Mittwoch, 19. August 2009
Zensursula in Sulzbach. Oder: Die Bundesfamilienministerin beim Rentnerveräppeln
Heute fühlte ich mich ein wenig an meine Grundschulzeit erinnert. Damals, ich war ein hoffnungsfroher und gutgläubiger Erstklässler an der 48. Allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschule zu Leipzig und glaubte meiner Klassenlehrerin Sigrid Ernst so ziemlich alles. Und die Frau hatte es drauf: Sie war lieb und nett, und falls ein Erstklässler doch einmal Mist verzapft hatte, hob sie die Stimme und sagte „Da bin ich jetzt aber traurig.“ Und manchmal, wenn es z.B. um politische Fragen ging, nahm sie es mit Wahrheit nicht ganz so genau, denn die politische Linie musste ja eingehalten werden, auch oder gerade in einer DDR-Grundschule.
Daran fühlte ich mich heute erinnert. Nein, ich kann die regelmäßigen Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches beruhigen: Ich bin nicht der Reinkarnation meiner Grundschullehrerin begegnet, sondern einem Youtube-Video. Dieses zeigt einen Wahlkampfauftritt der Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen.
Guckst Du hier:
http://www.youtube.com/watch?v=PCt1DI5dBTI&feature=player_embedded
Aber: Vorsicht, es folgt selbst für Zensursulas Verhältnisse starker Tobak. Die Frau ist dieser Tage in Sulzbach vor einer Rentnerkompanie aufgetreten. Und dort wiederholte sie all die Lügen über Internet, Zugangserschwernis, Piratenpartei, das Nicht-Abschalten-Können böser Server und was sonst noch so im Kopf der Mutter der Nation vor sich hin blubbert.
Um es deutlicher zu machen: Sie textete nach Art eines auf die Haustürabzocke von Tattergreisen spezialisierten Trickbetrügers mit genau den Lügen und Falschaussagen auf ihre Zuhörerschaft ein, die in den vergangenen Monaten widerlegt worden waren.
Nun bin ich ja gewillt, Zensursula (ebenso wie einem Gutteil der restlichen Bundesministerriege) mildernde Umstände zuzugestehen: Es gehört nun mal zum politischen Geschäft, auch und vor allem über Dinge zu reden, von denen man Null Ahnung hat.

Für das skrupellose Wiederholen von Lügen kann Zensursula allerdings keine mildernden Umstände geltend machen. Schließlich hat die Frau zahlreiche Therapeuten, äh ... Berater, die sie auf solcherart Dinge aufmerksam machen ... sollten. Hier wird vorsätzlich gelogen, weil frau sicher sein kann, dass die Sulzbacher Scheintoten der netten Frau von der Leyen schon ihre Stimme geben werden. Was zählen da Inhalte, was zählt Wahrheit?

Schon der Altmeister der politischen Propaganda hat deutlich gemacht, dass man sich mit der Wahrheit keine unnötige Mühe machen soll, es komme vielmehr darauf an, die dumme Masse zu erreichen. Nachzulesen hier: http://www.amazon.de/Tageb%C3%BCcher-1924-1945-B%C3%A4nde-Kassette/dp/3492252842/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1250663522&sr=1-1

Und Zensursula: Scheute nicht einmal davor zurück, bei ihrem Auftritt zum Wecken der Scheintoten im-Saal-Schläfer gelegentlich einen Claqueur einzusetzen. Wer das beim ersten Anschauen des oben verlinkten Filmchens verpasst haben sollte, kann ja noch mal auf „play“ drücken (Es empfiehlt sich allerdings, zuvor einige Glas Rotwein zu konsumieren, ein Sedativum zu applizieren oder einfach in den Masochismus-Modus umzuschalten). Der gemarteterte Betrachter hört z.B. nach rund drei Minuten zum Ende einer schlecht gespielten Ministerinnenempörungsarie („Himmeldonnerwetternochmal“) einen einzelnen Klatscher, dann setzt brav dröbbelnd die Scheintotengemeinde ein. Wer’s verpasst: Wenig Minuten später gibt’s das selbe Procedere noch einmal.
Der offensichtlich im Dienst der Sulzbacher CDU-Ortsgruppe stehende Videowackelfilmer wird zum unfreiwilligen Dokumentator des Claqueur-Einsatzes, denn er schwenkt gelegentlich nach links; dorthin, wo der Spontanapplaus stets seinen Anfang nimmt. Dort sitzt ein brav gekleideter junger Mensch, neben sich eine semiprofessionelle Kamera auf dem Tisch. Der einbestellte Lokalreporter? Dass der Berichterstatter den Vorklatscher gibt, wird man nicht mal in der tiefsten saarländischen Provinz erleben. Als Lokalschreiber ist man um diese Zeit längst entschlummert oder – falls noch im übereifrigen Alter – am Mitschreiben. Was da gelegentlich im Zappelfilmchen gezeigt wird, ist ein Wissenschaftlicher Mitarbeiter (vulgo: Kofferträger), der die Rede seiner Chefin samt gekünstelter Empörungseinlage offensichtlich schon so häufig gehört hat, dass er die Einsätze zum Klatschen blind trifft. Arme Sau, der Mann.

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