Donnerstag, 11. September 2008
El Qaida im Regierungsviertel. Oder: Ein Prosit auf nine-eleven
11. September. Mein Geburtstag. Als ich ihn 2001 mit einigen Freunden in einer Kneipe feierte, gab’s von den Leuten an den Nachbartischen Blicke, die Unverständnis signalisierten. Wie kann man an so einem Tag guter Stimmung sein. An genau dem Tag, an dem die Twin-Towers in die Knie gingen, an dem Tausende starben, an dem die USA sich erstmals auf dem eigenen Territorium angegriffen fühlten.
Mit ist dieser 11.9. 2001 – seither bekannt als nine-eleven – aus einem ganz speziellen Grund in Erinnerung geblieben. Ich hatte am Nachmittag in Dresden an einer Veranstaltung teilgenommen, stieg nach deren Ende ins Auto und hörte im Radio den Bericht eines DLF-Korrespondenten, der aus seinem Fenster schaute, einen der brennenden Türme im Blick hatte, das Gesehene beschrieb und plötzlich den Anflug eines zweiten Flugzeuges schilderte – und ich dachte ein Hörspiel, ähnlich der fiktiven Radioreportage „Marsianer“, mit der Orson Welles 1938 bei vielen Amerikanern Panik auslöste. Erst allmählich wurde mir klar, dass hier keine Hörspiel lief, sondern die Realität beschrieben wurde.
Am 20. September 2001 rief US-Präsident George Bush jr. den Kreuzzug gegen den Terror aus. Erst nachträglich wurde diese Vokabel umgebogen, wich der historisch belastete Terminus „Kreuzzug“ dem „Krieg“.

Heute las ich in der Welt einen Text von Alexander Ritzmann (guckst Du hier: http://www.welt.de/politik/article2421302/Warum-die-Terrororganisation-al-Qaida-versagt-hat.html), in dem er über die Gründe für das vermeintliche Versagen der Terrororganisation al-Quaida philosophiert. Ritzmann ist ein kluger Kopf, der es sich zum Ziel gemacht hat, dem Islamismus auf den Grund zu gehen. Er arbeitet in Brüssel in einem Think Tank und liegt – soviel Unverschämtheit sei gestattet – mit seiner These vom Versagen al Qaidas schlichtweg falsch. Diese Terrororganisation hat viele ihrer Ziele bereits erreicht und ist auf dem besten Weg, die westliche Welt in der uns bekannten Form zu zerstören.
Sicher, vom Kalifatstaat sind wir noch weit entfernt. Aber die westlichen Demokratien haben sich seit dem 11. September 2001 so grundlegend verändert, haben so viele Bürgerrechte entsorgt, dass man von einem Etappensieg der Islamisten sprechen muss.
Wer das nicht glaubt, der sollte zunächst ein wenig über die Veränderungen in den USA nachdenken. Heimatschutz, no-fly-Listen, Sonderbefugnisse für Ermittler im Anti-Terror-Kampf, Einschränkung von Bürgerrechten, Guantanamo – diese Beispiele sollten genügen, und sie lassen nur einen Schluss zu: In ihrem Bestreben, den islamistischen Terrorismus zu bekämpfen, haben sich die USA weit von ihrem demokratischen Selbstverständnis entfernt und sich dem Islamismus mehr genähert, als sie selbst zuzugeben bereit sind. In der Quantenphysik spricht man in diesem Zusammenhang von Wechselwirkungen ...

Drastische Wechselwirkungen dieser Art gibt es übrigens auch in Deutschland. Man denke in an Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, der wie ein Rollteufel umherspringt und immer neue Einschränkungen elementarer Bürgerrechte fordert und – die politische Kaste ist willfährig, das durchschnittliche Wahlvolk tumb – leider zum Teil auch durchsetzt. Da werden Vorratsdaten gespeichert, Ermittlungsverfahren gegen Internetuser angestrengt, die sich auf einer BKA-Seite über Islamismus informieren (!), Abhörmaßnahmen en masse durchgezogen und bis dahin geschützte Berufsstände in die lückenlose Überwachung einbezogen. Willfährig werden persönliche Daten von Flugpassagieren an die US-Behörden ermittelt. V-Leute beäugen irre Bombenbastler bei deren Tun und helfen diesen, wenn Not am Manne ist, bei der Beschaffung von Zutaten für die Höllenmaschinen. Schließlich brauchen die Ermittler Erfolge. Anlässe für neue Repressalien.
Und die Entwicklung schreitet fort: Um den Terrorismus besser bekämpfen zu können, so die politische Logik, werden Fingerabdrücke gescannt und gespeichert. Zentralregister angelegt. Bundestrojaner gehätschelt. Sogar die Überwachungsinstrumente einstiger Diktaturen – die Reichspersonalnummer der Nazis und die Personenkennzahl PKZ der DDR-Machthaber – feiern in Gestalt der Steueridentnummer fröhliche Urständ. Und irgendwann, dessen bin ich sicher, werden in old Germany Wasserpfeifen nicht mehr anrüchig und die Schari'a selbstverständlich sein. Der Erzbischof von Canterbury bezeichnete es im Februar 2008 gegenüber BBC als unvermeidlich, Elemente der Schari'a ins britische Zivilrecht aufzunehmen. In Griechenland kommt die Schari'a auf Grundlage des Vertrages von Sévres für die Minderheiten der westthrakischen Türken und Pomaken seit 1920 zum Einsatz.

Die Islamisten haben versagt? Was für ein Trugschluss – sie sind ihrem Ziel, der Zerstörung der westlichen Demokratien, näher denn je. Nur die selbsternannten Gralshüter unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung haben’s noch nicht bemerkt.
In diesem Sinne: Angenehmen 11. September noch. Ich werde am heutigen Abend wieder auf dieses Datum anstoßen, ich darf das. Steht in meinem Ausweis. Und in meinem Zentralregistereintrag beim Rollteufel (Schade, dass mir dieser Begriff nicht eingefallen ist ... die durchaus lesenswerte Quelle findet sich bei Telepolis ... guckst Du hier http://www.heise.de/tp/blogs/5/114619)

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