Dienstag, 6. Mai 2008
24 Stunden Hoyerswerda oder: Eine Premiere ohne Kinderkrankheiten
zeitungsdieb, 12:47h
Hoyerswerda? Hoyerswerda! Als ich durch das DUV-Forum (guckst Du hier: http://forum.d-u-v.org/forum/viewtopic.php?t=924 ) erfuhr, dass dort Anfang Mai ein 24-Stunden-Lauf stattfinden soll, war ich überrascht und skeptisch. Schließlich ist Hoywoy (so die mundartliche Benennung des Städtchens) nicht gerade eine deutsche Metropole und zudem kein Paradebeispiel für eine deutschzentrale Lage mit bester Verkehrsinfrastruktur.
Aber irgendwie fand sich auf der Seite www.hoyerswerda-marathon.de sogar eine Ausschreibung für den Lauf, also meldete ich mich an.
Die Skepsis blieb, denn die Ausschreibung ließ viele Fragen offen. Zudem tröpfelten die Informationen zum Lauf nur spärlich und über Umwege auf die nach Erleuchtung gierende Ultragemeinde herab. Ein wenig Mut machte mir die Ende April in meinem Briefkasten steckende Meldebestätigung: Eine Ansichtskarte mit Aufnahmen vom Lausitz-Bad, auf mir meine Startnummer mitgeteilt wurde. Außerdem war dort die Telefonnummer von Organisator Manfred Grüneberg vermerkt, die ich kurz vor meinem Aufbruch nach Hoyerswerda wählte, um mich über das Stattfinden des Laufes und der Möglichkeit, bereits am Vortag des Starts irgendwo ein Zelt aufzustellen, zu vergewissern.
Dennoch: Die Skepsis blieb, als wir – meine Frau, dazu Ralph Hermsdorf vom LC Auensee und meine Wenigkeit – am späten Freitagnachmittag am Lausitz-Bad zwar einige Absperrgitter, ein Werbeplakat und das Fahrzeug anderer Läufer, aber keine Spur von Betriebsamkeit entdeckten.
Das hatte sich geändert, als wir von unserem wenig erwähnenswerten Ausflug in die Hoyerswerdaer Spitzengastronomie zurück an den Ort des mutmaßlichen Geschehens kehrten. Emsige Helfer schafften sich beim Aufbau von Pavillons. Entlang der Laufstrecke waren einige Zelte aus dem Boden geschossen. Und als es uns gelungen war, unser erst am Tag zuvor erworbenes „Palais“ nach anfänglichem Wehgeschrei doch noch aufzubauen, sah ich das Abenteuer „Hoywoy“ schon ein wenig optimistischer.
Am Morgen herrschte am Lausitz-Bad ein beeindruckendes Gewimmel. Während die überschaubare Läuferschar noch Frühstücksbrötchen in sich hinein mampfte und klönend Prognosen für die kommenden 24 Stunden aufstellte, wuselten die Helfer im Start-Ziel-Bereich herum, bauten Verpflegungsstände auf, entschärften Poller und errichteten eine Beschallungsanlage …
Eine positive Überraschung gab es beim Empfang der Startunterlagen: Auf einem gesonderten Blatt wurde die Versorgungsplanung bekannt gegeben. Im Klartext: Während der gesamten 24 Stunden sollte es Obst und Getränke geben, von bestimmten Zeiten an jeweils „Ultra-Vesper“, „Ultra-Abendmahl“, „Nachtversorgung“ und Frühstücksbüfett“. Um es vorweg zu nehmen: Die Macher des Laufes hielten sich kaum an den Plan – es gab praktisch immer alles, was das Herz begehrte. Manfred Grüneberg und seine Mitstreiter erfüllten den Läufern jeden Wunsch, kaum dass dieser geäußert worden war.
Nach erfreulich kurz gehaltenen Reden von Org.-Chef und Bürgermeister fiel der kurz-nach-11-Uhr-Startschuss und das gut zwei Dutzend Köpfe zählende Läuferfeld setzte sich in Bewegung. Die Runde ist schnell beschrieben: Vom Lausitz-Bad führt der Weg über eine kurze Promenade, dann auf befestigten und zum Teil gesplitteten Wegen durchs Grüne rund um den Gondelteich um nach 923 Metern wieder zum Ausgangspunkt zurück zu kehren. Kurz nach dem Start geht es ein Stück hinab, kurz vor dem „Ziel“ wieder ein wenig hinauf, alles in allem geht die Strecke aber als „flach“ durch. Sie ist auf alle Fälle gut und abwechslungsreich zu laufen, man kann den Blick in der Natur schweifen lassen, sich über rauchende Muttis ärgern, Anglern zuschauen, sich von Spaziergängern anfeuern lassen und zum Ende einer jeden Runde das Bad in der überschaubaren Menge genießen.
Meine letzte Skepsis hinsichtlich der Kompetenz des Org.-Teams zerstreute sich, als am frühen Abend offensichtlich alle in Hoyerswerda jemals gesichteten Kabeltrommeln eingesetzt wurden, um rund um den Gondelteich ein temporäres Stromnetz zu knüpfen. Das funktionierte offensichtlich, denn die herangeschafften Flutlichtstrahler vertrieben die Dunkelheit und sorgten in der feuchtkalten Nacht sogar für kurzzeitige Wärmeerlebnisse.
Die Rundenzähler erfüllten ihre Aufgabe zumeist recht gut. Nachdem ich einmal einen offensichtlichen Fehler moniert hatte, klappte es auch mit dem Blickkontakt und die Zählerei haute hin. Allerdings hatten „meine“ Zähler nicht wirklich viel zu tun, denn mir ging es vom Start weg nicht wirklich gut. Und nachdem ich mich trotz einer für gemächliches Tempo sprechenden Marathonzeit von 4:15h wie dreifach durchgekaut und ausgespuckt fühlte, machte ich bis 21 Uhr die 85 Runden voll, ging kurz vor Ladenschluss ins Lausitz-Bad zum Duschen und beendete meinen Lauf.
Andere Läufer taten das nicht, und so holte sich Holger Sakuth bei seinem 24-h-Debüt mit 191,68 km den Sieg, beste Frau war Andrea Möhr mit respektablen 168,53 km.
Nach Ablauf der 24 Stunden kamen die Läufer, soweit sie noch über die Strecke bretterten, auch ohne Schlussignal irgendwie zum Stehen, Ekkehard Steuck (63!), platzierte sich kurz vor der Verpflegungszone dem ihm eilig angetragenen Klappstuhl und konnte sich über mehr als 180 km freuen.
Per Messrad wurden die Restmeter aufgenommen und ehe im 24-h-Lauf-typischen Freudengewusel das „Ich-geh-mal-Duschen“-Fieber ausbrach, ging auch schon die Siegerehrung über die Bühne, bei der es für alle Teilnehmer Urkunde, Medaille und ein kleines Erinnerungsgeschenk gab. Nach dem gemeinsamen Verpflegungsrestevernichten leerte sich der Ort des Geschehens, die Ultras zerstreuten sich in alle Winde, die Macher der Veranstaltung räumten in Windeseile auf und beseitigten die Spuren des Laufes.
Eines Laufes, der hoffentlich im kommenden Jahr seine zweite Auflage erleben wird. Denn schließlich verfügen die Mitglieder des Lauftreff Lausitz e.V. hier über eine wirklich gute Strecke und haben bewiesen, dass es Premieren ohne Kinderkrankheiten geben kann. Offensichtlich haben hier Läufer für Läufer organisiert und auch die ihnen im Vorfeld gegebenen Hinweise zu den Besonderheiten einer 24-h-Veranstaltung berücksichtigt.
Keine Kritik? Doch. Aber nur in einem Punkt. Die in der Ausschreibung angekündigte 24-Stunden-Moderation muss nicht sein. Auch beim legendären Reichenbacher Lauf war irgendwann in der Nacht Ruhe. Auf jeden Fall müsste die Lautstärke arg reduziert werden, Läufer und vor allem Supporter nicht unnötig zu quälen. Die nächtliche Endlosbeschallung mit Wolfgang Petri und Heino habe ich nicht als nervig, sondern als Folter empfunden, die es in dieser Art wohl ansonsten nur bei Verhören der CIA geben soll ...
Was könnte im Rahmen eines Feinschliffs verbessert werden?
Da ist zuerst ein „Mehr“ an Kommunikation im Vorfeld zu nennen. Leute, Eure Veranstaltung ist Spitze, teilt das den Ultras auch mit. Dazu gehört eine aktuelle Homepage, dazu gehören (nicht teure) Infoblätter, die bei allen möglichen Veranstaltungen ausgelegt werden.
Zweitens könnte man über einen Richtungswechsel aller sechs Stunden nachdenken. Das bringt Kurzweil auf die Strecke und wird bei einigen anderen Läufen praktiziert, um „orthopädischen Schäden“ vorzubeugen. Auf alle Fälle sorgt es für Abwechslung.
Drittens sollten den Läufern in der Schlussrunde ein Signal für den Zeitablauf übermittelt werden. Wie wär’s mit einem der Hoyerswerdaer Schützenvereine, die Burschen können höllischen Lärm machen ...
Viertens wäre es sinnvoll, den Läufern für die Markierung ihrer Position am Schluss des Rennens ein geeignetes Hilfsmittel zu geben. Legendär ist die Reichenbacher Zitrone, aber auch das Sri-Chinmoy-Hölzchen ist bewährt. Schließlich könnte es ja auch kalt und regnerisch sein – und wer wartet da schon gern auf den Mann mit dem Messrad.
Auf alle Fälle aber eine Bitte: Macht weiter so – ich habe mit der Strecke noch eine Rechnung offen und komme gern wieder nach Hoywoy.
Der Zeitungsdieb
Aber irgendwie fand sich auf der Seite www.hoyerswerda-marathon.de sogar eine Ausschreibung für den Lauf, also meldete ich mich an.
Die Skepsis blieb, denn die Ausschreibung ließ viele Fragen offen. Zudem tröpfelten die Informationen zum Lauf nur spärlich und über Umwege auf die nach Erleuchtung gierende Ultragemeinde herab. Ein wenig Mut machte mir die Ende April in meinem Briefkasten steckende Meldebestätigung: Eine Ansichtskarte mit Aufnahmen vom Lausitz-Bad, auf mir meine Startnummer mitgeteilt wurde. Außerdem war dort die Telefonnummer von Organisator Manfred Grüneberg vermerkt, die ich kurz vor meinem Aufbruch nach Hoyerswerda wählte, um mich über das Stattfinden des Laufes und der Möglichkeit, bereits am Vortag des Starts irgendwo ein Zelt aufzustellen, zu vergewissern.
Dennoch: Die Skepsis blieb, als wir – meine Frau, dazu Ralph Hermsdorf vom LC Auensee und meine Wenigkeit – am späten Freitagnachmittag am Lausitz-Bad zwar einige Absperrgitter, ein Werbeplakat und das Fahrzeug anderer Läufer, aber keine Spur von Betriebsamkeit entdeckten.
Das hatte sich geändert, als wir von unserem wenig erwähnenswerten Ausflug in die Hoyerswerdaer Spitzengastronomie zurück an den Ort des mutmaßlichen Geschehens kehrten. Emsige Helfer schafften sich beim Aufbau von Pavillons. Entlang der Laufstrecke waren einige Zelte aus dem Boden geschossen. Und als es uns gelungen war, unser erst am Tag zuvor erworbenes „Palais“ nach anfänglichem Wehgeschrei doch noch aufzubauen, sah ich das Abenteuer „Hoywoy“ schon ein wenig optimistischer.
Am Morgen herrschte am Lausitz-Bad ein beeindruckendes Gewimmel. Während die überschaubare Läuferschar noch Frühstücksbrötchen in sich hinein mampfte und klönend Prognosen für die kommenden 24 Stunden aufstellte, wuselten die Helfer im Start-Ziel-Bereich herum, bauten Verpflegungsstände auf, entschärften Poller und errichteten eine Beschallungsanlage …
Eine positive Überraschung gab es beim Empfang der Startunterlagen: Auf einem gesonderten Blatt wurde die Versorgungsplanung bekannt gegeben. Im Klartext: Während der gesamten 24 Stunden sollte es Obst und Getränke geben, von bestimmten Zeiten an jeweils „Ultra-Vesper“, „Ultra-Abendmahl“, „Nachtversorgung“ und Frühstücksbüfett“. Um es vorweg zu nehmen: Die Macher des Laufes hielten sich kaum an den Plan – es gab praktisch immer alles, was das Herz begehrte. Manfred Grüneberg und seine Mitstreiter erfüllten den Läufern jeden Wunsch, kaum dass dieser geäußert worden war.
Nach erfreulich kurz gehaltenen Reden von Org.-Chef und Bürgermeister fiel der kurz-nach-11-Uhr-Startschuss und das gut zwei Dutzend Köpfe zählende Läuferfeld setzte sich in Bewegung. Die Runde ist schnell beschrieben: Vom Lausitz-Bad führt der Weg über eine kurze Promenade, dann auf befestigten und zum Teil gesplitteten Wegen durchs Grüne rund um den Gondelteich um nach 923 Metern wieder zum Ausgangspunkt zurück zu kehren. Kurz nach dem Start geht es ein Stück hinab, kurz vor dem „Ziel“ wieder ein wenig hinauf, alles in allem geht die Strecke aber als „flach“ durch. Sie ist auf alle Fälle gut und abwechslungsreich zu laufen, man kann den Blick in der Natur schweifen lassen, sich über rauchende Muttis ärgern, Anglern zuschauen, sich von Spaziergängern anfeuern lassen und zum Ende einer jeden Runde das Bad in der überschaubaren Menge genießen.
Meine letzte Skepsis hinsichtlich der Kompetenz des Org.-Teams zerstreute sich, als am frühen Abend offensichtlich alle in Hoyerswerda jemals gesichteten Kabeltrommeln eingesetzt wurden, um rund um den Gondelteich ein temporäres Stromnetz zu knüpfen. Das funktionierte offensichtlich, denn die herangeschafften Flutlichtstrahler vertrieben die Dunkelheit und sorgten in der feuchtkalten Nacht sogar für kurzzeitige Wärmeerlebnisse.
Die Rundenzähler erfüllten ihre Aufgabe zumeist recht gut. Nachdem ich einmal einen offensichtlichen Fehler moniert hatte, klappte es auch mit dem Blickkontakt und die Zählerei haute hin. Allerdings hatten „meine“ Zähler nicht wirklich viel zu tun, denn mir ging es vom Start weg nicht wirklich gut. Und nachdem ich mich trotz einer für gemächliches Tempo sprechenden Marathonzeit von 4:15h wie dreifach durchgekaut und ausgespuckt fühlte, machte ich bis 21 Uhr die 85 Runden voll, ging kurz vor Ladenschluss ins Lausitz-Bad zum Duschen und beendete meinen Lauf.
Andere Läufer taten das nicht, und so holte sich Holger Sakuth bei seinem 24-h-Debüt mit 191,68 km den Sieg, beste Frau war Andrea Möhr mit respektablen 168,53 km.
Nach Ablauf der 24 Stunden kamen die Läufer, soweit sie noch über die Strecke bretterten, auch ohne Schlussignal irgendwie zum Stehen, Ekkehard Steuck (63!), platzierte sich kurz vor der Verpflegungszone dem ihm eilig angetragenen Klappstuhl und konnte sich über mehr als 180 km freuen.
Per Messrad wurden die Restmeter aufgenommen und ehe im 24-h-Lauf-typischen Freudengewusel das „Ich-geh-mal-Duschen“-Fieber ausbrach, ging auch schon die Siegerehrung über die Bühne, bei der es für alle Teilnehmer Urkunde, Medaille und ein kleines Erinnerungsgeschenk gab. Nach dem gemeinsamen Verpflegungsrestevernichten leerte sich der Ort des Geschehens, die Ultras zerstreuten sich in alle Winde, die Macher der Veranstaltung räumten in Windeseile auf und beseitigten die Spuren des Laufes.
Eines Laufes, der hoffentlich im kommenden Jahr seine zweite Auflage erleben wird. Denn schließlich verfügen die Mitglieder des Lauftreff Lausitz e.V. hier über eine wirklich gute Strecke und haben bewiesen, dass es Premieren ohne Kinderkrankheiten geben kann. Offensichtlich haben hier Läufer für Läufer organisiert und auch die ihnen im Vorfeld gegebenen Hinweise zu den Besonderheiten einer 24-h-Veranstaltung berücksichtigt.
Keine Kritik? Doch. Aber nur in einem Punkt. Die in der Ausschreibung angekündigte 24-Stunden-Moderation muss nicht sein. Auch beim legendären Reichenbacher Lauf war irgendwann in der Nacht Ruhe. Auf jeden Fall müsste die Lautstärke arg reduziert werden, Läufer und vor allem Supporter nicht unnötig zu quälen. Die nächtliche Endlosbeschallung mit Wolfgang Petri und Heino habe ich nicht als nervig, sondern als Folter empfunden, die es in dieser Art wohl ansonsten nur bei Verhören der CIA geben soll ...
Was könnte im Rahmen eines Feinschliffs verbessert werden?
Da ist zuerst ein „Mehr“ an Kommunikation im Vorfeld zu nennen. Leute, Eure Veranstaltung ist Spitze, teilt das den Ultras auch mit. Dazu gehört eine aktuelle Homepage, dazu gehören (nicht teure) Infoblätter, die bei allen möglichen Veranstaltungen ausgelegt werden.
Zweitens könnte man über einen Richtungswechsel aller sechs Stunden nachdenken. Das bringt Kurzweil auf die Strecke und wird bei einigen anderen Läufen praktiziert, um „orthopädischen Schäden“ vorzubeugen. Auf alle Fälle sorgt es für Abwechslung.
Drittens sollten den Läufern in der Schlussrunde ein Signal für den Zeitablauf übermittelt werden. Wie wär’s mit einem der Hoyerswerdaer Schützenvereine, die Burschen können höllischen Lärm machen ...
Viertens wäre es sinnvoll, den Läufern für die Markierung ihrer Position am Schluss des Rennens ein geeignetes Hilfsmittel zu geben. Legendär ist die Reichenbacher Zitrone, aber auch das Sri-Chinmoy-Hölzchen ist bewährt. Schließlich könnte es ja auch kalt und regnerisch sein – und wer wartet da schon gern auf den Mann mit dem Messrad.
Auf alle Fälle aber eine Bitte: Macht weiter so – ich habe mit der Strecke noch eine Rechnung offen und komme gern wieder nach Hoywoy.
Der Zeitungsdieb
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