Mittwoch, 25. Juni 2008
Sächsisches Klüngelspiel oder: Die rote Petra geht nicht unter
Die Frau heißt Petra Köpping und wäre so gern meine Landrätin geworden. Aber sie hat’s vermasselt, zum Glück. Nicht, dass ich etwas gegen Frauen in wichtigen Ämtern hätte, nönö. Angela Merkel finde ich gut, aber das wissen die regelmäßigen Leser dieses kleinen Tagebuches ja längst.
Aber zurück zu Petra Köpping. Die ist eine echte Powerfrau, war Bürgermeisterin, zwischendurch mal im Außendienst einer Krankenversicherung, gehört seit einiger Zeit der SPD an ist zurzeit noch Landrätin des noch-Landkreises Leipziger Land. Und das wäre sie wohl bis ans Ende ihrer Tage geblieben, hätte es in Sachsen nicht die Verwaltungs- und Funktionalreform gegeben. In deren Verlauf wird der bisherige Landkreis Leipziger Land mit dem bisherigen Muldentalkreis zum Landkreis Leipzig zwangsvereint. Dabei büßt die Muldentalhauptstadt Grimma ihren Status als Kreissitz zugunsten von Borna ein.
Diese Entscheidung sorgte für großen Ärger und allerlei Klagen vor Gericht, denn Borna liegt am Rand des künftigen Großkreises und hat auch sonst eher schlechte Voraussetzungen zur Hauptstadt ... Aber hier wurde, so die Kläger gegen die Kreissitzentscheidung, durch Regierung und Landtag nicht nach Sachlage, sondern im Ergebnis einer heftigen parteipolitischen Kungelei entschieden. In Sachsen regiert eine CDU-SPD-Koalition (von „groß“ kann man angesichts der Wahlergebnisse nicht reden) und der Juniorpartner musste auch ein wenig gekrault werden.
Und weil der bisherige Landkreis Muldental in Gestalt von Dr. Gerhard Gey (CDU) ebenfalls einen Landrat in die Zwangsehe einbringt, musste um die Besetzung dieses Postens gefochten werden. Beide Kandidaten zogen ins Feld, um Wählerstimmen zu sammeln. Eigentlich hatte die smarte Petra Köpping klar die besseren Chancen. Dass sie einen Machtinstinkt wie Andrea Ypsilanti hat, sie man der braunäugigen Landrätin nicht an. Sie kommt ein wenig wie Gabriele Pauli daher, ist eine begnadete networkerin (so heißt das wohl heute), weiß ihre Reize einzusetzen und den sechszackigen Stern, den sie am Hals trägt, auch. Oder auch nicht, wie zum Beispiel beim Aufmacherfoto ihrer Homepage www.petra-koepping.de - man will ja gewählt werden und da fällt der Stern dann schon mal der Schere zum Opfer.
Ihr Gegenkandidat beim Kampf ums Landratsamt ist Dr. Gerhard Gey. Er hat das Amt im Muldentalkreis seit 1990 inne, ist ein eher geradliniger, knochiger und auch mal knorriger Typ. Und er schien gegen die flotte, sieggewohnte Landrätin mit all ihren Verbindungen und Fäden, die zudem ein Medienliebling ist, nicht wirklich eine Chance haben.
Hatte er aber doch. Bei der Landratswahl am 8. Juni fehlten Gey nur wenige Stimmen zur absoluten Mehrheit – und das, obwohl auch FDP und Linke Kandidaten ins Rennen geschickt hatten. Mit über 48 Prozent verwies er die in den unteren Dreißigern herumdümpelnde Petra Köpping an den Katzentisch.
Bei der Stichwahl am 22. Juni (diese war genau genommen keine Stich- sondern eine Neuwahl, so will es das sächsische Wahlgesetz) kam es zum Showdown zwischen Köpping und Gey. FDP und Linke hatten ihre Bewerber zurückgezogen. Die Linke gab fürs Leipziger Land eine Wahlempfehlung pro Köpping ab, im Muldental schwiegen die Genossen, weil sie eben diese Empfehlung nicht geben wollten. Die FDP sprach sich pro Gey aus.
Der Rest ist Statistik: Gerhard Gey ging mit klarem Vorsprung als Sieger aus dem zweiten Wahlgang hervor. Dieses Ergebnis ist – soviel sei gesagt – weniger den Sachthemen und der Programmatik der beiden Bewerber geschuldet, sondern vor allem dem starken Wir-Gefühl im Muldentalkreis: Erst hat man uns den Kreissitz weggenommen, nun wollen wir es „denen“ aber zeigen und uns nicht noch den Landrat wegnehmen lassen – so werden Wähler mobilisiert.
Machtfrau Petra Köpping schien um ihre drohende Niederlage schon nach dem ersten Wahlgang zu wissen und biss in den zwei Wochen bis zur Entscheidung um sich wie ein waidwundes Tier. Allerlei Statements und böse Worte ließ sie vom Stapel (guckst Du hier: www.petra-koepping.de). Die Krönung war ein Brief, den die Wähler im Muldentalkreis am Tag vor der Wahl erhielten. In diesem Schreiben buhlte die Möchtegernlandrätin um Stimmen. Die Anrede „Liebe Muldentaler“ ließ mich schmunzeln. Mir fiel dabei ein Film ein, in dem ein deutschkaiserlicher Offizier die unter der Sonne Afrikas angetretenen Bewohner irgendeines Dorfes mit „Liebe Neger“ begrüßte.
Allerdings verging mir das Grinsen schnell, denn die rote Landrätin forderte die lieben Muldentaler auf, wählen zu gehen. „Leider gibt es auch ein starkes, sehr rechtes Wählerklientel, das am 22. Juni mit Sicherheit seine Stimme abgeben wird.“
Moment mal, dachte ich in diesem Moment – wer steht am 22. Juni auf der Liste? In alphabetical order sind dies Dr. Gerhard Gey (CDU) und Petra Köpping (SPD) – wo bitte ist der NPD-Kandidat, den es zu stoppen gilt? Und da sah ich plötzlich die braunäugige Petra vor mir, wie sie mit rot lackierten Lippen zuckersüß lächelte und ein wenig das güldene Sternchen im Ausschnitt ihres Sommerkleides blitzen ließ. Und kräftig mit der großen Keule um sich drosch.
Der Rest ist Geschichte. Die Wähler waren entweder zu klug, um auf solche Bauernfängertricks hereinzufallen oder die Dummen waren zu faul, den Mist zu lesen und/oder an einem sonnigen Sonntag noch mal zur Wahl zu gehen. Wahrscheinlich wohl beides.

Um Petra Köppings Zukunft muss sich übrigens niemand Sorgen machen. Skrupellose und machtgeile Parteisoldaten, die in der Lage sind, die Wahrheit kreativ zu verbiegen und die Realität zu ignorieren, gehen nicht unter. Zur Not können sie in Russland Gasmann werden. Aber soweit muss es nicht kommen. Das sächsische Parteiengeklüngel hält für die smarte Petra eine ganz andere Belohnung bereit. Die rote Powerfrau ist als Regierungspräsidentin im Gespräch – und das ist eine doppelte Ironie. Zum einen wäre sie dann Chefin genau der Mittelbehörde, für deren Abschaffung sie als Landrätin eingetreten ist. Zum anderen hätte sie dann die Rechtsaufsicht über die Landratsämter und – wenn sie sich für das RP Leipzig entscheiden sollte – damit auch über Dr. Gerhard Gey.

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