Dienstag, 13. Mai 2008
Ammenmärchen, Kniestrümpfe, Kirschkerne oder: Was wird man als kleiner Mensch verar...
Kürzlich kam mir zu Bewusstsein, in welchem Maße Eltern, aber auch wohlmeinende Tanten, allerlei Lehrer und so ziemlich alle anderen Menschen dieser Welt dazu neigen, Kinder unter Einsatz falscher Weisheiten zu erziehen. Beispiel gefällig? Keine Angst – es bleibt jugendfrei, ich rede jetzt nicht von der vermeintlichen Tatsache, dass man von gewissen Praktiken Schwindsucht ...
Mir fällt ganz spontan der kluge Satz ein, dass derjenige, welcher seine Nagelpflege vernachlässigt spätestens dann eines schrecklichen Todes sterben muss, wenn eingewachsener Dreck den Körper vergiftet. Ein Blick auf die Hände zahlreicher Mitmenschen beweist, dass man sehr wohl mit dreckigen Fingernägeln leben kann. Ebenso unwahr ist übrigens auch die Erziehungsweisheit, dass man von zuviel kalter Limonade Flöhe bzw. von Cola Löcher im Bauch bekomme.
Besonders schön finde ich den Spruch, dass sich verschluckte Apfel-, Sonneblumen-, Melone-, Kirsch- und werweiß was noch für Kerne (bzw. Steine) im Wurmfortsatz festsetzen und dort zu einer schlimmen Blinddarmentzündung führen. Nun habe ich derlei Ammenmärchen immer tapfer widerstanden, habe Äpfel mit Strunk und Stiel (also ohne Stil) in mich hineingeschnurpst, Melonen nach Pferdeart „vom Stück“ gegessen – und bin mehr als 47 Jahre ohne Blinddarmentzündung durch die Welt gekommen. Übrigens wird der geneigte Konsument seit einiger Zeit u.a. mit Kürbiskernbrötchen traktiert, ohne dass dies die Mortalitätsrate der deutschen Bäckerkunden erkennbar erhöht hätte. Und die Russen? Vermehren sich kräftig, obwohl bei ihnen Sonnenblumenkerne zu den Grundnahrungsmitteln zählen.
Mein aktuelles Lieblingsammenmärchen stammt übrigens aus dem lange zurückliegenden Sportunterricht (und wurde mir per Umfrage von zahlreichen Gleichaltrigen bestätigt). Zu Beginn einer jeden Sportstunde wies die Sportlehrerschaft uns daraufhin, Socken und Kniestrümpfe „herunterzurollern“. Wer diese Maßnahme unterlasse, so die warnende Aussage der Pädagogen, müsse damit rechnen, dass die Strümpfe ihm die „Adern“ abdrücken, was noch während der Sportstunde unweigerlich zum Absterben des betroffenen Beins führe.
Na und, mag der eine oder andere Leser dieses Tagebuches nun denken, was soll’s, die Lehrer werden sich schon was dabei gedacht haben. Läufer hingegen wissen, warum ich die Runterrollerstrümpfe ins Reich der Märchen verwiesen wissen will: Wer als Langstreckler etwas auf sich hält und in sich keine gar zu starken schwäbischen Gene trägt, trägt beim Laufen „lang“. Kniehoch, extrastraff, damit – na? – der Kreislauf in Gang bleibe und den „Adern“ das Geschäft erleichtert werde.
Schöne Kinderzeit, was wird man da verar... ! Wer nun glaubt, dass das Verar... mit dem Ende der Kinderzeit vorüber ist, der hat die Welt nicht begriffen. Es geht weiter - nur die agierenden Personen werden andere. Warum fällt mir jetzt das Wort "Politiker" ein?

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