Donnerstag, 25. Februar 2010
Käßmann Rücktritt nach lässlicher Sünde. Oder: Einem Politiker wäre das nicht passiert.
Zugegeben, bisher hatte ich für Margot Käßmann nicht wirklich viel übrig. Das mag daran liegen, dass ich ihren Glauben nicht teile. Mit mir unverständlichen Lehrsätzen und Überzeugungen habe ich nun mal Probleme. Das fing an, als ich im DDR-Fach Staatsbürgerkunde Dinge, die mit normalem Verstand nicht zu verstehen waren, glauben sollte. Und wenn Margot Käßmann in ihrer Weihnachtspredigt 2009 sagte „Alles ist aufgehoben bei Gott. Ich kann darauf vertrauen, dass ich nie tiefer fallen werde als in Gottes Hand“, so erinnert mich das verteufelt an das einstige Fach Staatsbürgerkunde. Wie viele Hände hat der Typ eigentlich. Und was, wann Gott seine Hand gerade nutzt, um sich am Hintern zu jucken?
Dann war da noch die Sache mit der Nicht-Umnutzung unnützer, weil nicht benötigter Kirchen zu Moscheen. Und die Käßmannschen Sprüchen zum deutschen Engagement in Afghanistan. Langer Rede kurzer Sinn: Die Frau war nicht mein Fall.
Doch seit gestern habe ich Respekt vor ihr, großen Respekt. Sie ist von ihren Ämtern als Bischöfin und Chefin der EKD zurückgetreten. Wegen einer Alkoholfahrt mit 1,54 Promille, die nach dem Überfahren einer roten Ampel polizeilich gestoppt wurde. Sicher, das ist kein Kavaliersdelikt, denn für soviel Dampf auf dem Kessel muss man schon ordentlich auflegen. Ein Liter Wein plus/minus eine ordentlich Tasse dürfte da – je nach Trinkgeschwindigkeit – schon durch den bischöflichen Hals gestrudelt sein. Das macht die Bischöfin fast schon sympathisch, denn mal einen über den Durst ... das ist doch eine lässliche Sünde, das kennt man doch. Oder zumindest beinahe.
Aber ein Rücktritt von fast allen Ämtern, um selbige nicht zu beschädigen – das hat Größe, das verdient Respekt. Die Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches mögen sich an dieser Stelle vorstellen, dieses Malheur hätte einen unserer politischen Leistungsträger ereilt. Was wäre, wenn einer der parlamentarischen Hinterbankschnarcher aus dem deutschen Bundestag kurz nach Karnevalsende ordentlich bedröhnt gefischt worden wäre? Nüscht! Er/sie hätte über „einmalige Verfehlung“ geschwafelt, hätte Worthülsen abgesondert in der Art „Bürgernähe, da muss man auch mal ...“. Oder was wäre passiert, wenn ein Minister womöglich ... Oder gar ein Ministerpräsident ...
Viel heiße Luft wäre abgesondert worden, von „Verpflichtung den Wählerinnen und Wählern gegenüber“ hätte das tumbe Wahlvolk lesen dürfen, aber Rücktritt? Nö. Arschbacken zusammen, an den Sessel geklammert und weiter im Text – so werden solche Probleme in der Politik gelöst. Hatten wir ja alles schon, mit und ohne Ski-Unfall.
Dass sie genau das nicht getan und die Konsequenzen aus einem Fehlverhalten gezogen hat, um ihr Amt nicht in Misskredit zu bringen, macht mir Margot Käßmann regelrecht sympathisch.

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