Dienstag, 6. Mai 2014
RB Leipzig steigt auf. Oder: Neues von meiner Lokalpostille
Der viel zu früh verstummte Rio Reiser sang gelegentlich übers Geld und verkündete „man kann alles außer Liebe dafür kaufen". Doch der alternative Barde irrte. Meine Lokalpostille trat gestern mal wieder den Beweis dafür an, dass man für Geld sehr wohl Liebe, und sei sie auch nur vorgetäuscht, kaufen kann.
Dass meine Lokalpostille, die irgendwann dem Qualitätsjournalismus begegnete "Leipziger Volkszeitung", ein sehr inniges Verhältnis zum finanziell potenten Brause-Club "RB Leipzig" pflegt, ist unter den Lesern der LVZ kein Geheimnis. Und wenn den Rasenballern ein noch so laues Fürzchen entfleucht, wurde und wird es im Blatt so lange hin- und hergefächelt, bis es die Spalten füllt.
Um nicht missverstanden zu werden: Ich hege keinerlei Groll gegen die Rasenballer; ich finde es sogar gut, dass ein Brause-Tycoon gerade meine Heimatstadt Leipzig für sein strategisches Investment in einen Retortenverein auserkoren hat. Längst hatte ich es aufgegeben, im Stänkern, Sticheln und immer-mal-wieder-Pleitegehen der alteingesessenen Leipziger Rasenkomiker noch irgendeinen Sinn zu suchen. Und Red Bull bringt Geld in die Stadt, das (im Unterschied zu DHL) nicht mit Nachtflugterror erkauft wird.

Apropos Geld: Weil Geld eben doch Tore schießt, hat RB Leipzig am vergangenen Wochenende den Aufstieg in die 2. Bundesliga komplett gemacht. Glückwunsch! Dass meine Lokalpostille diesem Ereignis den zustehenden Raum im Blatt widmen würde, war klar und angebracht.
Dass die Unbestechlichen aus dem Haus an der Klagemauer jedoch so auf die journalistische Kacke hauen und den Pressekodex http://www.presserat.de/pressekodex/pressekodex/ (Guckst Du Ziffer 7) gleich in Brause ersäufen, hat mich dann doch überrascht.
Okay, die Titelseite war zu drei Vierteln den Roten Bullen gewidmet, Sportchef Winfried Wächter verfasste gar einen herzigen Leitartikel unter dem Motto "Das Bekenntnis von Leipzig". Dazu erschien in Verantwortung des Chefredakteurs, Jan Emendörfer, eine 48 halbnordische Seiten umfassende Beilage "Glückwunsch zum Aufstieg". Diese könnte durchaus Anlass für ein paar Beschwerden beim Presserat geben, denn entgegen sonstiger Gepflogenheiten im Haus an der Klagemauer handelt es sich ausdrücklich nicht um eine "Verlagsbeilage", also kein Anzeigenverkaufsprodukt ... sondern irgendwie etwas redaktionell verbrämtes mit Anspruch. Wo? Den mögen die LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches selbst suchen ...
Aber zurück zur Lokalpostille. Im ersten Buch der eigentlichen Qual-itätszeitung, auf den Seiten 2 und 3, wird "Der gerade Weg zum Aufstieg" gelobhudelt. Auch der Lokalteil verschließt sich der innigen Zuneigung zum Brauseverein nicht und meldet in einer Nicht-Meldung auf Seite 1, dass das erwartete Verkehrs-Chaos rund ums RB-Spiel nicht stattgefunden hat.
Da sieht es ja beinahe nach einer Unterlassungssünde aus, dass der Sportteil dem Fußballspiel "nur" eine Seite gewidmet hat. Und dass der Kulturteil samt Leserbrief- und "Medien"-Seite RB-frei geblieben ist, wird sicher Konsequenzen für die Verantwortlichen nach sich ziehen. Ließ sich denn kein Kulturschaffender finden, der dem Aufstieg am Sonntag spontan ein redaktionsschlussfreundliches Happening gewidmet hat? Und zumindest ein, zwei gefakte Leserbriefe hätten es sein dürfen ...
PS.: Ob die Zahl der Abo-Kündigungen in dieser Woche wohl höher als normal liegt? Es soll in Leipzig ja auch Fans anderer Fußballvereine geben ...

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