Donnerstag, 4. März 2010
Leipziger Kommunaldebakel. Oder: Städtische Juristen ohne Fortune
Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand, so besagt es zumindest ein Sprichwort, das gern gebraucht wird, um die Unwägbarkeiten deutlich zu machen, denen man bei Juristerei und Seefahrt ausgesetzt sein kann. Wobei – der liebe Gott scheint gute und schlechte Hände zu haben, denn es gibt erfolgreiche und – gelinde gesagt – weniger erfolgreiche Juristen.
Auf letztere übt die Leipziger Stadtverwaltung eine geradezu magische Anziehungskraft aus. Zu diesem Schluss gelangt, wer sich die (Miss-)erfolgsbilanz der städtischen Rechtsverdreher anschaut. Vor allem dann, wenn die Jurisprudenz vor den Karren der kommunalen Politik gespannt wird und etwas durchsetzen soll, das weit entfernt von Realität und gesundem Menschenverstand ist, geht’s mit schöner Regelmäßigkeit in die Hose. Was so natürlich für das generelle Funktionieren des Rechtssystems spricht – des deutschen, nicht des Leipzigers.
Beispiel gefällig? Da gab es einst einen Rechtstreit um ein großes Saunaprojekt am Kulkwitzer See, der sich über rund 15 Jahre hinzog. Allen vorherigen Aussagen doppelnahmentragender städtischer RechtsgelehrterInnen zum Trotz wurde Leipzig zur Zahlung von 3,8 Millionen Euro verdonnert. Nachzulesen u.a. hier http://www.leipzig-fernsehen.de/default.aspx?ID=5846&showNews=337247&showArchiv=1&aktMonat=1&aktJahr=2009&aktWoche=3
Dieses Misserfolgsprinzip zieht sich wie ein roter Faden durch die kommunale Juristerei. Erst vor wenigen Tagen wurde der ehemalige Leipziger Sportbürgermeister Holger Tschense vom Vorwurf der Untreue freigesprochen, nachzulesen hier http://nachrichten.lvz-online.de/leipzig/citynews/ex-sportbuergermeister-holger-tschense-freigesprochen/r-citynews-a-19773.html Über Jahre hinweg waren die Stadtvokaten dem politischen Auftrag nachgekommen, dem einstigen Olympiamacher und Sportorganisator juristisch ans Bein zu pinkeln. Fazit: Freispruch erster Klasse für Holger Tschense, Klatsche fürs Rathaus und viel Geld verbrannt.
Ihr jüngstes Rechtsdebakel durften die kommunalen Juristen in dieser Woche beim Streit mit der zu Leipzig gehörenden Ortschaft Böhlitz-Ehrenberg erleben. Einst versprochen, schnell gebrochen – unter diesem Motto waren Böhlitz-Ehrenberg vor dessen Eingemeindung nach Leipzig zusagen für den Bestand der örtlichen Schulen gemacht worden, die Leipzig nun kippen wollte. Fazit: Klatsche für Leipzig, die Zusagen müssen eingehalten werden.
Nun mag sich der eine oder andere Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches fragen, warum ich der Misserfolgsquote irgendwelcher Juristen einen Text widme. Ganz einfach: Die Stadt Leipzig rutscht gerade wieder in einen sehr schönen, sehr teuren und sehr riskanten Rechtsstreit hinein. Es geht um Finanzgeschäfte, die Manager der Kommunalen Wasserwerke Leipzig eingegangen sind. Diese geplatzten Deals können die Stadt in den nächsten Jahren mit mehreren hundert Millionen Euro belasten. Es geht darum, ob Geschäftsführer mit oder ohne Wissen der Stadtoberen oder gar in deren Auftrag gehandelt haben und darum, wer an wen wann wie viel zahlen muss. Guckst Du hier: http://nachrichten.lvz-online.de/leipzig/citynews/rechtsstreit-um-londoner-geheimgeschaefte-der-leipziger-wasserwerke-spitzt-sich-zu/r-citynews-a-19577.html
Allein die Honorare der bereits beteiligten und noch zu beteiligenden Anwälte – endlich haben die Kommunaljuristen eingeräumt, nicht wirklich durchzublicken – dürften eine Höhe erreichen, die die Summe der bisher angerichteten Schäden deutlich übersteigen.
Zweierlei gibt mir in diesem Zusammenhang zu denken: Zum einen kann man beim bisherigen juristischen Agieren der Stadtoberen in den vergangenen beiden Jahrzehnten nicht wirklich von einer Glückssträhne sprechen. Wenn sich das fortsetzt, ...
Zum anderen – und hier bin ich wirklich gespannt – hat mich meine bescheidene Lebenserfahrung gelehrt, dass bei der juristischen Aufarbeitung verzwickter Geschichten mitunter seltsame Dinge ans Tageslicht kommen. Dass Manager Mist bauen und auch mal eine Investition in den Sand setzen, kommt vor. Dass sich jedoch ein kühler Logiker und Zahlenmensch wie der geschasste, zum Oberbösewicht und Staatsfeind Nummer 1 erklärte Klaus Heininger aus lauter Dumdideldei auf riskanteste Geschäfte einlässt, erscheint mir unwahrscheinlich.
Da ich ein wenig um die Verflechtungen und finanziellen Abhängigkeiten in der Stadt Leipzig und ihrem „Kommunalen Kombinatsunwesen“ weiß, bin ich sehr optimistisch, dass im weiteren Gang des Verfahrens noch einige sehr nette Details ans Tageslicht kommen und einige Verantwortliche der Stadt nicht "jung", sondern „alt“ aussehen werden - und vielleicht fällt der eine oder andere statt in flaches Wasser in einen "tiefen See".

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