Sonntag, 14. November 2010
Ach, wärst Du doch auf Tauchstation geblieben. Oder: Tillich und die Demokratie
Scherzfrage: Was haben Petra Köpping (MdL) und Wolfgang Tiefensee (MdB) gemeinsam? Es gibt sie wirklich (noch) - auch wenn's zurzeit kaum eine/r jemand merkt, außer der Zahlstelle von Bundes- bzw. Sächsischem Landtag natürlich.
Aber das mit dem Merken wird nicht ewig so bleiben. Irgendwann ist ja auch wieder mal eine Wahl, dann werden wohl beide den Phönix machen und schön wie am ersten Tag aus der Asche krabbeln und für ein paar Wochen durch die politische Landschaft flattern.
Um von den geneigten Leserinnen und Lesern meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches nicht missverstanden zu werden: Ich habe nichts dageben, wenn Politiker einen Hang zu Aktivitätsökonomie und Präsenzsparsamkeit haben (Geile Worte, stimmt's? Sind mit gerade so eingefallen!).
Welch Segen, wenn andere Politiker sich diesen Vorbildern anschlössen. Seit den wirklich tollen und lesenswerten Äußerungen Stanislaw Tillichs zu Stuttgart 21, faulen Westdeutschen, unterwürfigen Sachsen und Demokratie wünschte ich mir, unser Dresdner Provinzzampano wäre auch auf Tauchstation geblieben.
Dazu gibt es übrigens einen sehr lesenswerten Kommentar, der mir in Sachen Tillichsches Demokratieverständnis aus dem Herzen spricht: http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2609230

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Der Ausweis ist sicher, sagt das BSI. Genau wie die App. Sagt das BSI.
Der neue Personalausweis ist sicher, absolut sicher. Sagen die zuständigen Politiker. Und die müssen's ja wissen, denn ihnen haben es die zuständigen IT-Versteher vom Bundeamt für Sicherheit in der Informationstechnik, kurz: BSI, gesagt (Bitte keine dämlichen Witze über dieses amtliche Kürzel, mit BSE macht man keinen Spaß). Nachzulesen hier https://www.bsi.bund.de/cln_165/DE/Home/home_node.html - man beachte übrigens die Verschlüsselung der Verbindung!
Zurück zum absolut sicheren, neuen Personalausweis. Oder nein, eher doch zur Ausweis-App die ja ebenfalls absolut sicher ist. Oder doch nicht. Dafür aber jedenfalls bald wieder, wenn die neue Version der App zum Download bereitsteht, nachzulesen hier https://www.bsi.bund.de/cln_165/ContentBSI/Presse/Pressemitteilungen/AusweisApp_101110.html
Normalerweiser empfehle ich den geneigten LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebüchleins natürlich nicht, Behörden-PR zu lesen und sich dazu auch noch auf höchst fragwürdige Internetseiten zu begeben. Aber im konkreten Fall komme ich um diese Empfehlung ausdrücklich nicht herum.
Diese liebevoll verschwurbelte und verschwafelte Worthülsensuppe ist ein Genuss. Nachdem die BIS-Propagandisten lang und breit begründet haben, dass es erstens keine Sicherheitslücke in der Ausweis-App gibt, beweisen sie zweitens nicht minder liebevoll, dass diese Lücke, so es sie unwahrscheinlicherweise denn doch gäbe, ganz, ganz sicher gar keine Lücke wäre, sondern allenfalls ein winziges Lückelchen. Und selbst für den Fall, dass irgendein böser, böser Netzkrimineller sich dieses Lückelchens bedienen wollte, sei er zum Misserfolg verurteilt. Und selbst wenn nicht, so sei das nicht schlimm.
Warum von der nichtexistenten Lücke selbst im unmöglichen Fall der Ausnutzung derselben keine Gefahr für Leib und Leben und Bankkonto und freiheitlich-demokratische und so weiter ausgeht, lässt sich allerdings auch kürzer begründen: Weil das nicht sein darf. Weil das BSI die Ausweis-App nämlich zertifiziert hat. Das selbe BSI übrigens, dass auch festgelegt hat, dass der neue Personalausweis absolut sicher ist. Genau wie die Renten übrigens, aber das ist ein anderes Zitat, das stammt von Norbert Blüm ...

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Samstag, 13. November 2010
Automaten bei "Ich bin doch nicht blöd". Oder: Der Service bleibt wie gehabt.
Na, wenn das keine tolle Neuigkeit ist: Mediamarkt plant die Aufstelllung von Automaten an Flughäfen, Bahnhöfen usw., die per Knopfdruck (natürlich nur nach vorheriger Zahlung) überlebenswichtige Dinge ausspucken: Kameras, iPods, Kabel, Batterien, Ladegeräte oder Memorysticks, alles in allem so um die 150 Produkte, heißt es aus der PR-Abteilung der metro-Tochter. Nachzulesen in so ziemlich allen deutschen Zeitungen, u.a. hier http://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article10854319/Media-Markt-plant-iPod-Verkauf-aus-dem-Automaten.html
Also, mal in aller Kürze: Ich finde die Idee gut. Die Arbeitsplätze bei mediamarkt wären doch früher oder später sowieso weggefallen, bei den Preisen, von wegen ich bin doch nicht blöd. Und mal ehrlich: In puncto Service und Beratung sind die Automaten dem Fachpersonal bei mediamarkt (und Saturn) zumindest ebenbürtig. Schlechter zu sein, ist unmöglich.

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Donnerstag, 11. November 2010
Staatspleite und Spaß dabei. Oder: Alles wie immer.
So, da bin ich wieder. Wer gehofft haben sollte, dass ich von einer fehlgeleiteten Paketbombe geröstbumst oder im Auftrag des niedersächsischen Innenministers wegen möglicherweise gefährlicher Inhaltsstoffe gegroundet wurde, dem sei mit dem legendären Ausruf des Kaleu geantwortet: "Not yet, Kameraden, not yet." Wer das nicht versteht, möge sich den immer noch sehr sehenswerten Film "Das Boot" anschauen, aber bitte nicht den Directors Cut, der ist nur eine auf den US-amerikanischen Markt zugeschnittene Verhunzung des Oiginals.
Zurück zu meiner Wiederkunft. Ich habe mich einige Tage auf einer durchaus angenehmen Dienstreise befunden und mich in Griechenland umgeschaut. Und weil Reisen bildet, habe ich wieder etwas dazugelernt.
Einige Krümelchen dieses Wissenszuwachses möchte ich den LeserInnen meines kleinen, poltisch nicht immer korrekten Tagebuches natürlich nicht vorenthalten.
1. Linienflüge sind angenehmer als Charter. Wusste ich zwar schon, freut mich aber immer wieder. Warum das so ist? Zum einen, weil nicht laufend irgendwelche schlecht gesträhnten Muttis dem Piloten dafür applaudieren, dass er die Maschine "so toll" runtergebracht hat. Zum anderen, weil die Kiste nicht voller Jasons und Jasminas oder sonstwie heißender Lehnenbummergören ist, die von ihren Großeltern (oder war's nur eine Spätgebärende?) mit Süßigkeiten und Nüssen vollgestopft werden, bis das ganze Kampfstoffgemisch sich unter spannender Geräuschentwicklung in die Reihen der Economy ergießt, ehe sich der Leistungsträger in spe wieder neues Junkfood in die Ladeluke schiebt.
2. Griechenland ist besser dran als Berlin. Während die Bundeshauptstadt nach Wowereitschem Selbstverständnis zwar arm, aber sexy ist, trifft auf die Hellenen irgendwie "pleite, aber keinen stört's". Auch wenn der Staat kein Geld hat, werden Autobahnen beleuchtet, und irgendwie geht das Leben weiter. Das macht Mut. Wenn Deutschland in ein paar Jahren das Licht in der EU ausmacht, muss das nicht das Ende sein. Die Kapelle spielt weiter.
3. gibt es in Griechenland Ecken, in denen der sprichwörtliche Hund verreckt ist. Mir hat das zu der Erkenntnis verholfen, das Mecklenburg-Vorpommern eigentlich ein blühendes, dynamisches Land mit einer gesunden demographischen Entwicklung ist. zumindest im Vergleich zu einigen Dörfern und Städtchen, über denen munter die griechische Fahne flattert. Es ist halt alles relativ.
4. Relativ interessant ist es auch, sich in einem Land umzuschauen, das sich einen Großteil des von EU-Bürokraten und Lobbyisten erdachten sinnfreien Gesetzeswerks nicht schert. Es funktioniert einfach; vielleicht ein wenig anders als im Musterland Teutonia, auf alle Fälle ziemlich entspannt.
5. Besonders interessant ist es, sich nach einigen Tagen weitestgehender Medienabstinenz ein wenig die Augen auszukratzen und nachzuschauen, was alles so passiert ist. Eigentlich nichts Besonderes. Unserer aller Bundesmerkel sieht "Döitschland auf ein'm gut'n Weg", Westerguido hatte irgendwo wichtige Gespräche unter Einbeziehung von zwei verfeindeten Parteien, die nun zumindest in der Frage "Who the fuck was this?" einig sind und Rollteufel Wolfgang hat mal wieder einen gucken lassen. Also alles wie immer.
Demnächst mehr dazu.

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Mittwoch, 3. November 2010
Triplettenspaß reloaded. Oder: Wenn Bernd und Frank zur Weltpolitik erhoben werden.
Na sowas, da habe ich mich doch tatsächlich vertan, um einen Tag: Am Montag habe ich mich hier http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1722069/ über die massive Werbung meiner Lokalpostille für eine Veranstaltung, bei der seine Durchleucht, der Chefredakteur, als Moderator auftritt, gelästert. Und mich zu der Annahme verstiegen, dass darüber schon am nächsten Tag in epischer Breite berichtet werden würde.
Hiermit gestehe ich, dass diese Annahme falsch war. Am Tag nach dem Auftritt eines gewissen ChR Bernd Hilder mit einem gewissen Frank Schöbel beim Leipziger Gespräch stand nichts über dieses epochale, geschichtsverändernde Ereignis in meiner Lokalpostille, der Leipziger Volkszeitung. Asche aufs Haupt.

Aber: Dafür widmete die LVZ diesem Thema heute eine Dreiviertelseite ihres qualitativ gewohnt hochwertigsten Lokalteils, aufgemacht mit einem vierspaltigen Konterfei des trotz seiner 68 Jahre jugendlich wirkenden Frank Schöbel, dazu ein zweispaltiges Lichtbildkunstwerk, welches den moderierenden Chefredakteur in lässig-intellektueller Pose beim Plaudern mit dem Sänger zeigt, abgerundet durch fünf Archivbilder aus der Frank-Schöbel-Historie.
Zeilen bot der von der zuständigen Boulevard-Redakteuse gelieferte "Drumrumtext" en masse, Lesenswertes eher weniger. Ein Highlight: Der Versuch, die Karriere oder besser nicht-Karriere des Frank Schöbel im Westen politisch zu deuten. Zitat LVZ: "In der Sendung von Dieter Thomas Heck (CDU-Mitglied) durfte er nicht auftreten, aber zur NDR-Schaubude (SPD-dominiert) ließ man ihn fahren."
Dem wäre der Vollständigkeit hinzuzufügen, dass die Leipziger Volkszeitung (anteilig in SPD-Besitz) ja auch nicht jeden zu Wort kommen lässt.

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Familiendrama oder Ehrenmord? Oder: Schöne deutsche Sprache.
Die Sächsische Zeitung SZ berichtet heute in ihrer Online-Ausgabe von einem Familiendrama in Freital. Guckst Du hier: http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2603440
Preisfrage an die Leserinnen und Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches: Woran erkennt man, dass es sich bei Opfer und Täter um Deutsche, also um richtige, gebürtige und keine irgenwie migrierten, gehandelt hat?

Na, keine Idee?
Dabei ist es doch so einfach: Hätte sich die Tat in einer Familie mit Migrationshintergrund abgespielt, wäre das dem Leser erstens mitgeteilt worden. Und zweitens hätte die Polizei nicht von Familiendrama, sondern von einem Ehrenmord gesprochen. So vielfältig ist die deutsche Sprache ...

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Montag, 1. November 2010
Schöne Grüße aus dem Jemen. Oder: In dieser Woche sind in den USA Kongresswahlen
Also eines muss man den Jungs von al-Quaida (vulgo: El Kaida) ja lassen: Ideen haben sie, die Burschen. Vor allem Ibrahim Hassan al-Asiri, der mit geradezu beneidenswerter Kreativität und gottbegnadeter Fingerfertigkeit allerlei Teufelszeug bastelt, das nur dem einen Zweck dient, nämlich Feinde Allahs in möglichst viele, möglichst kleine Stücke zu zersprengen.
Was er so draufhat, demonstrierte der Bombenbauer erst vor kurzem mit der Sprengung eines vermeintlichen Überläufers, in dessen Gedärm sich ein Bömbchen befand, das justament im Beisein eines saudischen Prinzen (http://www.heise.de/tp/blogs/8/146279 ) ferngezündet wurde und seine lebende Ummantelung im prinzlichen Gemach verteilte. Dumm nur, dass der Bombenbauer wohl die dämmende Wirkung des Bombenträgers unterschätzt hatte, der wider Willen zum menschlichen Schutzschild wurde ...
Doch zurück zu al-Asiri: Sein neuester Coup hat es wieder auf die Titelseiten aller Holzmedien geschafft und natürlich auch die Nachrichtensendungen erreicht. Vom Jemen aus gingen zwei Luftfrachtpäckchen auf die Reise nach den USA. In den Päckchen befanden sich Liebesgrüße aus al-Asiris Werkstatt: mit PETN (http://de.wikipedia.org/wiki/PETN), besser bekannt als Nitropenta bzw. Semtex, gefüllte Tonerpatronen (http://www.heise.de/tp/blogs/8/148657), versehen mit einer Möglichkeit zur Zünddung „by call“, und alles so solide und liebevoll zusammengesetzt, dass es im Röntgenbild keine unnötigen Fragen provoziert – außer vielleicht der, weshalb Tonerpatronen aus dem nicht eben als Hightech-Land bekannten Jemen gen USA reisen sollten. Aber wer einige Zeit vor einem Monitor sitzend stichprobenartig in irgendwelche Kartons gucken muss, stellt keine so anspruchsvollen Fragen mehr.
Wobei: Ein paar Fragen sollte man sich schon stellen, denn die Tonerpäckchen haben’s nicht nur sprengtechnisch in sich. Kaum auszudenken, was da alles für Zufälle passiert sind: Es gab da einen Tipp aus Saudi-Arabien, dann hat auch noch das BKA eine plötzliche Eingebung gehabt und putzigerweise eine schon am Luftfracht-Drehkreuz Köln abgefertigte und auf die Reise nach London weitergeleitete Bombensendung „nachträglich enttarnt“, und dann bellen plötzlich auch noch alle üblichen Verdächtigen lauthals nach mehr Sicherheit, mehr Kontrollen, mehr Geld ... und außerdem finden in dieser Woche in den USA Kongresswahlen statt.
Ein Schelm, wer da nicht auf arge Gedanken kommt ...

PS.: Denjenigen Leserinnen und Lesern meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches, die nun schon das Schimpfwort „Verschwörungstheoretiker“ buchstabieren, sei ein wenig Erinnerung empfohlen: Wie war das doch gleich mit den Masservernichtungswaffen im Irak, mit deren von US-Geheimdiensten nachgewiesenen Existenz ein gewisser George Bush jr. den Einmarsch seiner Truppen in den Irak begründete?
Im Zusammenhang mit einem ähnlich plumpen fake ist vor über 70 Jahren der Ausspruch geprägt worden, dass die Glaubwürdigkeit gleichgültig sei. „Im Sieg liegt das Recht.“

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Triplettenspaß in der Lokalpostille. Oder: Einmal werden wir noch wach ...
Wenn eine Nachricht doppelt in der Zeitung steht, nennt man das im Redaktionsjargon "Dublette" und ist üblicherweise unangenehm berührt. Warum? Weil's ein Indiz dafür ist, dass geschlampt wurde und dass die Kommunikation zwischen den Ressorts nicht funktioniert (hat). Und weil's in der Regel Mecker bei der Blattkritik gibt.
Noch unangenehmer ist es, wenn sich eine solche Dublette innerhalb eines Ressorts ereignet oder wenn sie sich gar zu einer Triplette auswächst. Beides durfte die schrumpfende Leserschaft meiner Lokalpostille, der nach eigener Aussage dem Qualitätsjournalismus verpflichteten "Leipziger Volkszeitung", in den vergangenen Tagen erleben.
Der Auftritt des "Sängers, Schauspielers und Buchautors Frank Schöbel" im Leipziger Gespräch im Gewandhaus am heutigen 1. November war dem Lokalteil der LVZ innerhalb einer Woche gleich drei fast wortgleiche Ankündigungen von knapp 30 Zeilen wert. Mindestens, denn ich lese das Käseblatt längst nicht mehr so genau, also könnte mir die eine oder andere Ankündigung glatt durchgerutscht sein.
Interessant finde ich an der putzigen Triplette, dass da stets neben Frank Schöbel auch noch ein anderer Name zu lesen ist, der des LVZ-Chefredakteurs Bernd Hilder, welchselbiger allerhöchst die Veranstaltung moderieren wird. Himself.
Sollte die Triplette etwa wirklich keine peinliche Panne, sondern eine noch peinlichere Absicht sein?
Na. spätestens morgen werde ich es wissen - wenn ich meine Lokalpostille aufschlage und mir ein dem epoachalen Ereignis sehr angemessen platzierter und dimensionierter, der Wichtigkeit der Protagonisten entsprechend illustrierter Bericht über den Auftritt von Bernd Hi..., ähhh Frank Schöbel das Frühstück versüßen wird. Schaunmermal.
In diesem Sinne: Ich bin gespannt und summe leise eine Melodie vor mich hin ... "Einmal werden wir noch wach, heißa ...

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Mittwoch, 13. Oktober 2010
Lehrvorführung für Holzmedien. Oder: Burkhard Schröder demonstriert Recherche
Aus den klassischen und etablierten Zeitungsverlagen, die sich als Hort des Qualitätsjournalismus' verstehen, ist oft zu hören, dass natürlich ein jeder publizieren könne, aber dass echte Qualität nur von einem großen, fetten Verlag zu erwarten sei.
Burkhard Schröder hat heute am Beispiel des Grubenunglücks in Chile mal demonstriert, wie Recherche (für die Holzmedien: Dass ist nicht das, was aus dem Ticker läuft) so geht.
Nachzulesen hier http://www.burks.de/burksblog/2010/10/13/compania-minera-san-esteban-primera-eine-kriminelle-vereinigung
Sehr empfehlenswert für interessierte Leser. Für Holzmedienschaffende: Schlaft weiter.

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Dienstag, 12. Oktober 2010
Sächsische Arroganz der Macht. Oder: „Stuttgart 21“ ist überall
Im Herzen bin ich tiefschwarz. Das wissen die LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches, denn ich halte mit dieser Einstellung nicht hinter dem Berg. Dennoch leiste ich mir den Luxus häufigen Eigendenkens fern programmatischer Vorgaben. Das tue ich z.B. in puncto Stuttgart 21 und bin zu dem Schluss gelangt, dass die momentane Schwabenrevolte eine gute Sache ist. Gelegentlich brauchen die langjährigen Machtärsche einen Tritt in letzteren, um sich wieder daran zu erinnern, wer ihnen eigentlich die ach so schöne Macht verliehen hat. Das ist übrigens ein parteiübergreifendes Phänomen, das in allen politischen Farbtöpfen mehr oder weniger ausgeprägt auftritt.
Zurück zu Stuttgart 21: Dort wird derzeit kräftig in besagte Körperregion getreten, denn hinten sind die Politker breit, vorn frech und arrogant geworden. Gut so (die Sache mit dem Treten)! Denn schließlich wird im Ländle nicht erst seit der Bahnhofsgeschichte von diversen Cleverles am tumben Wahlvieh vorbei entschieden. Auch das berühmte Leichtathletikstadion ist „mal eben so“ verschwunden, um Platz für ein TV-taugliches Bundesligagrün zu machen – erst hat’s keiner gewusst, dann war’s keiner gewesen und dann hätten’s doch alle gewollt.
Diese Art Politikverständnis erinnert mich an die Regierungsweise der DDR-Betonköpfe; deren Altmännertun wurde dem regierten Volk regelmäßig mit dem Satz „Die Genossen in Berlin werden schon das Richtige tun!“ schöngeredet. Nur: Das war eine Diktatur. Heißt es.

Um so erschrockener bin ich über die Schützenhilfe, die die getretenen Schwabenärsche per Focus-Schrieb vom sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich erhalten. Der MP begründete die Proteste gegen Stuttgart 21 damit, dass die Westdeutschen zu bequem für Veränderung seien. Das grenzt an Verleumdung: Demonstrierende Bürger sind zu faul zum Umdenken, darum gehen sie gleich als 60.000er Marschblock zur Demo.
Nachzulesen hier: http://www.focus.de/politik/deutschland/stanislaw-tillich-westen-zu-bequem-fuer-veraenderungen_aid_560703.html

Die Sachsen hingegen, so philosophiert Tillich weiter, seien motiviert und hätten den Willen, zu den Spitzenregionen Europas aufzuschließen. Deshalb gebe es im Freistaat kein Großprojekt, das erfolgreich durch Klagen gestoppt wurde. Tillich benennt in diesem Zusammenhang Kohlekraftwerke, Straßen, Autobahnen, Braunkohle-Tagebaue. Seinem MP-Kollegen Stefan Mappus empfahl er, einfach durchzuhalten. Die Wahl könne er dennoch gewinnen, schließlich sei das auch der Sachsen-CDU gelungen – trotz Waldschlösschenbrücke und Unesco-Welterbe-Verlust. Fazit Tillich: „Die Politik sollte ... auf dem einmal eingeschlagenen Weg nicht umkehren.“

Spätestens hier meldete sich mein Eigendenken. Zum einen kenne ich solche Arroganz der Macht vom längst entschlummerten Erich Honecker. Zur Erinnerung: „Den Sozialismus in seinem Lauf ...“ bzw. „Die Mauer wird noch in 100 Jahren ...“. War vergleichbar weltfremdelnd arrogant formuliert und ging in die Hose.
Zum anderen sind die Sachsen ein ähnlich braver und duldsamer Stamm wie die Schwaben. Bis es ihnen reicht. Und die zur Begründung von Tillich benannten Autobahnen, Kraftwerke und Tagebaue sind ja alles andere als mit freistaatweitem Jubel durchgegangen, gegen diverse Vorhaben (Stichwort B87, Stichwort Nachtflüge am Flughafen Leipzig, ...) wird noch immer gefochten. Und sogar die Waldschlösschenbrücke dürfte sich unter den Dresdner Residenzsachsen trotz aller Königsgläubigkeit auch im nächsten Wahlergebnis niederschlagen – obwohl ein Volksentscheid dem Projekt den Weg zumindest de jure geebnet hatte. Nur: Damals waren die Befürworter zur Wahl gegangen, die kulturvollen Gegner blieben in ihren Dresdner Türmen und Villen ...

Eigentlich schade. Da hat Stanislaw Tillich nun schon das Privileg, den schwäbischen PR-Gau aus sicherer Entfernung zu beobachten und Lehren daraus zu ziehen, und was macht er? Heizt die dämliche Ossie-Wessie-Debatte neu an, bringt sich ins Schussfeld und bastelt sein eigenes Desaster. Nur der Name fehlt noch, aber man könnte als Arbeitstitel ja schon mal „Sachsen 21“ nehmen ...

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