Donnerstag, 7. Juli 2011
Die LVZ verabschiedet sich vom Tarif. Oder: Auch SPD-Verlage spielen Gewinnmaximierung
Meine Lokalpostille, die nach eigenem Verständnis dem Qualitätsjournalismus verpflichtete Leipziger Volkszeitung, entwickelte in den vergangenen Jahren einen recht ausgeprägten Spareifer. Nein, nicht wenn es um die Bezüge von Führungskräften ging; und auch nicht, wenn es um die Abführung von Gewinnen an die Besitzer ging, schließlich wollen Madsacks und damit auch die SPD ja irgendwie leben.
Nein - der Einfallsreichtum setzte an anderer Stelle an. So wurden z.B. die freien Mitarbeiter bereits in den 90ern dazu verdonnert, für ihre - positiv formuliert - sehr übersichtlichen Honorare alle nur denkbaren Rechte an Text und Bild an den Verlag abzutreten. Soll heißen: War ein Werk in irgendeiner Hinterposemuckler Kreisausgabe erschienen und dessen Abdruck mit einem eher symbolischen Salär vergütet worden, "gehörte" es der LVZ. Wurde es dann in anderen Ausgaben nachgedruckt oder via Netz vermarktet - dumm gelaufen ... (Bei den Kollegen, die mir dennoch ein Honorar anstrichen, bedanke ich mich ausdrücklich.).
Insbesondere unter der Ägide des charismatischen Chefredakteurs Bernd Hilder (nein, das war keine Ironie, aber irgendwann muss ich mal nachschauen, was charismatisch eigentlich bedeutet) wurden weitere Einsparpotenziale erschlossen. Jede Menge Jungspunde brachten zwar keinen Zuwachs an journalistischer Kompetenz ins Blatt, dafür waren die Schnellbesohlten wohlfeiler zu haben als gestandene Profis. Ausgründungen, Leiharbeit - die Instrumentarien des modernen Kapitalismus' sind gar vielfältig und erlauben mannigfaltige Wege zur Gewinnmaximierung.
Auf einer kleinen Insel der Glückseeligen lebten bisher lediglich die festangestellten Redakteure. Okay, das Betriebsklima ist schon seit einiger Zeit eher für die Tonne, aber die tariflich abgesicherte schwarze Zahl, die freien Tage und die Vergügung der Dienste linderten das Leid doch erheblich. Bei mehr als einem Gespräch "off the record" verrieten mir gestandene LVZ-Kollegen, die auf rostige Nebengleise abgeschoben worden waren, ihr Mantra: "Die paar Jahre halte ich das bei dem Geld schon noch aus ..."

Einigen von ihnen dürfte das nun schwerer fallen, denn ihr allmonatliches Schmerzensgeld wird schrumpfen. Per 5. Juli 2011 ist die LVZ (und ihr Dresdner Ableger DNN) aus der Tarifbindung des Verlegerverbandes ausgestiegen, http://djvs.wordpress.com/2011/07/06/tarifflucht-tageszeitungen-lvz-und-dnn/ Damit folgt die LVZ einer anderen sächsischen Tageszeitung im anteiligen SPD-Besitz: Die Sächsische Zeitung lagerte bereits 2007 ihre Außenredaktionen in selbstständige Gesellschaften aus und machte sich so aus dem Tarif davon.

Nun also auch die Leipziger Volkszeitung. Okay, da die LVZ allein durch den angekündigten Wegfall der Aldi-Anzeigen einen jährlichen Millionenverlust hinnehmen muss, könnte man die Tarifflucht als vorgezogene Sanierung verstehen. Und bei den Redakteursgehältern lässt es sich ja besser kürzen als bei der Gewinnabführung ...

Dass die LVZ damit mittelfristig weiter an Qualität verlieren wird, ist nicht wirklich schlimm. Denn wer die LVZ derzeit freiwillig liest und für das Papierbündel von der Qualität eines durch Fermentation entstandenen Milchproduktes über 20 Euro im Monat abdrückt, der wird das auch weiterhin tun, weil er's nicht mehr merkt. Diese Art der Leser-Blatt-Bildung hat etwas mit Verstand (oder besser Nicht-) zu tun. Die gute Nachricht. Sie endet biologisch.

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