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Donnerstag, 20. September 2012
800 Jahre Thomasschule. Oder: Warum ich da nicht mitmache.
zeitungsdieb, 10:22h
In Leipzig wird gefeiert. Wenn in dieser Stadt unter ihrer aktuellen Führung schon vieles die Pleiße runter geht, so doch nicht die Feierlaune. Nein, es sind noch nicht die Höfe am Brühl, deren Eröffnung alle ganz dolle glücklich gucken lässt (Meine journalistisch auf höchsten Niveau tätige Lokalpostille, die Leipziger Volkszeitung, widmet diesem Nicht-Ereignis auf ihrer Homepage sogar einen Herunterzähler, in ihrer Holzausgabe darf die geneigte Leserschaft nun täglich neue tolle Dinge über das Einkaufszentrum erfahren, so dass nur die Frage bleibt, wie die Stadt Leipzig die vergangenen Jahrhunderte ohne besagten Shoppingbunker überdauern konnte), sondern das 800-jährige Bestehen der Thomasschule.
Diese Schule ist die älteste öffentliche Schule Deutschlands und in Bildungsangelegenheiten die Heimat des Thomanerchors.
Nun mögen sich die regelmäßigen LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches fragen, weshalb ich als bekennender Nichtsänger (Okay, nach 13 Bier soll ich schonmal eine gewisse Sangesfreude entwickelt haben, aber das ist verjährt.) über das Jubiläum der Thomasschule schreibe.
Ganz einfach: Eines der vielen Wunder des DDR-Bildungswesens war die Lenkung junger Menschen gegen Ende der 8. Klasse auf diverse Erweiterte Oberschulen, also Gymnasien. Diese Lenkung verschlug mich an die Thomasschule. Um nicht missverstanden zu werden: Ich bin Naturwissenschaftler, mit der Singerei habe ich nichts am Hut. Zweimal durfte (besser: musste) ich während meiner vier Oberschuljahre im Musikunterricht nach vorn kommen um eine fröhliche Melodei vorzutragen. Beide Auftritte prägten meinen Ruf nachhaltig und bewogen unseren Musiklehrer, einen abgebrochenen Pianisten (ä Künschdlor), mir weitere Darbietungen zu erlassen. Ich sage nur "Ode an die Freude" und "Einheitsfrontlied".
Statt dessen durchlebte ich vier fröhliche Jahre in einer sogenannten naturwissenschaftlich orientierten Klasse und kannte die trällernden Thomaner nur vom Treppenhaus, wo sie mir als spillerige, ätherische Gestalten auffielen, die von den Nichtthomanern belächelt, aber wegen ihrer Westreisen auch beneidet wurden.
Die Nichtthomaner machten zu meiner Zeit (Mein Abi erhielt ich 1979) übrigens den Löwenanteil der Thomasschüler aus, da die größte DDR der Welt erkannt hatte, dass es sich nicht lohnte, für so ein paar Sängerlinge eine komplette Schule aufzuziehen. Heute sieht man das ja wohl anders ...
Doch zurück zum Jubiläum und meinem Boykott desselben. Im Vorfeld der Feierei erreichten mich mehrere Anfragen mit dem Inhalt, mich als Alumnus doch an der Aufarbeitung der Schulgeschichte zu beteiligen. Nun bin ich prinzipiell der netteste mir bekannte Mensch und mache auch bei solchem Zinnober mit, denn man wird ja 1. nicht dümmer, 2. machen die ja auch nur ihren Job und 3. gibt's dafür ja manchmal ein Freigetränk.
Doch die Thomasschulengeschichtsaufarbeitung ließ ich links liegen. Der mir zugeschickte Fragebogen war schuld. Nein, es lag nicht an der zu kleinen Schrift, sondern an den Fragen, die aus meiner Sicht arg suggestiv angelegt waren und meiner Meinung nach den Zweck erkennen ließen, die Einflussnahme der pöhsen, pöhsen DDR-Diktatur auf den Schulbetrieb herauszuarbeiten.
Um nicht missverstanden zu werden: Ich bin keiner der "Es war nicht alles schlecht"-Töner und sehe mich durchaus als Opfer, weil ich vom Links- zum Rechtshänder umgeschult wurde. Aber wenn mir Fragen gestellt werden, wie "Wie sehr haben Sie gespürt, dass ..." - dann reagiere ich genervt.
Gut, Schulzeit ist lange her und im Rückblick verklärt sich so manches. Und selbst das verordnete GST-Lager stellt sich mir aus heutiger Sicht als lustiger Sommerausflug nach Rügen samt Knutscherei mit irgendeiner Tochter besorgter Urlauber dar ...
Aber Diktatur, Stasi, Indoktrination ...? Hey, wir hatten einen vergrießgnaddelten Lehrer im Fach Staatsbürgerkunde, der so alt und so daneben war, dass dem niemand wirklich was glaubte. Und in der Wehrerziehung? Die Zeit musste man absitzen, das sahen Lehrer und Schüler so und machten daraus auch keinen Hehl. Und dass irgendein Uraltlehrer, der schon bei seinem Studium an der Arbeiter- und Bauernfakultät 30 Jahre zuvor alt gewesen sein muss, in der 12. Klasse eine gemischtgeschlechtliche jugendliche Rumalberei mit dem Aufschrei "keiiiin Gruuuuppensex" unterbinden wollte, war einfach nur ein Brüller und blieb ohne Konsequenzen, weil den alten Zausel weder Schüler noch Direktor ernst nahmen.
Zugegeben, ein paar Selbstzweifel hatte ich schon, als ich die Jubiläumsfragebögen als "Dämlicher Propagandascheiß von Spätgeborenen" abtat, schließlich weiß ich ja, dass richtige Historiker (also nicht Guido Knopp) auf Zeitzeugen schlecht zu sprechen sind, weil es diesen an Objektivität mangelt.
Aber meine Selbstzweifel (okay, die waren sehr, sehr klein) schwanden restlos, als ich einige andere Thomasschüler, zu denen ich mehr oder minder losen Kontakt habe, nach ihrer Meinung befragte und recht einhellig den Kommentar "Die spinnen doch" erhielt.
Nun denn, die Festwoche wird sicher ein Erfolg werden und der große Jubiläumsball am 22.9.2012 wird auch eine tolle Kiste, bei der vor allem die Unbeteiligten, wie Leipzigs OBM Burkhard Jung, große Reden schwingen werden. Damit, dass ich das verpasse, kann ich gut leben. Vor allem, weil ich mal wieder erleben durfte, wie objektive Geschichtsschreibung funktioniert.
Diese Schule ist die älteste öffentliche Schule Deutschlands und in Bildungsangelegenheiten die Heimat des Thomanerchors.
Nun mögen sich die regelmäßigen LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches fragen, weshalb ich als bekennender Nichtsänger (Okay, nach 13 Bier soll ich schonmal eine gewisse Sangesfreude entwickelt haben, aber das ist verjährt.) über das Jubiläum der Thomasschule schreibe.
Ganz einfach: Eines der vielen Wunder des DDR-Bildungswesens war die Lenkung junger Menschen gegen Ende der 8. Klasse auf diverse Erweiterte Oberschulen, also Gymnasien. Diese Lenkung verschlug mich an die Thomasschule. Um nicht missverstanden zu werden: Ich bin Naturwissenschaftler, mit der Singerei habe ich nichts am Hut. Zweimal durfte (besser: musste) ich während meiner vier Oberschuljahre im Musikunterricht nach vorn kommen um eine fröhliche Melodei vorzutragen. Beide Auftritte prägten meinen Ruf nachhaltig und bewogen unseren Musiklehrer, einen abgebrochenen Pianisten (ä Künschdlor), mir weitere Darbietungen zu erlassen. Ich sage nur "Ode an die Freude" und "Einheitsfrontlied".
Statt dessen durchlebte ich vier fröhliche Jahre in einer sogenannten naturwissenschaftlich orientierten Klasse und kannte die trällernden Thomaner nur vom Treppenhaus, wo sie mir als spillerige, ätherische Gestalten auffielen, die von den Nichtthomanern belächelt, aber wegen ihrer Westreisen auch beneidet wurden.
Die Nichtthomaner machten zu meiner Zeit (Mein Abi erhielt ich 1979) übrigens den Löwenanteil der Thomasschüler aus, da die größte DDR der Welt erkannt hatte, dass es sich nicht lohnte, für so ein paar Sängerlinge eine komplette Schule aufzuziehen. Heute sieht man das ja wohl anders ...
Doch zurück zum Jubiläum und meinem Boykott desselben. Im Vorfeld der Feierei erreichten mich mehrere Anfragen mit dem Inhalt, mich als Alumnus doch an der Aufarbeitung der Schulgeschichte zu beteiligen. Nun bin ich prinzipiell der netteste mir bekannte Mensch und mache auch bei solchem Zinnober mit, denn man wird ja 1. nicht dümmer, 2. machen die ja auch nur ihren Job und 3. gibt's dafür ja manchmal ein Freigetränk.
Doch die Thomasschulengeschichtsaufarbeitung ließ ich links liegen. Der mir zugeschickte Fragebogen war schuld. Nein, es lag nicht an der zu kleinen Schrift, sondern an den Fragen, die aus meiner Sicht arg suggestiv angelegt waren und meiner Meinung nach den Zweck erkennen ließen, die Einflussnahme der pöhsen, pöhsen DDR-Diktatur auf den Schulbetrieb herauszuarbeiten.
Um nicht missverstanden zu werden: Ich bin keiner der "Es war nicht alles schlecht"-Töner und sehe mich durchaus als Opfer, weil ich vom Links- zum Rechtshänder umgeschult wurde. Aber wenn mir Fragen gestellt werden, wie "Wie sehr haben Sie gespürt, dass ..." - dann reagiere ich genervt.
Gut, Schulzeit ist lange her und im Rückblick verklärt sich so manches. Und selbst das verordnete GST-Lager stellt sich mir aus heutiger Sicht als lustiger Sommerausflug nach Rügen samt Knutscherei mit irgendeiner Tochter besorgter Urlauber dar ...
Aber Diktatur, Stasi, Indoktrination ...? Hey, wir hatten einen vergrießgnaddelten Lehrer im Fach Staatsbürgerkunde, der so alt und so daneben war, dass dem niemand wirklich was glaubte. Und in der Wehrerziehung? Die Zeit musste man absitzen, das sahen Lehrer und Schüler so und machten daraus auch keinen Hehl. Und dass irgendein Uraltlehrer, der schon bei seinem Studium an der Arbeiter- und Bauernfakultät 30 Jahre zuvor alt gewesen sein muss, in der 12. Klasse eine gemischtgeschlechtliche jugendliche Rumalberei mit dem Aufschrei "keiiiin Gruuuuppensex" unterbinden wollte, war einfach nur ein Brüller und blieb ohne Konsequenzen, weil den alten Zausel weder Schüler noch Direktor ernst nahmen.
Zugegeben, ein paar Selbstzweifel hatte ich schon, als ich die Jubiläumsfragebögen als "Dämlicher Propagandascheiß von Spätgeborenen" abtat, schließlich weiß ich ja, dass richtige Historiker (also nicht Guido Knopp) auf Zeitzeugen schlecht zu sprechen sind, weil es diesen an Objektivität mangelt.
Aber meine Selbstzweifel (okay, die waren sehr, sehr klein) schwanden restlos, als ich einige andere Thomasschüler, zu denen ich mehr oder minder losen Kontakt habe, nach ihrer Meinung befragte und recht einhellig den Kommentar "Die spinnen doch" erhielt.
Nun denn, die Festwoche wird sicher ein Erfolg werden und der große Jubiläumsball am 22.9.2012 wird auch eine tolle Kiste, bei der vor allem die Unbeteiligten, wie Leipzigs OBM Burkhard Jung, große Reden schwingen werden. Damit, dass ich das verpasse, kann ich gut leben. Vor allem, weil ich mal wieder erleben durfte, wie objektive Geschichtsschreibung funktioniert.
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