'im Zusammenhang mit der Berufsausübung, der Brauchtumspflege, dem Sport oder einem allgemein anerkannten Zweck'. Und ich bin auf dem Weg zu einer Sportveranstaltung, bei der ich dieses Messer für Notfälle mit mir führe, z.B. um Blasen aufstechen oder Verbandmaterial zuschneiden zu können."
Inwieweit diese Juristerei ins Verständnis meiner Kontrahenten vordrang und sie überzeugte, kann ich nicht beurteilen. Auf alle Fälle waren sie ob der Gegenwehr der sicher geglaubten Beute verwirrt und taten, was auch ein Hund in einem solchen Fall tun würde: Sie ließen ab. Um ihren Rückzug zu decken, schauten sie sich das Messer noch einmal sechsäugig an, prüften, guckten und stellten fest: "Wir lassen ihnen das nochmal durchgehen, weil die Klinge nur 80 mm lang ist." Nur: Im Waffengesetz steht nichts von 80 mm, da spielt die Klingenlänge nur bei feststehenden Messern eine Rolle; da wird's mit dem Verbot des Führens ab 120 mm ernst.
Bei soviel Sachkenntnis fühlte ich mich doch gleich viel sicherer als Reisender.
Und die Moral von der Geschicht? Ganz gleich, wohin mich mein nächster Flug führen wird, mein Messer habe ich wieder dabei. Übrigens fein verpackt und eingewickelt ... in einen Ausdruck des aktuellen deutschen Waffengesetzes, insbesondere § 42a in Sonderheit Absatz 3 - das ist der mit dem "berechtigten Interesse."

PS.: Dass es unter den staatlich bestellten Ordnungshütern um juristische Kenntnisse mitunter putzig bestellt ist, hat sich ja inzwischen herumgesprochen. Dass das per Schnellschuss umgemodelte aktuelle deutsche Waffengesetz aber auch handwerklich unter aller Sau ist, sei an einem Beispiel verdeutlicht. In §42a, Abs. 1, Ziffer 3, wird auch das Führen feststehender Messer mit einer Klingenlänge über 12 cm unter Strafe gestellt. Wer also beim Discounter seines Vertrauens ein Küchenmesser erwirbt und in der Aldi-Tüte nach Hause trägt, verstößt gegen das Waffengesetz, denn er führt ein mehr Mordgerät mit mehr als 12 cm Klingenlänge in der Öffentlichkeit ... lustiges Deutschland.

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