Donnerstag, 16. Dezember 2010
Menschenrechte und wikileaks. Oder: Willkommen in Nordkorea, liebe Amis!
Die USA sind ein Hort der Freiheit, Wahrhaftigkeit und Demokratie. So, spätestens an diesem Punkt sollten die LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches einen sanften Hauch von Ironie bemerkt haben. Alles klar soweit? Gut, denn jetzt geht es ironiefrei weiter, zumindest beinahe.
Also, die Vereinigten Staaten von Amerika mögen es gar nicht, wenn irgendein Tyrann in irgendeinem Kaffernstaat (uups, da war sie wieder, die Ironie) die Menschenrechte mit Füßen tritt. Vor allem dann, wenn besagter Staat über Öl verfügt, über seltene Erden oder aus Sicht der USA strategisch günstig liegt. Dann kann es schon mal passieren, dass „Mother Green“ (vulgo: das US-Marine Corps) für Schutz und Wiederherstellung der Menschenrechte zur Waffe greift. Dass die solcherart Beschützten mitunter gar nicht errettet werden, sondern lieber am Leben bleiben wollen, ist eine bedauerliche Fußnote im internationalen Menschenrechtsbusiness. Da geht es den armen Schweinen wie so vielen deutschen Kröten, die eigentlich gar nicht auf die andere Straßenseite hopsen wollten, aber von emsigen Rettern genau dorthin geschleppt und beim Zurückhopsen prompt automobil geplättet werden. Dumm gelaufen.

Doch zurück zu den USA. Die Allgemeine Erklärung der Menschrechte der Vereinten Nationen (hier: http://www.ohchr.org/EN/UDHR/Pages/Language.aspx?LangID=ger ), besagt im Artikel 19: „Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“ Diese Erklärung wurde am 10. Dezember 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen genehmigt und verkündet, genauer gesagt mit 48 „dafür“-Stimmen, null Gegenstimmen und acht Enthaltungen; die USA waren übrigens dafür.
Alles klar soweit? Und nun gedenken wir der armen Schweine, die in Staaten leben, wo die Menschenrechte im Allgemeinen und die im Artikel 19 verbrieften im Besonderen nicht gewährt, sondern mit Füßen getreten werden: an Nordkorea, an den Iran, an China ... und an die USA.
Uuups. Ja, auch an die USA. Denn schließlich hat sich der Weltgendarm nicht „nur“ auf Wikileaks eingeschossen, das Mutterland jeglicher Menschenrechte tut es inzwischen anderen Diktaturen gleich und sperrt den freien Zugang zu Informationen via Internet. Im Zusammenhang mit den aktuellen Enthüllungen von wikileaks http://savewikileaks.net/another-wikileaks-address/ wurden ja nicht nur amerikanische Unternehmen amtlich gebeten, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausnahmsweise genau zu lesen und umzusetzen. Zusätzlich wurden z.B. für Angehörige der US Air Force gleich 25 Webseiten blockiert, die im Zusammenhang mit den wikileaks-Veröffentlichungen stehen. Derartige Terroristenseiten sind u.a. die des Spiegels, der New York Times, des Guardians, aber auch Le Monde und El Pais. Willkommen in Nordkorea, liebe Amis!

PS.: Einige sehr angesehene und lesenswerte deutsche Medien – die taz, die Frankfurter Rundschau, der Freitag, der Tagesspiegelk, perlentaucher.de – und das European Center for Constitutional and Human Rights haben haben heute einen gemeinsamen Appell gegen die Kriminalisierung von wikileaks veröffentlicht, nachzulesen u.a. unter www.tagesspiegel.de und www.taz.de

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