Freitag, 20. Juni 2008
EM-Viertelfinale mal anders. Oder: Wozu braucht meine Lokalpostille ein CMS?
Fußball ist nicht mein Ding. Und so war für mich das gestrige EM-Viertelfinale auch kein wirklich heißer Termin. Mit meinem Tipp lag ich – genau wie der ganze Freundes- und Bekanntenkreis – voll daneben: Wer hätte auch ahnen können, dass die deutschen Standfußballer im Spiel gegen Portugal plötzlich zu Läufern werden und – Wunder über Wunder – dass die Blindhühnertruppe nun sogar noch Tore schießt?
Zur Halbzeit jedenfalls setzte ich mich noch mal an meinen Computer und nahm einen Rundblick durch die Online-Ausgaben deutscher Zeitungen. Es war – vorsichtig formuliert – wenig überraschend, also: enttäuschend.
Wer Netzeitung heißt und ganz ohne Printausgabe daherkommt, muss ja schnell sein. Fehlanzeige! Zur Halbzeitung stimmte die Netzeitung www.netzeitung.de ihre geneigte Leserschaft noch immer brav und statisch auf das bald beginnende Viertelfinalspiel Deutschland:Portugal ein. Wie die meisten richtigen deutschen Tageszeitungen auch, bei denen aus Anlass der EM zwar die Sportredaktion Überstunden schieben darf, aber die separate Online-Redaktion bereits in den Feierabend enteilt ist. Folglich bot auch meine Lokalpostille, die Leipziger Volkszeitung, unter www.lvz.de Qualitätsjournalismus der gewohnten Art, nämlich gar keinen. Auf der Startseite eine Agenturmeldung mit Spekulationen über das bevorstehende Viertelfinalspiel.
Ein wenig besser stand zumindest die Sächsische Zeitung da. Auch auf deren Startseite bot sich dem geneigten Online-Leser zwar die bis zur Überschrift identische Agenturmeldung dar, doch die Dresdner hatten wenigstens so eine Art „Live-Ticker“ installiert, über den der Halbzeit-Spielstand lief.
Auf der Höhe der Ereignisse präsentierte sich Yahoo. Wer dieses Portal aufrief, fand in der Halbzeitpause zwar auch eine Agenturmeldung, aber zumindest eine aktuelle mit Infos zum bisherigen Spielgeschehen.
In Bestform zeigte sich – und auch das war nicht wirklich eine Überraschung – die Welt. Auf www.welt.de konnte sich der geneigte Internetnutzer, so er die erste Halbzeit verschlafen hatte, hautnah über das Spiel informieren. Vor einigen Jahren strukturierte die Welt unter dem Motto „Online first“ ihre Redaktionsabläufe, insbesondere im Newsdesk, um. Das spürt man: Print („Holzmedium“) und Online laufen nicht mehr nebeneinander bzw. aneinander vorbei, sondern als organisches Ganzes. Im Klartext: Eine Nachricht kommt herein, wird aufbereitet und landet im Online-Bereich – auch nach 17 Uhr. Ja, die Weltler leisten sich sogar den Luxus echter Live-Berichterstattung. Bei bestimmten Ereignissen, zu denen neben Formel-1-Rennen und Pressekonferenzen aus österreichischen Inzestkellern auch die EM zählt, schreibt ein Redakteur aktuell mit und sendet seine Textstücke im Minutentakt ins Redaktions-CMS.
Apropos CMS: Wozu haben meine Lokalpostille und all die anderen Holzmedien eigentlich ein CMS? Für solche bleiärschigen Qualitätsjournalisten sollte doch html zum Hochladen ausreichen.

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