Montag, 13. Dezember 2010
Augenzeugen und Experten. Oder: Ein schönes Stück Qualitätsjournalismus von meiner Lokalpostille
Okay, dass sich neuerdings jeder, der mal etwas von einer Sache gehört hat oder zumindest jemanden kennt, der mal dabei war, als ein anderer etwas über eine so ähnliche Geschichte erzählt hat, Experte nennt und mit seinem Expertenwissen im Fernsehen auftritt, muss wohl so sein. Schlimm isses trotzdem.
Von der medialen Verwurstungsmaschinerie blieben so genannte Augenzeugen allerdings bisher weitgehend verschont. Wenn Du dabei warst und etwas gesehen oder zumindest gehört hast, bist Du ein Augenzeuge, wenn nicht, hast Du ruhig zu sein. Ausnahmen galten bisher nur für TV-Korrespondenten von ARD und ZDF, die vom Fenster ihres Kairoer Hotels "live" über Ereignisse in Israel, Jordanien und Somalia berichteten - oder zumindest so taten, indem sie den Zuschauern daheim erzählten, was diverse arabische Sender über den Schirm schickten und was die Zweitaugenmumien aus der ersten Reihe hätten auch selbst im Internet herausfinden können - wenn sie denn könnten.
Aber ich vertrudele mich, ich wollte ja ganz woanders hin: Meine Lokalpostille, die nach eigener Aussage dem Qualitätsjournalismus verpflichtete Leipziger Volkszeitung, machte heute in ihrer Online-Ausgabe eine Mitarbeiterin zur Augenzeugin des Stockholmer Terroranschlages vom Sonntag. Nachzulesen ist das wirklich schöne Stück hier http://nachrichten.lvz-online.de/nachrichten/topthema/das-leben-geht-weiter-augenzeugin-berichtet-nach-dem-versuchten-attentat-aus-stockholm/r-topthema-a-64980.html
Dass die Redakteurin gar nicht am Ort des Geschehens, sondern "ein paar Straßen weiter" im Kaufhaus "Nordiska Kompaniert" beim Weihnachtsshoppen war und dort nicht nur nichts vom Anschlag gesehen, sondern auch nichts gehört und erst im Hotel von dem Anschlag erfahren hat - wen stört das schon? It's not a buck, it's LVZ.

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