Montag, 11. Februar 2008
Eine alte Kaffeetasse - oder: Erinnerungen
In meinem Küchenschrank gibt es ein Fach für Espressotassen und eines für allerlei Kaffeepötte. In letzterem sammelt sich interessantes, aber auch wunderliches Gut: Da gibt es eine Rennsteigtasse (wirklich nicht schön, aber das muss ja auch nicht sein, es ist schließlich der Rennsteiglauf), eine Linkshändertasse (hundsgemein, wer sie mit der Rechten nutzt, begießt sich mit Tee bzw. Kaffee) und ein ziemlich durchschnittliches Trinkgefäß, dass seine Besonderheit lediglich aus einem Aufdruck mit dem Schriftzug "CompuServe" zieht.



Meiner Frau, die das Dickicht in unserer Küche und insbesondere in den diversen Schrankfächern gelegentlich lichtet (ich unterstütze sie dabei, in dem ich beim Espresso-Machen hin und wieder eine Tasse zertöppere), ist die CompuServe-Tasse ein Dorn im Auge. Schon mehrere Male landete der schlichte Pott auf der Abschussrampe in Richtung Mülltonne, ebenso oft rettete ich das Trinkgefäß und stellte es wieder in den Schrank zurück.
Nun steht es auf einem meiner Büroschreibtische, wurde für die Leser dieses kleinen Tagebuches im Bild festgehalten und hat gute Chancen, noch einige Zeit genutzt zu werden.
Warum? Reine Sentimentalität. Anfang der 90er-Jahre trieb ich mich per 14.400er Modem in allerlei Mailboxen herum, schaufelte Programme ins Netz und saugte Daten herunter. Hinterließ auf irgendwelchen Schwarzen Brettern Postings und landete irgendwann in dieser Zeit bei Compuserve, ehe ich zu T-Online, das damals noch BTX hieß, wechselte.
Die Bekanntschaft mit Compuserve brachte mir zweierlei Dinge: Erstens exorbitant hohe Telefonrechnungen, denn der nächstgelegene Einwahlknoten befand sich in München. Von Leipzig bis dahin - das war ein veritables Ferngespräch. Und sowas kostete zu jener Zeit noch richtig Geld.
Zweitens blieb mir besagte Compuserve-Tasse, denn das US-Unternehmen bot seinen Kunden etwas, das heute unter dem Schlagwort E-Commerce selbstverständlich ist. Man konnte bei Compuserve lauter obercoole Dinge erwerben: Basecaps, Shirts, Tassen und anderes Zeugs, das die Welt eigentlich nicht braucht. Für richtig viel Geld - inklusive Shipping und Wegelagererzoll habe ich für das Stück wohl an die 30 DM hingelegt, landete irgendeines schönen Tages zu Beginn der 90er besagte Tasse bei mir. In einem kleinen Karton, der um die halbe Welt geschippert war. Auch wenn es bis zum Niedergang von Compuserve noch einige Jahre dauern sollte, so war die Tasse schon damals ein Relikt. Denn ich hatte dem irgendwann größten Online-Anbieter der Welt längst den Rücken gekehrt und nutzte BTX - dieser Dienst bot immerhin einen Einwahlknoten ohne Ferntarif.
Die Tasse werde ich wohl noch einige Zeit vor dem entsorgenden Zugriff meiner Frau schützen. Wie man das ebenso macht mit Erinnerungen. Vorsichtshalber habe ich ihr vor einigen Wochen aber erzählt, warum mir der Pott so am Herzen liegt. Vielleicht hilft es ja ...

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