Montag, 15. September 2008
Krebsregister und Risiko. Oder: Gedanken über eine Statistik
zeitungsdieb, 10:41h
Meine Lokalpostille, die Leipziger Volkszeitung, macht ihre Titelseite heute mit der Schlagzeile „Sachsen: Krebsrate in Aue und Zwickau am höchsten“ auf. Unter Bezug auf das gemeinsame Krebsregister der östlichen Bundesländer (guckst Du hier: www.krebsregister-berlin.de) wird dargelegt, dass die Krebsrate in den einstigen Uran-Abbaugebieten der Wismut AG noch immer höher als im Rest Sachsens ist. Im Klartext: Mit 441,6 Krebsfällen je 100.000 Einwohner liegt Sachsen unter dem Bundesdurchschnitt von 452,7. Allerdings liegen die Kreise mit einstigen Wismutstandorten – Aue-Schwarzenberg (504,6), Zwickau (505,1) und Zwickauer Land (486,8) um knapp bzw. deutlich mehr als zehn Prozent über dem Durchschnitt.
Deutlich über dem Mittelwert liegt auch Leipzig – liegt’s an der chemischen Industrie von Buna, Leuna und Bitterfeld, in der viele Leipziger einst tätig waren bzw. deren Dreck sie bei geeignetem Wind auch daheim atmen durften?
Deutlich drunter liegen die Bergbauregion Freiberg (301,0) und die Sächsische Schweiz (330,9), wobei auch in letzterem Gebiet Wismutaktivitäten zu verzeichnen gewesen sind. Die Autoren des Krebsregister-Internetauftrittes betonen jedoch, dass es falsch sei, aus den Zahlen für das eigene Gebiet ein erhöhtes persönliches Krebsrisiko abzuleiten. Dieses sei, wie so vieles im Leben, von den ganz konkreten, persönlichen Veranlagungen und Umständen abhängig. Wer seine Wohnung mit Asbest tapeziert, hat auch in der heilen Welt rund um Freiberg gute Chancen auf ein Krebsleiden.
Was sagt mir dieses Zahlenwerk ansonsten?
Zum einen, dass mein Schwiegervater ein weiser Mann ist. Er verkündet gelegentlich den aus eingehender Geschichtsbetrachtung gezogenen Schluss, dass es für die Sachsen noch nie von Vorteil war, sich mit Franzosen und/oder Russen einzulassen. Während man den Franzmännern in punkto Krebs keine Vorwürfe machen kann, sieht das bei den Russen, die ja einst „unsere sowjetischen Freunde“ waren, ganz anders aus. Die wühlten in Sachsen und Thüringen ganz heftig im Boden, um ihre Atomwaffen mit nuklearem Sprengstoff befüllen zu können. Vielen Dank auch noch!
Zum anderen sagt mir das Zahlenwerk des Krebsregisters aber auch, dass Statistiken in Laienhand (und das sind Zeitungsmenschen nun mal – zumindest die meisten) mit Vorsicht zu genießen sind. Sinnvoll wäre z.B. eine Gegenüberstellung der Krebsrate mit Angaben zur durchschnittlichen Lebenserwartung: Wer früher stirbt, ist nämlich nicht nur länger tot, sondern hat auch eine deutliche geringere Wahrscheinlichkeit, „später“ an Krebs zu erkranken. Zum anderen hätte der Artikel meiner Lokalpostille durchaus gewonnen, wären die Zahlen des Krebsregisters zusätzlich mit Angaben zur Binnenwanderung unterfüttert worden. Im Klartext: Wer sich „in der Wismut“ die Lunge mit strahlendem Dreck gefüllt hat, dann aber nach Hinterrumpelshausen in Meckpomm gezogen ist, taucht im dortigen Register auf – ebenso wie der niederbayerische Leihbeamte, der zur Aufbauhilfe Ost in die sächsische Landeshauptstadt Dresden gekommen ist und die Früchte seiner Buschzulage nun in der Sächsischen Schweiz genießt.
Aber solcherart Hintergrundberichterstattung ist ja schon Luxus ...
Deutlich über dem Mittelwert liegt auch Leipzig – liegt’s an der chemischen Industrie von Buna, Leuna und Bitterfeld, in der viele Leipziger einst tätig waren bzw. deren Dreck sie bei geeignetem Wind auch daheim atmen durften?
Deutlich drunter liegen die Bergbauregion Freiberg (301,0) und die Sächsische Schweiz (330,9), wobei auch in letzterem Gebiet Wismutaktivitäten zu verzeichnen gewesen sind. Die Autoren des Krebsregister-Internetauftrittes betonen jedoch, dass es falsch sei, aus den Zahlen für das eigene Gebiet ein erhöhtes persönliches Krebsrisiko abzuleiten. Dieses sei, wie so vieles im Leben, von den ganz konkreten, persönlichen Veranlagungen und Umständen abhängig. Wer seine Wohnung mit Asbest tapeziert, hat auch in der heilen Welt rund um Freiberg gute Chancen auf ein Krebsleiden.
Was sagt mir dieses Zahlenwerk ansonsten?
Zum einen, dass mein Schwiegervater ein weiser Mann ist. Er verkündet gelegentlich den aus eingehender Geschichtsbetrachtung gezogenen Schluss, dass es für die Sachsen noch nie von Vorteil war, sich mit Franzosen und/oder Russen einzulassen. Während man den Franzmännern in punkto Krebs keine Vorwürfe machen kann, sieht das bei den Russen, die ja einst „unsere sowjetischen Freunde“ waren, ganz anders aus. Die wühlten in Sachsen und Thüringen ganz heftig im Boden, um ihre Atomwaffen mit nuklearem Sprengstoff befüllen zu können. Vielen Dank auch noch!
Zum anderen sagt mir das Zahlenwerk des Krebsregisters aber auch, dass Statistiken in Laienhand (und das sind Zeitungsmenschen nun mal – zumindest die meisten) mit Vorsicht zu genießen sind. Sinnvoll wäre z.B. eine Gegenüberstellung der Krebsrate mit Angaben zur durchschnittlichen Lebenserwartung: Wer früher stirbt, ist nämlich nicht nur länger tot, sondern hat auch eine deutliche geringere Wahrscheinlichkeit, „später“ an Krebs zu erkranken. Zum anderen hätte der Artikel meiner Lokalpostille durchaus gewonnen, wären die Zahlen des Krebsregisters zusätzlich mit Angaben zur Binnenwanderung unterfüttert worden. Im Klartext: Wer sich „in der Wismut“ die Lunge mit strahlendem Dreck gefüllt hat, dann aber nach Hinterrumpelshausen in Meckpomm gezogen ist, taucht im dortigen Register auf – ebenso wie der niederbayerische Leihbeamte, der zur Aufbauhilfe Ost in die sächsische Landeshauptstadt Dresden gekommen ist und die Früchte seiner Buschzulage nun in der Sächsischen Schweiz genießt.
Aber solcherart Hintergrundberichterstattung ist ja schon Luxus ...
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