Mittwoch, 20. Februar 2008
Adenauer, Goethe und Heinrich der Kastrierer oder: Wie meine Lokalpostille Zitate entstellt
Heute bescherte mir meine Lokalpostille wieder ein Erlebnis der besonderen Art. Da ich mich zurzeit auf ein Seminar zum Thema Pressearbeit vorbereite, dass ich demnächst vor einem größeren Teilnehmerkreis halten werde, lese ich mein Leib- und Magenblatt ein wenig intensiver, um für diese oder jene güldene Regel, die ich meinen Zuhörern verkünden möchte, aktuelle Beispiele anführen zu können.
In einer Kreisausgabe der nach eigenem Selbstverständnis dem Qualitätsjournalismus verpflichteten Leipziger Volkszeitung wurde ich jedoch in gänzlich unerwarteter Richtung fündig. Auf der ersten Seite des Blättchens philosophierte Regional-Chefredakteur Heinrich Lillie über die wundersamen Veränderungen, die das Goethe-Gedicht „Über allen Gipfeln ist Ruh, in allen Wipfeln spürest du kaum einen Hauch; die Vögelein schweigen im Walde. Warte nur, balde ruhest auch du“ durch Übersetzung ins Japanische (1902) und anschließend als vermeintlich japanisch Lyrik ins Französische (1911) erfuhr.
Durch neuerliche Übersetzung repatriiert, lauten die Zeilen des Dichterfürsten nun „Stille ist im Pavillon
aus Jade. Krähen fliegen stumm zu beschneiten Kirschbäumen im Mondlicht. Ich sitze und weine.“
Nette Geschichte, beweist sie doch eindrucksvoll, dass es nicht erst der webbasierten Übersetzungshilfen bedarf, um sprachliche Wunder zu vollbringen.
Leider sah sich mein werter Journalistenkollege genötigt, zur Einstimmung auf die wundersamen Sprachwandlungen noch einige Zeilen abzusondern, in denen er über Politiker räsonierte, die nicht zu ihren Worten stehen. Ich halte das zwar für eine handwerklich misslungene Einleitung, aber wir leben ja in einem freien Land.
Dass besagter Kollege als besonders eklatantes Beispiel für Politiker und ihre Praxis des Wortverbiegens jedoch den ersten deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer ins Feld führte, ging mir denn doch ein wenig gegen die Hutschnur. Heinrich Lillie belegte das mit dem Adenauer-Zitat „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern.“
Nun ist es mit dem Zitieren so eine Sache, vor allem wenn man einen Ausspruch sinnentstellend verkürzt. Adenauer hat sich seinerzeit meines Wissens so geäußert: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern, wenn ich doch jeden Tag etwas dazulerne.“ In anderen Quellen ist der zweite Teil des Ausspruches mit „Schließlich bin ich am Morgen ein Stück weiser“ angegeben.
Ganz gleich, welche der beiden Fassungen man zugrundelegt, auf alle Fälle klingt Konrad Adenauer so deutlich anders als in der kastrierten Fassung. Soll ich meinem falsch zitierenden Kollegen nun böswillige Absicht oder nur schlichte Unwissenheit unterstellen?
Bis ich in diesem Punkt eine Antwort gefunden habe, halte ich es wieder einmal mit Adenauer. Neben vielen anderen schönen Aussprüchen, wie zum Beispiel dem mit den kleinen Jungen, den Journalisten und den Steinen, stammt von ihm auch der folgende:
„Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont.“

Recht hat er, der alte Fuchs!

PS.: Für einen Hinweis auf die exakte Herkunft des Geschwätz-Zitates wäre ich den Lesern meines kleinen Tagebuches dankbar.

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Was, den kennste auch ???
Mensch, André, die welt ist so klein. XXX wohnt 3km von mir entfernt, ich laufe jeden Tag an seinem Haus in XXX vorbei. Wir kennen uns schon seit der Schulzeit. was hast Du mit ihm zu tun ??? Schönes Wochenende wünscht Eberhard

Hallo Eberhard, auf aus- und nachdrücklichen Wunsch eines einzelnen Herren habe ich die Verweise auf dessen private Adresse, Gepflogenheiten, Automarke, Parkierung etc. aus Deinem Posting gelöscht. Ist nicht böse gemeint, aber Du kennst das ja von der Strecke: Nicht unnötig gegen den Wind pinkeln. Liebe Grüße ad

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Oh, die Welt ist zwar klein, aber manchmal größer als man glaubt. "Mein" Heinrich ist in XXX bei Leipzig tätig - das wird wohl nicht der XXX sein, oder?
Liebe Grüße
ad

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oh doch...
wenn Du ihn mal siehst, sprich ihn mit XXX an...
Der war mal oder ist noch bei XXX ...habe ihn lange nicht gesehen, sehe immer nur einen XXX mit XXX Kennzeichen vor dem Haus...
Schönes Wochenende (laufe morgen 800 x ne 50m Runde, ja, ja, ich weiß, sag lieber nichts...)

Hallo Eberhard, auf ausdrücklichen Wunsch eines einzelnen Herren habe ich die Verweise auf dessen private Adresse, Gepflogenheiten, Automarke, Parkierung etc. aus Deinem Posting gelöscht. Ist nicht böse gemeint, aber Du kennst das ja von der Strecke: Nicht unnötig gegen den Wind pinkeln. Liebe Grüße ad

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Ahh, die Welt ist doch klein. Meine Lokalpostille ist doch 50/50 im Besitz von Springer und Madsack (letzter gehört ja anteilig der SPD). Da passt es auch mit dem XXX Kennzeichen.
Was die 50x800 betrifft - warum hängste denn nicht noch die paar Runden dran und machst einen Marathon draus?
Gegen Rundenlauferei habe ich ja nichts. Bei Djuro habe ich mal 50kms auf 350m Aschenbahn gemacht und in Dresden mal einen Marathon auf 200m Tartan in der Halle, so mit überhöhten Kurven - war recht nett. Vor allem, weil am Tag davor in Altenberg (da ist zz die Rodel-WM) ein Marathon auf der Bobbahn gelaufen wurde. Es hat schon seinen Reiz ...
Liebe Grüße
ad

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Zu diesem Zitat kann ich Dir leider auch nichts verbindliches sagen, aber ich weiß, daß Variationen dieses Zitats auch andere klugen Leute gesagt haben sollen.

So hat man wohl auch Gandhi einmal vorgeworfen, er hätte früher etwas anderes behauptet, worauf er lapidar antwortete: "Heute weiß ich es besser".

Von Brecht soll der Ausspruch stammen: "Wer A gesagt hat, muß nicht B sagen. Er kann auch erkennen, daß A falsch war."

Es gibt also eine ganze Reihe von Aussprüchen berühmter Leute zu dem Thema eines Meinungswechsels nach Erkenntnisgewinn.

Vielleicht sollte man es bei Dürrenmatts Erkenntnis belassen: Ein Gedanke, der einmal gedacht wurde, kann nicht zurückgenommen werden.

Anmerkung vom Zeitungsdieb: Dass man sich weiterentwickelt, ist ja normal und sinnvoll - eben deshalb finde ich das Adenauer-Zitat ja so gut, auch wenn ich es halt nicht wirklich genau kenne ... Und eben deshalb ärgert es mich, wenn es verkürzt und damit entstellt gebraucht wird.
In Leipzig war bis zum Abriss des darunter stehenden Hauses jahrzehntelang eine Leuchtreklame mit dem Goethezitat "Mein Leipzig lob' ich mir" zu sehen. Die wenigsten Menschen, die das gelesen haben, kannten aber den zweiten Teil: "Es ist ein Klein-Paris und bildet seine Leute."

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ich lese gern in diesem Tagebuch...
...weil ich hier unheimlich viel lernen kann!

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