Montag, 16. Juni 2008
Die Türken vor Wien oder: Dürfte Deutschland vor Moskau stehen?
So. Gestern haben es die Türken also geschafft und sich mit einer tollen Energieleistung ins EM-Viertelfinale geschossen. Wer eine eigentlich entschiedene Partie kippt und gegen Tschechien spektakulär 3:2 gewinnt, hat Grund zum Jubeln.
Die Türken sehen sich im Finale, allerlei Halbmondblätter Titeln heftig nationalstolzistisch. Nachzulesen u.a. hier: www.welt.de/sport/article2108962/Tuerken_sehen_sich_wieder_vor_den_Toren_Wiens.html

Hmmm. Mal kurz nachgedacht. Die Türken vor den Toren Wiens? Das war doch die berühmte Kaffeefahrt, bei der das türkische Heer unter Ibrahim Pascha im Jahre 1529 nach Kräften Leute erschlug, Ländereien verwüstete und erstaunlicherweise vor Wien eine Schlappe einsteckte. Dass die abziehenden Türken dabei den Mitteleuropäern der Legende nach den Kaffee bescherten, sehen wir mal als ungewollt positiven Nebeneffekt an.
Ansonsten war das ganze Unternehmen ein Eroberungskrieg erster Güte, bei dem auch das stattfand, was man heute als "ethnische Säuberungen" zurecht an den Pranger stellt.
Und nun stehen die Türken wieder vor den Toren Wiens?

Fußball-EM hin, Euphorie her - mich kotzen solche Formulierungen an. Mit gleichem Recht könnte eine deutsche Mannschaft demnächst zum neuerlichen "Sturm auf Moskau" ansetzen oder einen Finalsieg unter dem Stichwort "Endlösung" verkünden.

Um nicht missverstanden zu werden: Es gibt vergleiche, die gut sind; und es gibt welche, die einfach "hinken". Außerdem gibt es welche, die man sich verkneifen sollte - dazu gehören aus meiner Sicht der "Türken vor den Toren Wiens" ebenso wie der Angriff auf Moskau oder die Endlösung.
Wer sie dennoch gebraucht, zeigt, dass Fußball wirklich blöd macht. Nicht nur die Spieler, sondern auch die darüber-Schreiber.

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