Mittwoch, 29. April 2009
Obama-Grippe. Oder: Name für ein ungeliebtes Kind gesucht
Die Schweinegrippe ist in Deutschland angekommen, der Untergang der abendländischen Kultur steht bevor. Oder doch nicht, denn allmählich scheint deutlich zu werden, dass das neue Virus seinen Influenza-Kollegen in punkto Aggressivität nicht das Wasser reichen kann.
Und das ist gut so, denn ich habe mir mal den beim Robert-Koch-Institut hinterlegten Pandemie-Plan zu Gemüte geführt. Alles in allem drei pdf-Dateien mit beachtlichem Umfang, guckst Du hier: http://www.rki.de/cln_161/nn_200120/DE/Content/InfAZ/I/Influenza/Influenzapandemieplan__Tab.html
Das Werk stammt aus dem Jahre 2007, ist wohl eher zur Selbstbeweihräucherung von politischen Bedenkenträgern gedacht und hervorragend zum Erschlagen von Schadnagern geeignet. Möge der Pandemieplan nie zum Tragen kommen, denn bis den jemand liest und vor allem umsetzt, sind die Deutschen restlos pandemisiert.

Allerdings bietet die Schweinegrippe auch reichlich Anlass zum Schmunzeln. Als die Infektion in Mexiko aufkam, war in so ziemlich allen deutschen Medien von Schweinegrippe die Rede. Dass dieser schöne Name eigentlich falsch ist, durften wir in jüngster Zeit von einschlägigen Fachleuten erfahren. Schließlich sei die Vogelgrippe tatsächlich eine Vogelgrippe, weil sie Vögel befällt und unter diesen übertragen wird. Dass der eine oder andere Mensch bei gar zu innigem Kontakt zu seinem Federvieh an ebendieser Vogelgrippe erkrankte, ändert an der Richtigkeit des Namens nichts.

Anders bei der Schweinegrippe bzw. der Krankheit, die (noch) so genannt wird. Diese ist genau betrachtet keine Schweinegrippe. Eine solche existiert auch, kommt in vielen Schweinebeständen vor und verschwindet wieder. Nur wenige Schweine sterben daran.

„Unsere“ Schweinegrippe hingegen wird von Mensch zu Mensch übertragen. Beim Erreger handelt es sich um ein Influenza-A-Virus vom Subtyp H1N1, der Gensequenzen von viererlei Herkunft enthält: Erstens vom nordamerikanischen Schweininfluenza-Virus, zweitens von einem gleichfalls nordamerikanischen Vogelinfluenzavirus, drittens von einem eurasischen Schweineinfluenzavirus und viertens von einem menschlichen Influenzavirus. Auch wenn die WHO davon ausgeht, dass dieser virulente Cocktail in irgendeinem Schwein zusammengebraut wurde, ist er nun doch kein Schweinevirus mehr.

Hier und da taucht mittlerweile der in Deutschland verordnete Begriff „Neue Grippe“ auf. Guckst Du hier: http://www.news-adhoc.com/schweinegrippe-soll-kuenftig-als-neue-grippe-bezeichnet-werden-idna2009042929322/ und http://www.welt.de/wissenschaft/medizin/article3634620/Der-Begriff-Schweinegrippe-fuehrt-in-die-Irre.html und http://www.rki.de/cln_161/nn_1509674/SharedDocs/FAQ/Schweineinfluenza/FAQ01.html
Nun ist die „Neue Grippe“ aber gar nicht so neu. Schließlich trat eben diese Infektion mit exakt diesem Virustyp bereits 1976 in den USA auf, genauer gesagt in New Jersey. Dort waren mehrere Soldaten betroffen, vier erkrankten an Lungenentzündung, einer starb. Mag sein, dass die „Neue Grippe“ damals neu gewesen ist, heute ist sie es nicht mehr. Man sollte mit dem Wort „neu“ in Namen vorsichtig sein, schließlich sind auch die zahlreichen deutschen Kommunen namens „Neustadt“ längst in die Jahre gekommen. Und erst Neapel ...

Wie wär’s mit Mexiko-Grippe? Die „Welt“ gebraucht diesen Namen (guckst Du hier: http://www.welt.de/die-welt/article3646441/So-schuetzen-Sie-sich-vor-der-Mexiko-Grippe.html ), aber was ist, wenn sich herausstellt, dass die Mexiko-Grippe in den USA doch zuerst auftrat? Alternativ wird inzwischen auch von Nordamerikanischer Grippe gesprochen. Das erinnert ein wenig an die Zeiten, als Syphilis noch eine richtig todsichere Krankheit war. Damals nannte man die in Europa gern nach den Nachbarn: Die Deutschen sprachen von der „Französischen Krankheit“, die Franzosen von der englischen usw.

Besonders amüsant finde ich allerdings, wer sich so alles für eine Umbenennung der Was-auch-immer-Influenza einsetzt. Bei Virologen und anderen Fachleuten ist es nur logisch, dass sie das ungeliebte Kind beim korrekten Namen genannt wissen wollen. Und so sprechen sich die Weltorganisation für Tiergesundheit, das Friedrich-Löffler-Institut für Tiergesundheit und die WHO gegen die Schweinegrippe aus. Einverstanden.
In diesen Chor stimmen übrigens auch die EU-Kommission und der Bauernverband ein, die ein Negativ-Image fürs Schweinefleisch befürchten. Der Deutsche Fleischer-Verband stößt noch nicht in dieses Horn, aber das kommt noch. Die Fleischhauer sind keine Schnellmerker, aber spätestens wenn die Umsätze einbrechen, gibt’s Gejaule. Und einbrechen werden die Fleischumsätze, denn all die Deppen, die vor zwei, drei Jahren kein Rindfleisch mehr aßen, werden nun das Schweinefleisch verteufeln. Mal wieder.
Apropos verteufeln: Auch aus der religiösen Ecke wird Kritik an der „Schweinegrippe“ laut. Sowohl Moslems als auch Juden sehen das Schwein als unreines Tier. Nicht auszudenken, wenn Angehörige dieser Religionen an Schweinegrippe erkrankten ... Guckst Du hier: http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5i4yU95sJT8_hNsnmlG_dkKHXeJUg
Wenn die da unten sonst keine Probleme haben.

Also, ich bin ja eigentlich für Obama-Grippe. Nicht, dass der Präsident damit etwas zu tun hätte ... aber irgendwie haben sich die klitzekleinen Gensequenzen in diesen H1Nsonstwas-Dingern doch den Slogan Obamas zu eigen gemacht: „Yes, we can ... jetzt auch von Mensch zu Mensch überspringen ...“

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