Dienstag, 16. Juni 2009
Erfolglose Handydurchsuchung. Oder: Hin und wieder mal ein Blick ins Grundgesetz
Gegen alle Gewohnheit schreibe ich an den Beginn des Eintrages eine Warnung an die geneigte Leserschaft meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches: Die folgende Geschichte ist keine Erfindung, sondern am vergangenen Wochenende tatsächlich passiert. Nicht in China, Nordkorea oder dem Iran, sondern in Deutschland, genauer gesagt im Freistaat Sachsen, am Kulkwitzer See.
Dort herrschte lustiges Treiben am Strand. Der Spaß endete, als ein aufmerksamer Badegast auf einen anderen zeigte und diesem zur Last legte, per Handy anstößige Fotos aufgenommen zu haben. Ganz schnell fiel dabei auch das Killerwort Kinderpornographie.
Nun braucht man nicht viel Verstand um einzusehen, dass beim ganz normalen, braven Strandtreiben aufgenommene Fotos – selbst wenn es an textiler Bedeckung mangelt – weit von Pornographie entfernt sein sollten. Doch wenn das gesunde Volksempfinden in Aufruhr gerät, bleibt der Verstand zuerst auf der Strecke.
Die Polizei wurde gerufen, erschien und befragte den mutmaßlichen Missetäter. Bis zu dieser Stelle ein ganz normaler Vorgang. Dann allerdings wurde das dem Verdächtigen bereits abgenommene Handy von aufmerksamen Polizistenaugen an Ort und Stelle auf Fotos untersucht, die den erhobenen Vorwurf erhärten sollten. Eben diese Beweismittel fanden sich jedoch nicht, das Handy wurde dem nun nicht mehr Verdächtigen wieder ausgehändigt, der Mann durfte seiner Wege ziehen.

Nun liegt es mir fern, irgendwelche Schweinereien gutzuheißen, zu decken und potenzielle Kinderschänder in Schutz zu nehmen. Aber: Im konkreten Fall wurde geltendes Recht auf Gröbste missachtet. Dass ein Verdächtiger dingfest gemacht wird, ist – soweit dabei übermäßige Misshandlungen unterbleiben – ein Jedermannsrecht. Beweismittel sicherzustellen und vor möglicher Zerstörung zu bewahren, ist zwar sinnvoll, birgt aber bereits rechtliche Tücken. Denn wer kann garantieren, dass nicht einer der selbsternannten Asservatenhüter die Gelegenheit nutzt, Beweismittel zu manipulieren oder erst herzustellen?
Viel schlimmer ist allerdings der Umstand, dass – man verzeihe mir den respektlosen Ausdruck – irgendein Streifenhörnchen ohne richterliche Genehmigung mit dem Telefon eines Verdächtigen hantiert, es nach Fotos durchsucht und vorhandene Bilder auf mögliche strafrechtliche Relevanz sichtet.
All denen, die an dieser Stelle noch kein Problem sehen, sei ein Blick ins Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland empfohlen. Dort steht in Artikel 1 etwas zur Unantastbarkeit der Würde des Menschen (ich empfände die geschilderte Behandlung als unwürdig), in Artikel 10 etwas zum Thema Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Letzteres umfasst nicht nur den Inhalt, sondern auch die Daten von Gesprächen, selbst von nicht zustande gekommenen), außerdem ist ja die Privatsphäre auch irgendwie ein schützenswertes Gut – wo kämen wir hin, wenn eine Uniform ihren Träger berechtigte, des unbescholtenen Bürgers Fotoalben einzusehen.

Bleibt eine Frage offen: Was wäre, wenn der Verdächtigte das Handy freiwillig übergeben und die Untersuchung zum Zwecke des Unschuldsbeweises ausdrücklich genehmigt hätte? Dann wäre besagte Unschuldslamm eines der dümmsten Wesen unter der mitteldeutschen Sonne. Wer um seine Unschuld weiß, hat keinen Grund, vertrauliche Daten ohne richterlichen Beschluss auszuhändigen bzw. Unbefugten deren Sichtung zu erlauben.
Hat der Verdächtige hingegen Dreck am Stecken, sollte er gegen die Beschlagnahme protestieren, der Durchsuchung ausdrücklich widersprechen und sich bereits freuen, weil hier Beweismittel durch rechtswidrige Erlangung von Amts wegen wertlos gemacht wurden.
Dass solcherart Klatsche für die Uniformträger tatsächlich realistisch ist, beweist das hier zitierte Urteil: http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1380880/

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Reichsspatenstichminister auf Abwegen. Oder: Wolfgang auf Stimmenfang
Die Deutsche Presseagentur dpa meldet, dass Reichsspatenstichminister Wolfgang Tiefensee (SPD), zugleich auch Spitzenkandidat der schrumpfenden Genossenschar im Leipziger Bundestagswahlkampf, sich in den italienischen Abruzzen „ein Bild von den Folgen des verheerenden Erdbebens“ gemacht und „deutsche Hilfe zugesagt“ habe.
Apropos gesagt: Hat dem Bundesbaulächler eigentlich niemand gesagt, dass die Italiener bei der Wahl zum Deutschen Bundestag gar nicht mit wählen?

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