Freitag, 7. September 2007
Alles Schlapphut, oder ...?
Drei mutmaßliche Terroristen wurden festgenommen. Dass damit eine Reihe wahrscheinlich geplanter Anschläge verhindert werden konnte, ist erfreulich. Allerdings provoziert die (bisher durchaus widersprüchliche) Berichterstattung über diesen Vorgang eine Reihe von Fragen zur möglichen Rolle der Geheimdienste in dieser Angelegenheit.

Drei Personen, die seit Monaten unter Beobachtung standen, haben frei verkäufliche Zutaten für die Herstellung von Sprengstoff zusammen getragen und sollen kurz davor gestanden haben, daraus eine teuflische Mischung herzustellen. Soweit, soklar? Keinesfalls, zu viele Fragen bleiben offen.

1. lässt der Hinweis auf das in großen Mengen beschaffte Wasserstoffperoxid vermuten, dass entweder HMTD oder APEX produziert werden sollten. Die dazu benötigten „weiteren Zutaten“ sind gleichfalls frei erhältlich. Bei beiden Substanzen gelten als sehr brisante, aber tückische Sprengstoffe. Bei ihrer Herstellung besteht die Gefahr, dass selbst kleinere Ansätze außer Kontrolle geraten und explodieren. Die Verarbeitung von mehr als einer halben Tonne Wasserstoffperoxid ist ein anspruchsvolles Unterfangen, das nicht mit dem Kochen von Marmelade am Küchentisch einer Ferienwohnung zu vergleichen ist. Auch Lagerung und Transport der fertigen Sprengstoffe sind riskant. Zudem sind die Zutaten relativ teuer. Weshalb sollten potenzielle Terroristen, die in ein internationales Netzwerk eingebunden sind, sich auf solche Schwierigkeiten einlassen?
2. hatte das von den mutmaßlichen Terroristen erworbene Wasserstoffperoxid laut Medienberichten eine Konzentration von 35 Prozent und wurde im Zuge der Ermittlungen gegen eine 5-prozentige Lösung ausgetauscht. Das ist löblich, denn unter acht Prozent ist die Flüssigkeit zur Sprengstoffherstellung nicht mehr zu gebrauchen. Allerdings kann jede Friseuse und auch jeder Chemielaborant die eine von der anderen Lösung unterscheiden. Sollte das nicht auch den in einem Ausbildungslager geschulten, mutmaßlichen Terroristen möglich gewesen sein? Zumindest wäre ihnen beim ersten Ansatz zur Sprengstoffherstellung aufgefallen, dass da etwas nicht stimmen kann. Folglich können die drei Festgenommenen noch nicht so weit gewesen sein. Oder sie waren wirklich blauäugig. Wie sie dann auf TMTD bzw. APEX gekommen sind, ist unklar.
3. sind Sprengstoffe auf Basis von Stickstoffdünger und Öl (ANFO: Ammonium-Nitrate Fuel Oil) leicht und billig herstellbar und einfach zu handhaben. ANFO wird kommerziell genutzt, ist jedoch auch bei einer Vielzahl von terroristischen Aktivitäten verwendet worden. So genannte Fertilizer-Bombs nutzten u.a. der Oklahoma-Bomber und die IRA. Lt. Angaben der Ermittlungsbehörden wurden bei den drei mutmaßlichen Terroristen auch Sprengkapseln gefunden, sodass die Zündung eines ANFO-Gemisches kein Problem dargestellt hätte.
4. drängt sich mir die Frage auf, woher ALG-II-Empfänger das Geld für Ferienhaus, bundesweiten Einkauf von Chemikalien etc. haben. Hier muss es Unterstützer geben. Aber: Wenn es im Rahmen eines Netzwerkes solche Helfer gibt, warum haben diese die mutmaßlichen Terroristen dann nicht auf eine praktikablere Lösung hingewiesen? Oder stammten die Unterstützer aus ganz anderen Kreisen und hatten Interesse an der Inszenierung einer medienwirksamen Festnahme?
5. gibt mir das perfekte zeitliche Zusammentreffen von behördlichem Zugriff und aktueller Diskussion um Online-Durchsuchungen - gelinde gesagt - sehr zu denken. Hier drängt sich die Frage auf, inwieweit V-Leute in die Aktion eingebunden waren und ob diese Einfluss auf die Tätigkeit der drei mutmaßlichen Terroristen genommen haben? Das Leben steckt voller Zufälle, aber dass just in dem Moment, da der Innenminister mit dem Waffenrecht baden gegangen ist und in puncto Bundestrojaner Gegenwind vom Koalitionspartner bekommt, drei Chemie-Alis gefangen werden, scheint mir doch kein Zufall zu sein.
6. sollte kein Leser meiner Zeilen die oben gemachten Angaben zu Sprengstoffen in irgendeiner Weise "als Aufforderung zum Tanz" verstehen. Die genannten Zutaten sind zwar frei erhältlich, von ihrer Verwendung zur Herstellung von Sprengstoffen wird jedoch ausdrücklich abgeraten.
Insbesondere sollte der Hinweis auf ANFO nicht dahingehend missverstanden werden, eventuelle Probleme im privaten, beruflichen oder behördlichen Umfeld durch zweckentfremdeten Einsatz von Ammoniumdünger und Diesel zu lösen.
Der Umgang mit dem Zeugs ist gefährlich, nicht jeder hat das Glück, dass Onkel Schlapphut sich nachts in den Hobbykeller schleicht und den Mist entschärft. *g*

Der Zeitungsdieb

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