Mittwoch, 10. Juni 2009
National bereinigte Pannenstatistik. Oder: Über Autotests, subtilen Druck und beinahe-Folter
Autotests haben ihren Reiz. Mal abgesehen von hartgesottenen PS-Junkies, Motorträumern und alternden Männern mit der Hoffnung auf die letzte Chance lesen Normalos solcherart Schrifttum zumeist nur, wenn die Anschaffung eines neuen Boliden in greifbare Nähe rückt. Also fast immer, wenn man von den zweieinhalb Wochen nach Inbesitznahme eines Neuwagens mal absieht.
Dass Autotests nicht wirklich objektiv sind, haben viele Nutzer dieser Art von Nutzwertjournalismus schon bemerkt. Ganz gleich, ob Auto-BLÖD, Auto-Dings oder Auto-Bums, natürlich spielen bei Vergleichstests neben objektiven Daten („hard facts“) auch weiche Faktoren eine Rolle. Und natürlich fließt auch in den Vergleich ein, wie hoch der Anzeigenumsatz eines konkreten Hersteller im jeweiligen Blatt ist. Merke: Beiß’ nie die Hand, die Dich füttert. Dabei muss es ja nicht gleich zum Schlimmsten kommen, dem Entzug von Anzeigen. Vor einer solchen Strafe gibt es subtilere Möglichkeiten der (Ver-)Warnung. Mir ist ein Fall in Erinnerung, der Anfang der 90er-Jahre Berliner Kollegen getroffen hatte, die trotz wahrgenommener Einladung der Motorredaktion zur Vorstellung des neuen Modells unter südlicher Sonne (wegen des besseren Wetters) nicht die gewünschte Jubelarie über das jüngste Kind eines deutschen Edelherstellers anstimmten, sondern tatsächlich einige Haare in der automobilen Sternchensuppe fanden.
Kurz nach der Veröffentlichung rollte beim Verlag ein Kleinbus vor, dem mehrere Männer entsprangen, die sämtliche Dauertestfahrzeuge besagten Herstellers aus der Verlagstiefgarage entfernten. Das schmerzte, denn so schlecht waren diese Karossen denn doch nicht, dass man freiwillig auf Lada Samara, VW Golf und Opel Astra umsteigen mochte. Fortan äußerten sich die gebeutelten Redakteure des Verlages nie wieder negativ über Fahrzeuge guter Kunden und lästerten nur noch im kleinen Kreis darüber, dass die pneumatisch betätigten Peilstäbe am Fahrzeugheck „irgendwie eine Art Schwellkörper“ seien.
Und selbst der allgegenwärtige ADAC tut sich immer schwerer, in Vergleichstests deutsche Fahrzeuge nicht aufs Siegertreppchen zu hieven. Selbst wenn einheimisches Blech bei einem solchen Vergleich in den meisten Einzeldisziplinen schlechter als importiertes abschnitt, kam unterm Strich stets ein Sieg der nationalen Automobile heraus. Zu verdanken war dies dem Zauberwort „Wichtung“, das besagt, mit welchem Anteil ein Merkmal in die Wertung eingeht. Da mochte ein deutsches Modell in punkto Motor, Kosten, Umwelt und Sicherheit schlechter als die Konkurrenz sein, da es aber in der Kategorie „schönster Aschenbecher im Kofferraum“ punkten konnte, lag es letzten Endes doch vorn.
Lange Zeit bildeten zumindest die Tabellen der ADAC-Pannenstatistik eine Insel der glücklichen Objektivität. Denn schließlich lässt sich daran wenig deuteln: Wenn die Gelben Engel des ADAC einem schlappen Boliden wieder auf die Reifen helfen müssen, ist das ein Einsatz, dafür wird bei der entsprechenden Marke in Häkchen gemacht, am Jahresende zusammengerechnet und fertig ist die Zuverlässigkeitslaube.
Weit gefehlt. Eben weil deutsche Nobelhersteller sich darüber geärgert hatten, dass allerlei Reisgeschüssel ihnen in punkto Pannenstatistik den Schneid abgekauft haben, sannen sie auf Abhilfe. Und erfanden: die Service-Hotline.
Fortan landeten die Notrufe empörter Benzchauffeure, BMW-Fahrer und Audimobilisten nicht mehr beim ADAC, sondern beim Hersteller-Call-Center. Und folglich wurden die Pannenstatistiken auf wundersame Weise deutschfreundlicher, die betreffenden Marken scheinbar zuverlässiger.
In der aktuellen ADAC-Statistik herrscht wieder political correctness. In der miesen Ecke stehen zumeist Autos aus dem Land des gallischen Erbfeindes sowie Billigschüsseln aus Fernost, bei den Guten finden sich verstärkt die national korrekten Produkte aus Wolfsburg, Ingolstadt, München, Stuttgart und Zuffenhausen wieder.
Schade nur, dass der ADAC es nur früher einmal wagte, auf die Gründe für die Verzerrung des hauseigenen Zahlenwerkes hinzuweisen. Aktuell erfährt der geneigte Leser nicht mehr, dass ein wachsender Teil deutschen Bleches via Herstellerhotline revitalisiert wird. Da wird doch wohl niemand mit Gunstentzug gedroht haben ...

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