Sonntag, 5. Oktober 2008
Auch nach 20 Ehejahren steppt im Schlafzimmer noch der Bär. Oder: Besuch am Sonntagmorgen
In wenigen Tagen bin ich 20 Jahre verheiratet. Nicht kumulativ, sondern am Stück mit ein und derselben Frau. Wer nun glaubt, dass nach zwei Jahrzehnten Ehe im Schlafzimmer an einem Sonntagmorgen nichts Überraschendes mehr passiert, der konnte sich heute eines Besseren belehren lassen. Zehn Minuten vor sechs, also zur besten Sonntagmorgenschonmalräkelabernochlangenichtaufstehzeit, passierte es. Meine Katze saß am Schlafzimmerfenster, fauchte und schlug mit der Pfote gegen das Glas. Von innen. Draußen, auf dem Fensterbrett, saß jemand, den sie nicht mochte. Da unser Schlafzimmer im ersten Stock liegt (neudeutsch: 1 OG), schränkt das die Palette der möglichen Draußensitzer schon deutlich ein. Als ich schlaftrunken ans Fenster wankte, hatte meine bessere Hälfte bereits in die bärenarschartige Dunkelheit vor dem Glas gespäht und dort „irgendwas Geringeltes“ entdeckt. Auch das Öffnen des zweiten Auges brachte keine zusätzliche Erkenntnis (von wegen „Mit dem Zweiten sieht man besser ...“), also wurde das Licht angemacht.
Auf dem Fensterbrett saß ein ausgewachsener Waschbär mit der typischen Gangstervisage und einem Schwanz, der an die Mütze von Daniel Boone (guckst Du hier: http://www.berksweb.com/boone.html) erinnerte. Ich hatte zwar erst kürzlich einiges über das Vordringen der Waschbären in Deutschland gehört, aber etwas hören ist eine Sache, ein solches Pelzmäntelchen vor dem Fenster zu sehen, eine andere.
Dass er den ersten Stock erklommen hatte, hatte offensichtlich der Sperlingsgroßfamilie zu tun, die im wilden Wein am Giebel unseres Hauses wohnt und dort lautstark, aber sehr sympathisch auf sich aufmerksam macht. Der krallenbewehrte Kletterkünstler hatte den Wein als Aufstiegshilfe genutzt und versuchte, seinen wohlgenährten Körper zu den empörten Sperlingen zu hieven.
Ich hatte nicht wirklich Lust, mich mit dem unerwünschten Gast anzulegen. Irgendwie war ich am frühen Morgen weder in der Verfassung dazu noch trug ich die angemessene Kleidung. Und ein Bär ist ein Bär und damit ein Raubtier, auch wenn sein Familienname Kleinbär lautet. Ein Zwickerchen genügt zumindest, um mir den Tag zu verderben ... Tollwutimpfungen sind nicht wirklich Teil meiner Sonntagsplanung.
Also ließ ich Procyon lotor vor dem Fenster, holte mir in der Küche einen Topf mit heißem Wasser zeigte dem Burschen, wie man klettert: Auf einer Treppe (ätsch!) stieg ich ins Dachgeschoss, öffnete ein Fenster und schüttete das Wasser dorthin, wo ich den Bären vermutete.
Ob’s ihn a) getroffen und b) beeindruckt hat, werde ich in den nächsten Nächten erfahren. Die Spatzen sind jedenfalls trotz der Störung wieder im Wein, also wird – soweit er nicht nachhaltig verschreckt ist – auch der Waschbär wieder Appetit bekommen.
Und ich nutze dann die Gelegenheit, den Dreistling zu fotografieren. Heute kam die Kamera nicht zu Einsatz, weil meine journalistische Arbeit hinter der Männerpflicht Nummer 1 zurückstehen musste. Nämlich dem Vertreiben wilder Tiere.
Aus diesem Grund gibt’s hier ein Foto aus Hessen, wo Waschbären häufiger anzutreffen sind:

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