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Sonntag, 17. Februar 2008
Liechtenstein, Zumwinkel, 5 Mio Euro, eine CD und eine Inszenierung. Oder: Judaslohn für Steuerdenunzianten?
zeitungsdieb, 18:40h
Die Nachricht über die Festnahme von Postchef Klaus Zumwinkel erreichte mich in Stuttgart während einer Besprechungspause im Hause eines Kunden. Mein erster Gedanke war: Welcher Zumwinkel? Etwa der von der Post? Kann der so dumm gewesen sein ...? Hat der das nötig?
Erst nach meiner freitäglichen Rückkehr ins heimische Büro hatte ich Gelegenheit, mich etwas näher mit dem Thema zu beschäftigen. Häme oder gar Empörung verspüre ich allerdings auch heute nicht. Weit entfernt bin ich davon, ins allgemeine Geschrei über die maßlosen, abgehobenen Manager und die Verwahrlosung von Deutschlands vermeintlichen Eliten einzustimmen.
Wer darüber anders denkt, sollte sich selbst einige Fragen über sein Verhalten als Steuerzahler stellen. Und wer frei von Fehl ist, wer noch nie bei Reisekostenabrechnungen, Spesen, Arbeitszimmer, km-Pauschale, Zweitwohnung, Sonderaufwendungen, Werbungspauschalen und alle den anderen Verlockungen schwach geworfen ist, der werfe den ersten Stein. Aber Vorsicht, dass es nicht zu sehr im Glashaus scheppert.
Was mich indes sehr beeindruckt hat, ist die Eleganz, mit der die Steuerfahnder ihren großen Coup inszeniert haben. In diesem Zusammenhang kann man von einem Gesamtkunstwerk reden, das denen eines André Heller in nichts nachsteht.
Erstens: Man leistete sich für den Auftakt einen Paukenschlag. Man schoss zum Auftakt nicht irgendeinen deutschen Leistungsträger aus der zweiten Reihe ab, sondern erlegte einen Topmanager mit Saubermannimage, der noch dazu einem Bundesunternehmen vorsteht. Noch spektakulärer wäre es nur gewesen, hätten die Autos mit den Umzugskartons vor der Dienstvilla des Bundespräsidenten geparkt ...
Zweitens: Der Zeitpunkt war perfekt gewählt. Nicht zu früh am Tag, denn die zufällig anwesenden Fernsehkameras sollten gute Bilder liefern. Wer glaubt schon die Mär von der undichten Stelle, die den TV-Hyänen einen Tipp gegeben hat. Jeder Terrorist weiß, dass ein Anschlag über den Bildschirm flimmern muss, soll er auch Schrecken verbreiten.
Drittens: In ihrer Genialität geradezu unglaublich ist die Auswahl von Datum und Wochentag. Schon der Valentinstag spricht für unmöglich geglaubte Poesie in deutschen Amtsstuben. Den Erstschlag gegen die Steuerbösewicht Zumwinkel an einem Donnerstag zu führen, bringt aber auch handfeste psychologische Vorteile: Zugriff am Donnerstag, großes Medieninteresse, am Freitag sind die Zeitungen voll. Viele deutsche Leistungsträger nehmen ihr schlechtes Gewissen nun mit ins Wochenende oder pflegen es aus der Ferne beim Ski-Urlaub. Allenfalls ein Handytelefonat mit dem Steuerberater oder einem hoffentlich nicht ins Lager des Feindes übergelaufenen Treuhänder ist möglich. Was erfährt der schlotternde Sünder dabei? Niemand wird ihm verraten, ob auch seine Sparmodelle von den Informationen aus der „geknackten Bank“ betroffen sind, aber eine Selbstanzeige könne das Schlimmste verhindern …
Und so schmort der mehr oder minder prominente Leistungsträger auf kleiner Flamme durchs Wochenende. Immer und immer wieder erklingt bei Fernseh- und Rundfunkinterviews das Wort „Selbstanzeige“.
Viertens: Die Informationspolitik ist preiswürdig. Die ansonsten eher als verschlossen geltenden Steuerfahnder lassen es menscheln und informieren über modische Vorlieben („meist schwarz gekleidet“) und berufliche Arbeitsweise („lässt gern festnehmen und schmoren, nach zwei Stunden werden die meisten weich“) von Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen, der zentralen Ermittlerin. Das erinnert ein wenig an Mafia-Filme, in denen sich der Pate dafür entschuldigt, dass er einen Delinquenten kurz mit Lucca im Raum allein lassen muss. „Nimm’s nicht persönlich“, raunt der Pate dann. „Aber Lucca ist ein wenig jähzornig und er bricht gern Finger. Aber er meint es wirklich nicht böse ...“
Fünftens: Wird es am morgigen Montag bei der Steuerfahndung hoch hergehen. Wahrscheinlich musste für die Aufnahme von Selbstanzeigen ein rumänisches Call-Center beauftragt werden, um den Ansturm zu bewältigen. Bei der Direktannahme wird wohl ein Fahnder Nummern verteilen ...
Was mir an der ganzen Geschichte zu denken gibt, ist hingegen ein anderer Fakt. Wie die Welt am Sonntag heute meldete, zahlte der Bund auf dem Umweg über den Bundesnachrichtendienst 5 Millionen Euro für die Denunziantendatei. Auf der Datei seien, so die WamS, Steuerdaten von „über 1.000“ Cleverles gewesen. Je nach Quelle wird mit Steuernachzahlungen von etwa 3 Milliarden Euro gerechnet.
Schluck. Das ist eine Menge Holz. Aber denken wir die Geschichte mal anders. Wohl selten hat der Bund eine so gewinnbringende Investition getätigt. Fünf Millionen spülen demnächst drei Milliarden ins Bermudadreieck des Staatshaushaltes. Das macht eine Quote von 1:600.
Das wirft eine moralische Frage auf: Natürlich schreien so ziemlich alle braven Bürger „Hurra“, weil es gelungen ist, reiche Missetäter dingfest zu machen und ihnen ihr Liebstes zu entreißen. Da applaudiert der Stino-Deutsche doch sogar einem Denunzianten, der laut Heinrich Hoffmann von Fallersleben „Der schlimmst Lump im ganzen Land“ ist (Pikant: Von Fallersleben ist übrigens der Mann, der den Text fürs „Lied der Deutschen“, allgemein bekannt als aktuelle Nationalhymne, geliefert hat.).
Ganz gleich, ob Rache oder späte Reue, wer deutsche Leistungsträger ans fiskalische Messer liefert, ist ein Held. Meint zumindest die Blöd-Zeitung. Dass er dafür 5 Millionen Öcken (steuerfrei?) genommen hat, ist zwar nicht fein, aber verständlich.
Wie sieht’s aber mit dem Denunzianten aus, der einen mittelständischen Unternehmen zum Abschuss frei gibt, dessen Schlachtung dem Finanzminister sechs Millionen Euro bringt. Dafür wären gemäß der Quote 1:600 immerhin 10.000 Euro auf die gierige Kralle zahlbar.
Und was ist mit dem Fiesling, der seinen ungeliebten Nachbarn für 600.000 hinterzogene Euro aus Börsengeschäften über die Klinge springen lassen will – stehen dem dann 1.000 Euro zu? Und wie sieht’s mit der rachsüchtigen Geliebten aus, die ihrem nun doch nicht zur Scheidung bereiten Galan das Leben zur Hölle machen will und diesen dafür bei der Steuerfahndung anzeigt? Schließlich war das gemeinsame Liebesnest doch eigentlich als betriebliche Immobilie deklariert – na, und die 1.000 Euro Judaslohn nimmt die clevere Dame nun auch noch mit?
Die Leser meines kleinen Tagebuches fragen sich nun wahrscheinlich, weshalb ich mich über diese moralischen Dinge solchermaßen echauffiere. Ganz einfach: Ein Staat sollte aus meiner Sicht zwei Dinge nicht tun – er sollte sich nicht erpressen lassen und er sollte kein Kopfgeld zahlen. Wer sich erpressen lässt, macht sich erpressbar und wird nach einer Zahlung bald die nächste leisten (müssen). Und wer Kopfgeld zahlt, macht sich gemein mit Denunzianten, Spitzeln, Mördern und anderen Kriminellen.
Erst nach meiner freitäglichen Rückkehr ins heimische Büro hatte ich Gelegenheit, mich etwas näher mit dem Thema zu beschäftigen. Häme oder gar Empörung verspüre ich allerdings auch heute nicht. Weit entfernt bin ich davon, ins allgemeine Geschrei über die maßlosen, abgehobenen Manager und die Verwahrlosung von Deutschlands vermeintlichen Eliten einzustimmen.
Wer darüber anders denkt, sollte sich selbst einige Fragen über sein Verhalten als Steuerzahler stellen. Und wer frei von Fehl ist, wer noch nie bei Reisekostenabrechnungen, Spesen, Arbeitszimmer, km-Pauschale, Zweitwohnung, Sonderaufwendungen, Werbungspauschalen und alle den anderen Verlockungen schwach geworfen ist, der werfe den ersten Stein. Aber Vorsicht, dass es nicht zu sehr im Glashaus scheppert.
Was mich indes sehr beeindruckt hat, ist die Eleganz, mit der die Steuerfahnder ihren großen Coup inszeniert haben. In diesem Zusammenhang kann man von einem Gesamtkunstwerk reden, das denen eines André Heller in nichts nachsteht.
Erstens: Man leistete sich für den Auftakt einen Paukenschlag. Man schoss zum Auftakt nicht irgendeinen deutschen Leistungsträger aus der zweiten Reihe ab, sondern erlegte einen Topmanager mit Saubermannimage, der noch dazu einem Bundesunternehmen vorsteht. Noch spektakulärer wäre es nur gewesen, hätten die Autos mit den Umzugskartons vor der Dienstvilla des Bundespräsidenten geparkt ...
Zweitens: Der Zeitpunkt war perfekt gewählt. Nicht zu früh am Tag, denn die zufällig anwesenden Fernsehkameras sollten gute Bilder liefern. Wer glaubt schon die Mär von der undichten Stelle, die den TV-Hyänen einen Tipp gegeben hat. Jeder Terrorist weiß, dass ein Anschlag über den Bildschirm flimmern muss, soll er auch Schrecken verbreiten.
Drittens: In ihrer Genialität geradezu unglaublich ist die Auswahl von Datum und Wochentag. Schon der Valentinstag spricht für unmöglich geglaubte Poesie in deutschen Amtsstuben. Den Erstschlag gegen die Steuerbösewicht Zumwinkel an einem Donnerstag zu führen, bringt aber auch handfeste psychologische Vorteile: Zugriff am Donnerstag, großes Medieninteresse, am Freitag sind die Zeitungen voll. Viele deutsche Leistungsträger nehmen ihr schlechtes Gewissen nun mit ins Wochenende oder pflegen es aus der Ferne beim Ski-Urlaub. Allenfalls ein Handytelefonat mit dem Steuerberater oder einem hoffentlich nicht ins Lager des Feindes übergelaufenen Treuhänder ist möglich. Was erfährt der schlotternde Sünder dabei? Niemand wird ihm verraten, ob auch seine Sparmodelle von den Informationen aus der „geknackten Bank“ betroffen sind, aber eine Selbstanzeige könne das Schlimmste verhindern …
Und so schmort der mehr oder minder prominente Leistungsträger auf kleiner Flamme durchs Wochenende. Immer und immer wieder erklingt bei Fernseh- und Rundfunkinterviews das Wort „Selbstanzeige“.
Viertens: Die Informationspolitik ist preiswürdig. Die ansonsten eher als verschlossen geltenden Steuerfahnder lassen es menscheln und informieren über modische Vorlieben („meist schwarz gekleidet“) und berufliche Arbeitsweise („lässt gern festnehmen und schmoren, nach zwei Stunden werden die meisten weich“) von Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen, der zentralen Ermittlerin. Das erinnert ein wenig an Mafia-Filme, in denen sich der Pate dafür entschuldigt, dass er einen Delinquenten kurz mit Lucca im Raum allein lassen muss. „Nimm’s nicht persönlich“, raunt der Pate dann. „Aber Lucca ist ein wenig jähzornig und er bricht gern Finger. Aber er meint es wirklich nicht böse ...“
Fünftens: Wird es am morgigen Montag bei der Steuerfahndung hoch hergehen. Wahrscheinlich musste für die Aufnahme von Selbstanzeigen ein rumänisches Call-Center beauftragt werden, um den Ansturm zu bewältigen. Bei der Direktannahme wird wohl ein Fahnder Nummern verteilen ...
Was mir an der ganzen Geschichte zu denken gibt, ist hingegen ein anderer Fakt. Wie die Welt am Sonntag heute meldete, zahlte der Bund auf dem Umweg über den Bundesnachrichtendienst 5 Millionen Euro für die Denunziantendatei. Auf der Datei seien, so die WamS, Steuerdaten von „über 1.000“ Cleverles gewesen. Je nach Quelle wird mit Steuernachzahlungen von etwa 3 Milliarden Euro gerechnet.
Schluck. Das ist eine Menge Holz. Aber denken wir die Geschichte mal anders. Wohl selten hat der Bund eine so gewinnbringende Investition getätigt. Fünf Millionen spülen demnächst drei Milliarden ins Bermudadreieck des Staatshaushaltes. Das macht eine Quote von 1:600.
Das wirft eine moralische Frage auf: Natürlich schreien so ziemlich alle braven Bürger „Hurra“, weil es gelungen ist, reiche Missetäter dingfest zu machen und ihnen ihr Liebstes zu entreißen. Da applaudiert der Stino-Deutsche doch sogar einem Denunzianten, der laut Heinrich Hoffmann von Fallersleben „Der schlimmst Lump im ganzen Land“ ist (Pikant: Von Fallersleben ist übrigens der Mann, der den Text fürs „Lied der Deutschen“, allgemein bekannt als aktuelle Nationalhymne, geliefert hat.).
Ganz gleich, ob Rache oder späte Reue, wer deutsche Leistungsträger ans fiskalische Messer liefert, ist ein Held. Meint zumindest die Blöd-Zeitung. Dass er dafür 5 Millionen Öcken (steuerfrei?) genommen hat, ist zwar nicht fein, aber verständlich.
Wie sieht’s aber mit dem Denunzianten aus, der einen mittelständischen Unternehmen zum Abschuss frei gibt, dessen Schlachtung dem Finanzminister sechs Millionen Euro bringt. Dafür wären gemäß der Quote 1:600 immerhin 10.000 Euro auf die gierige Kralle zahlbar.
Und was ist mit dem Fiesling, der seinen ungeliebten Nachbarn für 600.000 hinterzogene Euro aus Börsengeschäften über die Klinge springen lassen will – stehen dem dann 1.000 Euro zu? Und wie sieht’s mit der rachsüchtigen Geliebten aus, die ihrem nun doch nicht zur Scheidung bereiten Galan das Leben zur Hölle machen will und diesen dafür bei der Steuerfahndung anzeigt? Schließlich war das gemeinsame Liebesnest doch eigentlich als betriebliche Immobilie deklariert – na, und die 1.000 Euro Judaslohn nimmt die clevere Dame nun auch noch mit?
Die Leser meines kleinen Tagebuches fragen sich nun wahrscheinlich, weshalb ich mich über diese moralischen Dinge solchermaßen echauffiere. Ganz einfach: Ein Staat sollte aus meiner Sicht zwei Dinge nicht tun – er sollte sich nicht erpressen lassen und er sollte kein Kopfgeld zahlen. Wer sich erpressen lässt, macht sich erpressbar und wird nach einer Zahlung bald die nächste leisten (müssen). Und wer Kopfgeld zahlt, macht sich gemein mit Denunzianten, Spitzeln, Mördern und anderen Kriminellen.
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