Donnerstag, 4. September 2008
Der Pate vergisst seine Freunde nicht. Oder: LEJ-Chef geht zu DHL
Schon mal den Paten gesehen? Toller Film, ganz großes Kino. Und brandaktuell. Auch wenn es in Deutschland ja angeblich keine richtige Mafia geben soll. Aber kürzlich fühlte ich mich wieder an den Paten erinnert. Ganz konkret an die Szene, als Marlon Brando einen Geschäftsmann mit heiserer Stimme auffordert: „Erweisen Sie mir die Ehre, sagen Sie, dass ich Ihr Freund sein soll.“ Wer solches tut, steht unter dem Schutz des Paten, darf ihm gelegentlich einen Dienst erweisen, sich dafür aber stets auf der Sonnenseite des Lebens aufhalten.
Und weil Deutschland zwar in mancherlei Hinsicht eine Bananenrepublik, aber kein Mafialand ist, läuft es bei uns nicht so. Sondern andersrum. Also erst den Dienst erweisen, dann die Sonnenseite des Lebens. Wie’s funktioniert, hat Gasmann Schröder demonstriert. Erst im Dienst als Kanzler brav dem russischen Bären und seinem Väterchen Frost alias Putin geholfen, dann die Belohnung durch Gazprom, Kinderverschenkung inbegriffen. Besser so, da kann man sicher sein, dass der Nachwuchs kein Pferdegebiss hat. Genetik kann so grausam sein. Und damit die Sache mit der Sonnenseite weitergeht, macht Väterchen Frost (jetzt wieder die Patenstimme) seinem Gasmann immer mal „ein Angebot, dass er nicht ablehnen kann“. Da fährt der Gerd – natürlich privat – nach Nordzypern zu Schönwettermachen für die neue Gasleitung, da kommt der Gerd nach Deutschland und scheißt seine Landsleute wegen ihrer Russlandfeindlichkeit zusammen. So funktioniert Big Business.
Im kleineren Stil klappt das auch. Da hat der Chef des sächsischen Feldflughafens, Eric Malitzke, einen mehr als guten Draht zu DHL, macht Lobbyarbeit und hilft den gelben Rumpelbombern dabei, die Region Leipzig-Halle für die nächsten 30 Jahren zuzudröhnen. Und es wird ihm vergolten: Zur Überraschung der Gesellschafter des Flughafens Leipzig-Halle streicht Malitzke in letzterem blitzartig die Segel und verpisst sich, wie eins Lafontaine aus der SPD. Allerdings gründet der flüchtige Airport-Manager nun keinen Konkurrenzflughafen, sondern nimmt mal eben einen Job als Vice President DHL Hubs & Gateways für ganz Deutschland an und wird zugleich neuer Häuptling der DHL Hub Leipzig GmbH.
Im Gespräch mit meiner Lokalpostille räumt der 35-Jährige ein, dass er nun „deutlich mehr verdienen“ werde. Das sei allerdings nicht der Grund für den Wechsel gewesen. „Es ist einfach ein tolles Angebot, eine reizvolle Aufgabe.“ Dass er sich dieser Aufgabe stellen darf, sieht Malitzke auch als Belohnung „für sein Engagement für DHL in den letzten Jahren ... Ich denke, ich habe einen guten Job gemacht.“
Apropos guter Job: Den wird Postler Eric in Diensten von DHL wohl auch künftig machen. Dass er’s draufhat, bewies der umtriebige Flughafenchef bereits. Er holte die russischen Riesenvögel vom Typ Antonov nach Leipzig, machte LEJ zum wichtigen US-Militärflughafen, brachte die Bewerbung des Airports für die Abwicklung des Logistikgeschäftes der Bundeswehr auf den Weg und stellte die Weichen für die Entwicklung der sächsischen Kesselschmiede (O-Ton Franz Jose Strauß) zum Big Player im weltweiten Frachtflug und wurde zum Feindbild lärmgeplagter Flughafenopfer.
Wen stört’s da, dass die Passagierzahlen sinken? Cargo-Piloten beschreiben den Vorteil ihres wenig prestigträchtigen Jobs gern mit dem Spruch „Fracht motzt nicht, Fracht kotzt nicht.“
Und die paar motzenden Anwohner? Die werden der gelbe Eric und sein noch zu findender Nachfolger auf dem LEJ-Chefsessel auch noch platt machen.

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Deutschlandfunk und Beziehungskrise. Oder: Gibt es ehemalige Holocaustopfer?
Outing: Ich bin ein großer Fan des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Um Missverständnisse zu vermeiden: Ich rede vom Radio, allen voran DLF und D-Kultur, welche ich nur zu gern höre. Der ganze gebührenfinanzierte TV-Müll kann mir hingegen gestohlen bleiben, denn angesichts dieses Werbe- und PR-Programms mit gelegentlichen redaktionellen Einblendungen tue ich mich schwer, ein auch nur im Ansatz akzeptables Preis-Leistungs-Verhältnis zu erkennen.
Doch zurück zu meiner Sympathie für DLF und D-Radio. Diese erhielt heute einen schweren Dämpfer. Oder – positiv gesagt – sie wurde auf eine Bewährungsprobe gestellt, wie sie ja jede gute Beziehung gelegentlich erlebt.
Diese Bewährungsprobe bestand in einem Bericht über das segensreiche Tun (guckst Du hier: http://www.asf-ev.de/) der Aktion Sühnezeichen. In diesem Zusammenhang ließ DLF einen Menschen (guckst Du hier: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/marktplatz/808194/) über den Sender brabbeln, der vor allem ein imposantes Rudel „Ähhs“ und „Öhömms“ durch den Äther schwärmen ließ, dazwischen aber nichts wirklich Hörenswertes formulierte. Irgendwie wähnte ich mich im fröhlich-chaotisch stümpernden Azubi-Kanal des Leipziger Studentenradios Mephisto, doch – RDS sei Dank – ich hörte nach wie vor den Deutschlandfunk. Der Höhepunkt der mir auferlegten akustischen Bewährungsprobe war jedoch eine Wortkreation, die ich in dieser Form noch nie erleben musste. Der stammelnde Sühnezeichenmensch sprach von „ehemaligen Holocaust-Opfern“. Nun ist der Holocaust ein Thema, mit dem nicht einmal ich Witze mache(n darf).
Dennoch: Das Attribut „ehemalig“ bezieht sich auf eine Sache, die es nicht mehr gibt. Ich bin ein „ehemaliger DDR-Bürger“, weil das Verschwinden der DDR meine Beziehung zu diesem Staat ihrer Geschäftsgrundlage beraubt hat. Außerdem bin ich ein ehemaliger Student der Karl-Marx-Universität zu Leipzig, auch wenn es diese nicht mehr gibt. Denn studiert habe ich dort von 1981 bis 1986, sogar ein Diplom erworben, was mich zum (nicht ehemaligen) Absolventen der ehemaligen Karl-Marx-Universität Leipzig macht.
Nun zurück zum Holocaust-Opfer: Da gibt es nichts Ehemaliges, Opfer ist und bleibt man. Bestenfalls kann man ein Opfer gewesen sein – nämlich dann, wenn man selbst nicht mehr ist. Aber auf keinen Fall ein ehemaliges. Auch nicht Opfer eines ehemaligen Holocaust, denn dieser verschwindet mit der Zeit nicht einfach ...
Wer meinen Gedanken bis an diese Stelle gefolgt ist, wird wohl nachvollziehen können, wie hart die heutige Bewährungsprobe für mich war. Aber eine gute Beziehung kann so etwas nicht erschüttern, dazu bedarf es weiterer Schläge. Die hoffentlich ausbleiben.

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