Montag, 8. September 2008
IM-Alarm bei Pro Flughafen Leipzig-Halle. Oder: Da geht noch was ...
Das Leben kann so grausam sein. Da gründen einige wirklich selbstlose Gutmenschen (guckst Du hier http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1153490/) einen Verein „Pro Flughafen Leipzig/Halle“, der sich auf die Fahnen geschrieben hat, dem Leipziger Militär- und Nachtfrachtflughafen samt seiner rumpelnden Turboprop-Maschinen zu einem etwas besseren Image zu verhelfen – und was passiert? Häme ergießt sich über die Aktivisten, böse Menschen (hier schließe ich mich ein) unterstellen ihnen gar geschäftliche Interessen.
Und als wäre das noch nicht schlimm genug, beschränken sich böse Schmierfinken nicht darauf, die Namen der Gutmenschenvereinsprotagonisten per Google zu hinterfragen, sondern gehen sogar Tipps nach und erdreisten sich, den designierten Vorsitzenden des Vereins, Lothar Müller, mit dessen Vergangenheit als Stasi-IM zu konfrontieren.
Dieser, ganz Gutmensch, wusste zunächst von nichts, sah alles ganz anders und trat dann von seinem Amt als Vereinsvorsitzender zurück.
Schuld daran ist die Außenstelle Halle der Birthler-Behörde, die den einstigen hauptamtlichen Agitationssekretär der DDR-Blockpartei NDPD als IM Rolf enttarnte. Rolf guckte und horchte im Auftrag des Ministeriums für Staatssicherheit recht emsig, bis ihm im Wendeherbst 1989 der Auftraggeber und seinem Tun damit die Geschäftsgrundlage abhanden kam.
Mit Details aus seiner Akte konfrontiert, machte Müller den Oskar. Mehrere Wochen blieb sein Amt als Vorsitzender des Gutmenschenvereins unbesetzt. Nun ist hinter dem Vorsitzenden das Kürzel „n.n.“ verschwunden, als neuer Obergutmensch ist Steffen Branse benannt. Noch immer – ein rundes Vierteljahr nach Gründung – ist die Eintragung ins Vereinsregister nicht vollzogen.
Aber das ist vielleicht auch besser so, denn der Rücktritt des IM Rolf wird wohl nicht der letzte stasibedingte Ausfall in der Führungsriege gewesen sein. Zumindest eines der Gründungsmitglieder hatte seine gutes Gehör bis zur Wende nicht zum Klavierstimmen, sondern zum staatlich sanktionierten und honorierten Belauschen anderer Menschen genutzt.
Da wäre es sinnvoll, diese Kandidaten bis zur nächsten „Schon-wieder-Gründungs-Versammlung“ mit anschließendem Gang zum Notar zu entschärfen. Aus Imagegründen, aber auch zum Zwecke der Kostendämpfung. Auch wenn der Flughafenfreundes- und Gutmenschenverein dank großzügiger Unterstützer nicht wirklich insolvenzgefährdet ist, kann man die schöne Knete doch besser nutzen, z.B. für ganz legale Aufwandsentschädigungen für die Vorstandsmitglieder, gelle.

PS.: Zählt bitte nicht auf meine Hilfe, wenn es um den IM-Namen geht. Diese Hausaufgabe müsst Ihr schon selbst machen. Aber vielleicht bekommt das einstige Gummi-Ohr ja demnächst auch einen Anruf von der Leipziger Volkszeitung ...

... link (0 Kommentare)   ... comment


Leipziger Nachtfluggeschichte. Oder: Bomben gegen Engeland.
Wer bei dem, was er (anderen an)tut, ein schlechtes Gewissen hat, muss sich etwas einfallen lassen, wie er seine Missetaten legitimiert. Das geht mit Hilfe der Wissenschaft („Eine Studie amerikanischer/russischer/japanischer ... Wissenschaftler beweist, dass ...). Gern wird aber auch die Geschichte als Krücke missbraucht, um eigenes Tun ins rechte Licht zu rücken.
Die ganz schlichten Gemüter sagen in solchen Fällen „Das mache/n ich/wir schon seit 40 (50, 60, ...) Jahren so – und vergessen bei dieser Argumentation, dass man eine Sache auch 40 (50, 60 ...) Jahren falsch machen kann. Cleverer ist da die Strategie, irgend jemanden feststellen zu lassen, dass das ganz konkrete, jetztzeitige Tun ganz, ganz tolle historische Wurzeln hat. Noch cleverer ist es, jemanden dafür zu gewinnen, das auch noch in die Zeitung zu schreiben.
So geschehen in meiner Lokalpostille, der Leipziger Volkszeitung. Selbiges Blatt, nach eigener Aussage dem Qualitätsjournalismus verpflichtet, veröffentlichte einen größeren Artikel über die historischen Wurzeln des Nacht- und Frachtfluges in Schkeuditz. Für alle auswärtigen Leser dieses kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches: „Schkeuditz“ ist ein Städtchen westlich von Leipzig, hier entstand einst ein Flugplatz, aus dem der heutige Flughafen Leipzig-Halle hervorging, dank der überaus weisen Entscheidungen einiger Politiker zugleich Heimat des lautstarken DHL-Drehkreuzes und zudem wachstumsstärkster deutscher Militärflughafen. Oder so.
In besagtem Artikel (15./16.8.08) darf der geneigte Leser meiner Lokalpostille lernen, dass es den ersten Nachtflug vom hiesigen Flughafen aus bereits am 24. August 1928 gab. Pilot Erich Glatz demonstrierte seinerzeit „die Ungefährlichkeit und einzigartige Schönheit eines Nachtfluges“, so die LVZ. In diesem Stil geht es weiter. Die Autoren schwadronieren begeistert darüber, dass die Luftfrachtleistung am Standort Halle/Leipzig von 1927 bis 1939 jährlich im Durchschnitt um 24 Prozent zugenommen hat. Schade, dass der Artikel mit dem Jahr 1939 endet. Anderenfalls hätte man ja auch über die hohe Nachtflugleistung deutscher Cargopiloten bei ihren Flügen gegen England und Frankreich philosophieren oder die Transportleistung der Luftwaffengeschwader in Richtung Osten würdigen können. Ist ja schließlich alles Geschichte. Und was früher gemacht wurde, muss ja gut sein. So habe ich es zumindest der unterschwelligen Argumentation meiner Lokalpostille in Sachen Nacht- und Frachtflug entnehmen können. Oder doch nicht?

... link (0 Kommentare)   ... comment