Donnerstag, 29. Mai 2008
Stimmenzauber in Dresden oder: Wer hat mit den braunen Kameraden gespielt?
So, Sachsen hat einen neuen Ministerpräsidenten und das ist – erstmals seit der Wende – ein sächsisches Eigengewächs. Der neue, der den bisherigen Landesvater Georg Milbradt beerbt oder besser: diesem nachfolgt – heißt Stanislaw Tillich und wurde gestern gewählt.
Im Landtag in Dresden reichten dem Sachsen, der eigentlich ein Sorbe und damit Angehöriger einer anerkannten nationalen Minderheit ist, 66 von 121 abgegebenen Stimmen.
Die Wahlordnung ließ bei dieser geheimen Abstimmung keine Nein-Stimmen. So wurden 33 ungültige Stimmen abgegeben, elf Abgeordnete enthielten sich.
Interessant wird’s, wenn man ein wenig mitrechnet: Die CDU/SPD-Koalition verfügt über 68 Stimmen, ein CDU- Abgeordneter fehlte wegen Krankheit. 66 Stimmen für Tillich also muss sich in den Reihen der großen Koalition von CDU und SPD (angesichts der 9,8 % der sächsischen SPD ist diese Bezeichnung ein Widerspruch in sich, die PDS kam 2004 auf 23,6 %, die kackbraunen Kameraden immerhin auf 9,2 %, aber das nur am Rande) mindestens ein Abweichler befunden haben muss.
Sehr interessant: Die NPD schickte gegen Tillich ihren eigenen Kandidaten in Feld. Johannes Müller kam auf elf Stimmen, das sind drei mehr, als die NPD Sitze im Landtag hat. Zwar sitzen im Landtag auch noch vier weitere, ehemalige NPD-Fraktionsmitglieder gutbezahlt ihre Wahlperiode ab, doch es wäre zu einfach, denen per Definition zu unterstellen, ihren einstigen Kameraden gewählt zu haben.
Wenn ich einen Tip abgeben müsste, würde ich die Quelle der drei „braunen“ Stimmen im dunkelroten Spektrum vermuten – bei der Linken. Schließlich zieht diese Partei den meisten Nutzen aus all den Diskussionen um die braune Gefahr, warum also nicht ein wenig Propagandafutter liefern? Das Risiko, damit plötzlich einem Johannes Müller ins Amt des Ministerpräsidenten zu verhelfen, ist null, denn die Mehrheitsverhältnisse im sächsischen Landtag sind zwar leider nicht mehr so schön wie zu König Kurts Regierungszeit, aber immer noch ganz anständig ...

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Interview und Agitation
Vor wenigen Tagen rief mich zu früh abendlicher Stunde ein Umfrager an. Der eloquente Zeitgenosse gehörte zu einem der großen Institute, die - insbesondere im Vorfeld von Wahlen - Prognosen über dieses und jenes, vor allem aber Parteipräferenzen und K-Entscheidungen aufstellen.
Da ich von Berufs wegen selbst mit derlei Fragerei zu schaffen habe, bin ich zu solchen Menschen zumeist nett und beantworte ihnen ihre Fragen. Vielleicht wird Gutes ja doch mit Gutem vergolten und auch ich finde bei meinen Recherchen für Artikel verstärkt entgegenkommende Gesprächspartner ...
Im konkreten Fall erlebte ich eine Überraschung. Der nette Mensch fragte nicht nur, sondern wertete und diskutierte auch, ging sogar soweit, parteipolitische Vorlieben kritisch zu hinterfragen und unternahm den Versuch, mich in dieser oder jener Hinsicht zu widerlegen. Das gipfelte darin, dass er mir - ich mache aus meiner Vorliebe für konservative Kreise keinen Hehl - Oskars linke Wundertruppe ans ans Herz legen wollte.
Beeinflussung von Zeugen heißt so etwas vor Gericht. Im konkreten Fall würde ich es eine inakzeptable Arbeitsweise nennen.
Seit diesem Telefonat hat mein Vertrauen in die Glaubwürdigkeit von Meinungsumfragen stark abgenommen. Wenn schon die Platzhirsche solcherlei Agitatoren beschäftigen ...
Als Interviewpartner stehe ich den Damen- und Herrschaften von der Augurenzunft natürlich auch künftig zur Verfügung. Zum einen: siehe oben, zum anderen: Man lernt immer was dazu, wie dieses Beispiel zeigt.

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