Dienstag, 18. Januar 2011
LVZ-Abstinenz ohne Entzugserscheinungen. Oder: Auch die TAZ hat schöne Seiten.
Den regelmäßigen LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches dürfte nicht entgangen sein, dass ich mich gelegentlich am selbstreferenziellen Qualitätsjournalismus meiner Lokalpostille, der Leipziger Volkszeitung, reibe. Dass die Reibereien in jüngerer Zeit ein wenig nachgelassen haben, hat einen simplen Grund: Ich habe mein seit über 20 Jahren bestehendes Abo der LVZ gekündigt und bin seit Jahresbeginn 2011 lokalpostillenfrei.
Nur am Rande sei erwähnt, dass ich, obwohl bekennender News-Junkie (geiles Wort) - keinerlei Entzugserscheinungen aufweise. Schließlich mangelt es mir nicht an Ersatzdrogen: Da wären Radio, das ach so böse Internet, die Welt und die TAZ. Auch wenn ich mit der linken und/oder alternativen Ausrichtung der Tageszeitung nicht wirklich konform gehe, bietet diese mir doch eine Menge spannenden Lesestoff. Um mal etwas Werbung zu machen: Wer im besten Sinne alternative Themen sucht, also solche, die nicht schon drei Wochen lang durchs Netz geistern und auch von der schläfrigsten der großen Agenturen vertickert worden sind, wird die TAZ mögen. Sie hat eine wirkliche Medienseite - nicht nur ein TV-Programm unter diesem Titel; dazu Interviews mit Leuten, die nicht gerade in allen Zeitungen auftreten, um ihre neue CD oder ihren neuen Film zu promoten und Reportagen, die der Mainstream erst Wochen oder Monate später oder gar nicht aufgreift.
Mein heutiger Favorit ist übrigens ein Bericht aus Tucson, Arizona, wo am vergangenen Samstag die erste Gunshow nach dem Massaker stattfand. Natürlich fehlen auch die üblichen kernigen Sprüche der Waffenlobbyisten nicht, wie zum Beispiel "Niemand kann frei sein, wenn allein der Staat das Recht hat, sich zu bewaffnen." Aber auch: "Wenn es um Sekunden geht, ist die Polizei nur Minuten entfernt." Kein Zeigefinger, kein Moralisieren, sondern ein Bericht über die uramerikanische Begeisterung für Waffen als Ausdruck der persönlichen Freiheit. Dem Leser wird überlassen, sich ein Urteil zu bilden. Journalismus vom Feinsten.

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