Sonntag, 15. Juni 2008
Sind wir nicht alle ein wenig Irland?
Viele Kommentatoren sprachen am 13. Juni 2008 angesichts des irischen Nein zum EU-Reformvertrag von einem "Schwarzen Freitag für Europa". Dabei ist der namensgebende Freitag, den man landläufig als Beginn der 1929er Weltwirtschaftskrise ansieht, gar kein Freitag gewesen. Der Dow Jones Industrial Average war bereits am Mittwoch kräftig gefallen, am Donnerstag, dem 24. Oktober 1929, rutschte er nochmals ab, während er am Freitag wieder zulegte. Wer die Zeitzonen berücksichtigt, kann sich leicht ausrechnen, warum man in Deutschland dennoch vom Schwarzen Freitag redet.
Und auch das irische Nein hat nichts mit einem schwarzen Freitag zu tun. Schließlich wurde bereits am Donnerstag gewählt, am Freitag nur noch ausgezählt.
Und: Ist das Ergebnis wirklich "schwarz"? Ich finde es gut, dass die Bevölkerung eines Landes sich mehrheitlich gegen all das EU-Geschrumpse entschieden hat. All die Politprofiteure wissen nur zu genau, warum sie ihren Untertanen das Recht auf freie Entscheidung vorenthalten haben.
Sicher, ein Fleischer wird sich über sein Leberwurstrezept nicht mit den zum Schlachten bestimmten Schweinen unterhalten ... Aber sollten so wichtige Dinge wie ein EU-Vertrag nicht wirklich von den Menschen, die es angeht, abgesegnet werden?
Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich bin gegen eine Inflation von Volksentscheiden, gegen Plebiszite, die sich mit allem Krimskrams beschäftigen und die Tagespolitik lahmlegen.
Aber bei grundlegenden Fragen sollte man "das Volk" an die Wahlurne bitten. Auch auf die Gefahr hin, dass ein Projekt wie der EU-Reformvertrag platzt. Was nach meiner Auffassung durchaus ein Gewinn wäre, denn mir hat noch niemand wirklich schlüssig erklären können, wozu die EU eigentlich gebraucht wird.
Pure Größe war zu einer Zeit wichtig, als man seine Macht noch nach der Anzahl der erzeugten Tonnen Walzstahl und der Menge der kampfbereiten Panzer maß. In einer immer heftiger pulsierenden Welt zählt nicht die Größe eines Reiches, sondern die Fähigkeit, sich schneller als andere auf neue Gegebenheiten einzustellen.
Ein "dicker Tanker" namens EU, die in Wahrheit nichts anderes ist als ein gleichgeschaltetes Staatenkonglomerat und eine bürokratischer Tumor, hat da allemal schlechtere Karten als überschaubare, effizient agierende Nationalstaaten.
Sollte ich mir jemals eine Fahne ans Auto hängen, wird es wohl die irische sein. In ganz Europa herrschen die Brüsseler Horden. In ganz Europa? Nein, ein kleines Inselrreich hat ihnen widerstanden. Schade nur, dass das nicht von Dauer sein wird.

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