Freitag, 8. November 2013
Ein Urteil für alle freien Zeilenschinder. Oder: Eine Klatsche für die Verlage.
Wer als Schreiberling von seinem Schaffen leben will, ist auf auskömmliche Honorare angewiesen. Leider sieht es damit bei vielen Verlagen nicht all zu toll aus, denn sparen lässt sich am besten bei den Schwachen. Unter diesem Aspekt ist das Verhältnis eines Freien Journalisten zu einer marktbeherrschenden Regionalzeitung nicht wirklich von Gleichberechtigung oder "Augenhöhe" geprägt. Im Gegenteil: Wenn der Freie mosert und mehr Geld will, findet sich immer ein Rentner oder eine anschaffende Hausfrau, die von Gemeinderat oder Karnickelzüchterverein der Sache und der Nennung des eigenen Namens wegen berichten und bei 20 Euro für einen Abendtermin samt eigenem Auto usw. noch "Danke" sagen. Oder ein Praktikant, der ja erstmal "in den Beruf einsteigen will".
Um nicht missverstanden zu werden: Mich geht das nichts mehr an, da ich mich aus dem Geschäft der Zeilenschinderei zurückgezogen habe. Aber ich war lange genug Teil dieses Systems, um zu wissen, was so läuft. Mit ihrem nicht wirklich auskömmlichen Honorar beansprucht(e) zum Beispiel meine Lokalpostille, die dem Qualitätsjournalismus verpflichtete und anteilig der SPD gehörende "Leipziger Volkszeitung", nicht nur das Recht der Erstveröffentlichung meiner Artikel, sondern auch das der unentgeltlichen Mehrfachverwertung im eigenen Blatt und in anderen, zur Verlagsgruppe gehörenden Medien. So stand's auf den Honorarabrechnungen und galt in gleichem Maße auch für Fotos. Im Klartext: Einmal zahlen, beliebig nutzen.
Um so mehr freute es mich gestern, als im Lawblog.de diesen Artikel las http://www.lawblog.de/index.php/archives/2013/11/07/freie-mitarbeiter-sind-kein-freiwild/
Da muss doch tatsächlich ein Verlag seinem freien Mitarbeiter eine nicht ganz geringe Nachzahlung leisten, weil dieser für seine Veröffentlichungen einen Hungerlohn von 25 ct pro Zeile erhalten hatte, die in eklatantem Missverhältnis zur Auflagenhöhe des Blattes standen. Wer's genauer nachlesen will: Das Urteil findet sich hier http://openjur.de/u/638390.html

Nun zahlt meine Lokalpostille, die LVZ, zumindest an ihre etwas verhandlungsgeschickteren Autoren keinen gar so bösen Hungerlohn; aber auch 50 ct sind bei einer verteilten Auflage von noch 204.607 Exemplaren (3. Quartal 2013) nicht die Welt und für Qualitätsjournalismus ein Hohn. Wir reden hier ja nicht vom (Nicht-)Redigieren einer PR-Meldung fürs Lokale, sondern von Recherche, Zeitaufwand, Knowhow und sauberer Schreibe. Und wer mal nachrechnen will: Um als freier Schreiber einigermaßen überleben zu können, sollte man schon an die 5.000 Euro im Monat einnehmen, das entspricht 10.000 Zeilen ...*
Also dann, liebe freischreibende Kollegen im Dienste all der sparsamen Qualitätsmedien: Lest Euch das Urteil genau durch, sammelt Eure Belege, schreibt die nicht erstatteten Fahrtkosten auf ... und klagt zu gegebener Zeit auf Nachhonorierung. Aber wartet nicht zu lange, denn wenn das Holzmedium erst tot ist, gibt's auch keine Knete mehr.

*Natürlich kann ein Freier seine Situation durch Zweitvermarktung usw. verbessern, Und er kann auch mal einen Vortrag halten. Oder einen PR-Text für den örtlichen Bäcker schreiben. Und Freibier bei den Karnickelzüchtern und der Feuerwehr trinken. An der prinzipiellen Lage ändert das nichts. Und falls jemand die genannte Zahl von 5.000 Euro zu hoch findet, sei ihm gelegentliches Nachdenken über den Unterschied von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit empfohlen.

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