Montag, 17. Januar 2011
Leipziger Hochwasserfazit. Oder: Ein lebendiger Auwald ist der beste Hochwasserschutz
Na, da hat Leipzig ja noch einmal Glück gehabt mit dem Hochwasser. Die Pegel unserer „Ströme“ Elster, Parthe und Pleiße sinken allmählich, große Schäden sind ausgeblieben, der Arbeit des dynamisch agierenden Hochwasserstabes hat sich bewährt. Und die Deiche haben im Prinzip gehalten, nur hier und da gab es Probleme, die sich aber mit Sandsäcken, Geotextilien und der Arbeit einiger hundert Helfer meistern ließen. Schulterklopfen allüberall, schöne Bilder für die nächsten Wahlen.
Axel Bobbe, der Leiter der Talsperrenverwaltung Untere Pleiße, ist zufrieden. Bürgermeister Heiko Rosenthal freut sich auch und dank allen Einsatzkräften, und bald wird auch Oberbürgermeister Burkhard Jung noch einmal gummibestiefelt daherkommen und ein entschlossen-zufriedenes Chefgesicht aufsetzen (Früher hieß das übrigens FDJ-Prinzip: Wenn was klappt, Blauhemd überziehen, „Freundschaft“ rufen und Lob einheimsen, wenn’s schief geht, nicht blicken lassen und aus der Ferne kritisieren, aber das nur am Rande ...).

Natürlich gibt es auch ganz softe Manöverkritik. Axel Bobbe bezeichnet die Situation der alten Deiche in Leipzig als „alles andere als rosig“ und mahnt Sanierungen, den Bau von Deichverteidigungswegen und die Fällung des reichlich vorhandenen Baumbewuchse auf und unmittelbar hinter den Deichen an. Und schon während des Hochwassers wusste man im Rathaus, wo die Schuldigen an der Leipziger Deichmisere sitzen: Nicht im Rathaus, sondern in den Büros der hiesigen Öko-Taliban, soll heißen, der Naturschutzverbände, die den emsigen Rathausmitarbeitern das Leben schwer machen und diese bei der Planung von Deichen usw. behindern. Sagt man im Rathaus (Was von solcherart Gräuelpropaganda zu halten ist, sollten die geneigten LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches hier http://www.nabu-sachsen.de/index.php?option=com_content&view=article&id=1627:pm-nr-01-14-01-2011&catid=223:pm-2011&Itemid=1100 nachlesen. Sehr empfehlenswert.).
Mal abgesehen davon, dass hier wohl rathausseitig ein wenig Zweckflunkerei im Spiel war, sind die grünen Störer als Schuldige natürlich immer gut. Allerdings braucht es schon hohe Kunst und beinahe Zauberei, ihnen in die Schuhe zu schieben, dass die Leipziger Deiche (bis auf ein kleines Stücklein nahe Wahren) ein halbes Jahrhundert lang praktisch unbeachtet in der Gegend standen und vergammelten. Die am wankenden Luppendeich in Windeseile gefällten Bäume waren keine dünnen Ruten, sondern ausgewachsene Stämme. Die wachsen nicht in zehn Jahren, da muss eine Fachbehörde lange auf der Schreibtischplatte geschnarcht haben ...
Und was heißt überhaupt Sanierung? Die jetzigen Deichanlagen stammen aus einer Zeit, als hierzulande nach der Maxime geplant und gebaut wurde, dass der Mensch die Natur beherrschen kann, soll und darf. Folglich wurden Auen eingedeicht, Gewässer verfüllt und durch Kanäle ersetzt und Neuland gewonnen. Der einstige Auenwald, ein Wasserspeicher erster Güte und ein vielfältiger Lebensraum, kränkelte hinter Deichen und Notwehren vor sich hin, wurde bebaut und geschunden.
Erst vor vier, fünf Jahren gönnte man diesem Biotop, dessen Lebenselixier regelmäßige Überschwemmungen sind, im Rahmen eines Forschungsprojektes wohldosierte, tröpfelnde Wasserschübe. Dabei lechzt ein solcher Wald nach Überflutungen, wie sie ihm das aktuelle Hochwasser endlich wieder einmal beschert hat.

Fazit: Wenn in den Fachbehörden der Stadt Leipzig tatsächlich irgendwo Fachleute überlebt haben sollten, müssten sie sich dafür stark machen, das Hochwasserschutzkonzept der Stadt sang- und klanglos zu beerdigen und durch ein Auwaldrevitalisierungskonzept zu ersetzen. Die Deiche gehören nicht ins Vorland zwischen Fluss und Wald, sondern weit in den Wald hinein, am besten unmittelbar vor die angrenzende Bebauung. Die eine oder andere Ausflugskeipe, die im Auenwald steht, lässt sich mit einem Ringdeich schützen (Bei dieser Genehmigung sollte allerdings auch gleich geprüft werden, ob allerlei Bauten und deren Nutzung, insbesondere als Schweinmastanlagen, überhaupt jemals genehmigt wurden. Hier kann sich eine Verwaltung gern austoben ...).
Dass dabei so mancher Neubau der vergangenen 20 Jahre nasse Füße bekommen und auch die eine oder andere Tiefgarage gelegentlich absaufen dürfte, ist ein Kollateralschaden. Dumm gelaufen, aber die Betroffenen mögen sich bitte bei den „Fachleuten“ der Stadt Leipzig beschweren, die solcherart Bebauung in bzw. direkt an einem Überflutungsgebiet genehmigt haben.
Ach ja, und wenn bei dieser Gelegenheit auch noch das unsägliche Fußballneubaumillionenprojekt der „Roten Bullen“ den Bach bzw. Fluss runtergeht, wäre das kein Verlust. Sumpf ist da ja schon mehr als genug, und das sogar ohne Wasser.

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