Montag, 18. Mai 2009
Dem Rennsteig die Treue. Oder: Sport, Spaß, geplatze Hoffnungen und erfüllte Träume im grünen Herzen Deutschlands beim Rennsteiglauf 2009
„Dem Rennsteig die Treue“ – was für ein markiger Spruch. In Zeiten vorauseilenden politischen Gehorsams ist es eigentlich ein Wunder, dass der Rennsteiglauf angesichts dieses Satzes nicht längst unter innenministerieller Beobachtung und ein SEK am Grenzadler (schon wieder so ein markiges Wort!) steht. Noch dazu, wenn „der Rennsteig“ an einem einzigen Tag rund 15.000 dubiose Gestalten und mindestens ebenso viele Sympathisanten nach Thüringen lockt. Verschärfend kommt hinzu, dass sich unter den 15.000 ein harter Kern von etwa 2.000 Personen befindet, die jegliche staatliche Kontrolle unterwandern und einfach mal so von Eisenach nach Schmiedefeld laufen. Bergauf, bergab durch den Wald, wegen des dichten Laubs weitgehend dem Blick von Satelliten entzogen, dazu ohne überprüfbare IP-Adresse und in aller Regel keinen Ausweis am Mann – da muss etwas faul sein. Das schreit förmlich nach dem Eingreifen unseres allseits beliebten Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble und der mindestens ebenso kompetenten Familienministerin Zensursula von der Leyen.
Der geneigte Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches weiß, dass ich bis zu dieser Stelle den Ironie-Modus eingeschaltet hatte. Hiermit knipse ich diesen Modus aus und bemühe mich nun im Rahmen meiner begrenzten Möglichkeiten um Ernsthaftigkeit.
Also dann: Der Rennsteiglauf ist für Laufbegeisterte das, was für Wohnzimmersportler die Fußball-WM ist – man muss dabei sein. Im Unterschied zu den Couch-Bewohnern sollte man den Rennsteig aber tunlichst selbst ablaufen. Das haben am vergangenen Sonnabend, auf zehn verschiedenen Strecken, die oben genannten 15.000 Menschen getan. Vom Knirpsenlauf über allerlei Wanderstrecken, Halbmarathon und Marathon bis hin zum Supermarathon von Eisenach nach Schmiedefeld ist für jeden Geschmack etwas dabei.
Der Rennsteiglauf ist neben Spreewaldgurke, Multicar, Rotkäppchensekt, Fit und Knusperflocken eines der wenigen DDR-Produkte, die Wende und deutsche Einheit überlebt haben und aufs feinste gedeihen. Eine Mischung aus (breiten-)sportlichem Wettkampf, Härtest, Familienfest und Woodstock - leider mit der Einschränkung, dass das Gras in Thüringen tatsächlich nur Gras ist und zum Rauchen nicht wirklich taugt.
Wer nun glaubt, dass ich auch zu den sympathischen Irren zähle, die mit Schildchen wie „35x dabei“ oder „25x dabei“ auf dem Shirt durch den Thüringer Wald schnaufen, muss sich enttäuschen lassen. Sicher, ich bin durchaus sympathisch und auch irre, aber da ich Läufer noch vor zehn Jahren für behandlungsbedürftig gehalten habe, datiert mein erster Marathon aus dem Jahr 2002. Mein ältestes Finishershirt mit dem Aufdruck „Supermarathon“ trägt die Jahreszahl 2004. Nur der Vollständigkeit halber: Damals (und noch einige Jahre danach) gab es beim Rennsteiglauf tatsächlich noch echte Finishershirts, während die Veranstalter heute leider dazu übergegangen sind, so genannte „Ich-habe-die-Starnummer-abgeholt“-Shirts mit Finisheraufdruck unters laufende Volk zu werfen.
Aber das ist aus meiner Sicht so ziemlich die einzige Verwässerung des Rennsteiglaufgedankens. Wer am Lauftag, 6 Uhr, in Eisenach auf dem Marktplatz steht, erlebt stets die selbe, aufgeregt schnatternde Läufermeute, hört über sich den knatternden TV-Hubschrauber und hetzt wenig später aus der Stadt hinaus/f in Richtung Inselsberg. Wie in jedem Jahr begrüßt ein Plakat des (mitlaufenden) Steuerberaters Holger Sakuth am Ortsausgang die Läufer mit dem demotivierenden Hinweis „Nur noch 72 km bis Schmiedefeld“.
Der Rest ist Normalität. Es wird gelaufen, gescherzt, gestolpert, gefallen, gestöhnt, geschnauft, gepinkelt, geschi..., gefressen, getrunken und immer, immer wieder gelaufen. Über Berge hinweg, durch allerlei Täler, auf mehr oder minder holprigen Wegen, aber auch auf autobahnartig anmutenden Waldpisten, und irgendwann ist der letzte, gemeine Huckel (wer dabei war: der bei ca. km 68) überwunden, die letzte Verpflegungsstelle (die mit dem Bier) passiert, die letzte Straße gequert, unter dem Applaus von Anwohnern und Wanderern durch die Gartenanlage gelaufen – dann gelangt man zur stets freundlichen Polizistin, die charmant nach rechts zur Zielgeraden weist. Noch einige hundert Meter und der Rennsteigläufer erreicht das – einem Reim zufolge – „schönste Ziel der Welt in Schmiedefeld“. Jubel, Applaus, Medaille, Tee aus dem Schlauch, humpeln zur Gepäckwiese, Freibierflasche abholen, übervolles Umkleidezelt, Duschbaracke (in diesem Jahr tatsächlich mit viel Wasser!), dann Bratwurst, Bier und Laufauswertung mit anderen Irren im Festzelt. Das ist der Rennsteiglauf. Jedes Jahr aufs Neue, deshalb heißt es – Wolfgang, aufgepasst! - „Dem Rennsteig die Treue“. Deshalb schläft man im Zelt, in der Turnhalle oder im Auto, steht in aller Hergottsfrühe (Nö, so was muss „Teufelsfrühe“ heißen!) auf, um per Bus zum Start zu kommen, um dort die sympathischen Irren zu treffen, die man in jedem Jahr mehrmals trifft – natürlich bei Läufen.
Ist das alles? Sicher nicht. Jeder hat am Rennsteig seine persönlichen Erlebnisse, findet seine ganz individuellen Erinnerungen. Für mich war es in diesem Jahr eine regnerische Vor-Start-Nacht im Auto, die mich beim Aufstehen gegen 2:45 Uhr fast in eine Sinnkrise stürzte. Es war aber auch das beinahe alljährliche Wunder der Wetterbesserung beim Start. Und es waren die vielen Erlebnisse auf und an der Strecke, der aufopferungsvolle Einsatz der Helfer an den Verpflegungsständen, die Begeisterung all der Fans entlang der 72,7 km, die (ganz und gar nicht alltägliche) Freundlichkeit der Polizisten an den Absperrungen. Wie in jedem Jahr erlebte ich so manchen übermotivierten bzw. untertrainierten Dynamiker, der mich auf den ersten 20, 25km gnadenlos versägte, um bei km 30 oder 50 furchtbar ins Graß zu beißen. Neu war für mich ein Läufer, der in der elften Stunde am Rand der Strecke niedersank und vornüberkippte – doch nicht körperliche Schwäche, sondern religiöse Stärke dokumentierte sich hier. Der erstaunliche Bodenkontakt galt dem Gebet gen Mekka ...
Von Herzen gefreut habe ich mich für die Debütanten aus meinem Verein, dem LC Auensee Leipzig, die die „Königsstrecke“ erstmalig in Angriff genommen und gemeistert haben. Wirklich gezweifelt hatte ich an ihrem Erfolg nicht: Lothar Feicke, ein ultralaufendes M65-Urgestein und zugleich einer der dienstältesten Rennsteigläufer auf der Marathondistanz, musste von mir und anderen Vereinsmitgliedern (ich nenne mich bewusst zuerst, da ich wohl der Rädelsführer war ...) viel Spott dafür ertragen, dass er sich nun erstmals von der „Bambini-„ auf die vermeintliche Männer-Strecke wagte.
Bärbel Köhler, deren Ultra-Karriere noch deutlich jünger ist, meisterte nach einigen Marathons, dem Leipziger 50-km-Lauf und dem Nürnberger 6-Stunden-Lauf nun die Supermarathonstrecke. Sie kam klar unter 9 Stunden ins Ziel, war mit sich und der Welt hochzufrieden und wird dem Rennsteig nun wohl auch die Treue halten (Klar, Du hast Dich im Ziel anders geäußert, aber das zählt nicht!).
Natürlich gab es auch so manchen, den der Rennsteiglauf auf den Boden der Tatsachen zurückbrachte. 72,7 km samt sind eine Menge Holz, dazu kommen knapp 1.500 Höhenmeter, die es zu erklimmen und knapp 1.000, die es hinabzulaufen gilt – da zählen körperliche und mentale Fitness, nicht Wunschdenken und Hochrechnungen, wie sie eine Leipziger Läuferin in grandioser Selbstüberschätzung angestellt hatte. Statt in vollmundig verkündeten „sub 7 Stunden“ reichte es zumindest für immer noch respektable „sub 10“. Mach’ was draus, Ääänschie! Dem Rennsteig die Treue! Im nächsten Jahr wieder.

Nun mag sich der eine oder andere Leser fragen, wie der klugschwätzende Autor dieses Textes den Lauf überstanden hat. Also: Vier Bier und zwei Bratwürste am Vorabend, gut geruht in Schmiedefeld, bis zum Inselsberg ruhig angegangen, dann ohne großes Schnaufen durch den Thüringer Wald getrabt, den Bergen meinen Respekt gezollt, in dem ich den Kopf neigt, den Buckel krumm machte und hinauf wanderte. Irgendwo bei km 50 auf die Uhr geschaut und festgestellt, dass es trotz aller Gemütlichkeit für eine Zeit unter sieben Stunden reichen dürfte. Was es dann mit 6:57:39 h auch getan hat. Ansonsten: Spaß gehabt, die Landschaft und des herrliche Wetter genossen, durch allerlei Schlammlöcher getrampelt und gut gegessen und getrunken. Schon wegen der Schnittlauchbrote, der Heidelbeersuppe, der Wiener und der Knacker ist der Rennsteiglauf ein Muss. Dem Rennsteig die Treue.

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Donnerstag, 7. Mai 2009
Kurze Funkstille. Oder: Ich lauf' dann mal los ...
Der geneigten Leserschaft dieses kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches sei hiermit die Hoffnung auf weitere Einträge vor dem kommenden Sonnabend genommen.
Der Grund ist weder mangelnde Lust noch fehlende Inspiration, sondern schlicht und einfach sportlich bedingte Abwesenheit. Ich mache mich heute auf den Weg nach Berlin. Morgen, am 8. Mai, 9.30 Uhr werde ich mich von dort (Alexanderplatz, Galeria) als Mitglied einer Läufergruppe auf den Weg nach Leipzig machen. Die Route führt zunächst im Sinne des Sightjogging durchs Brandenburger Tor und an der Goldelse entlang, dann nach Süden.
Da die Gruppe zum größten Teil aus staffellaufenden Kindern besteht und diese nächstens nicht unterwegs sein dürfen, werden wir beim Ruderclub in Wittenberg Quartier nehmen. Am Sonnabendmorgen geht's wieder auf die Piste. Wenn alles klar geht, treffen wir am 10. Mai gegen 15 Uhr auf dem Leipziger Neumarkt ein.
Wer sich dem langwierig-kurzweiligen Lauf über ca. 180 km zugesellen möchte, möge mich anfunken. Mein Nümmerlein steht hier auf der Blog-Seite, ganz oben.

Uuups: Blöder Fehler - natürlich waren wir am 9. Mai schon wieder in Leipzig. Und sogar die 15 Uhr haben dank eines anständigen Endspurts gepasst. Dass da oben vom 10. Mai die Rede war, bitte ich zu entschuldigen. Mindestens ein Leser dieses tagebuches war am Sonntagnachmittag umsonst bei Galeria ...

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Freitag, 24. April 2009
Wolfgang Schäubles Dopingvergangenheit. Oder: Gedächtnislücken beim obersten deutschen Sportfunktionär
Dr. Clemens Prokop, seines Zeichens Präsident des Deutschen Leichtathletikverbandes DLV, hat mit Doping nichts am Hut. Nicht mit heutigem, kommendem und gewesenem. Besonders letzteres ist ein Thema, wenn heutige Erfolgssportler und/oder -Trainer, sofern sie aus der DDR stammen, abgeschossen werden sollen. Es ist schon erstaunlich, dass immer mal wieder irgendein vermeintlicher Gutmensch unter einem Stein hervorkrabbelt, auf Trainer mit Ost-Vergangenheit zeigt und diesem eine Verstrickung ins Dopingssystem der einstigen DDR unterstellt.
Aufarbeitung ist angesagt, und genau die befürwortet DLV-Chef Prokop. So begrüßte er auch die Erklärung von fünf DLV-Trainern zu ihrer Vergangenheit in der DDR. Guckst Du hier: http://www.deutscher-leichtathletik-verband.de/index.php?SiteID=393&NewsID=21800 In besagter DLV-News sagt Prokop u.a.: „Die nun unterzeichnete Trainer-Erklärung ist kein Ersatz für die grundlegende Aufarbeitung von Doping in Ost und West vor 1990, die nach wie vor zwingend auch für den Westen notwendig ist …”
Dieses Statement stammt vom 6. April 2009, danach war es einige Zeit ruhig. Gestern hörte ich Radio noch einmal die Forderung von der Aufarbeitung der Doping-Vergangenheit West. Sehr lobenswert. Allerdings sollten auch hier nicht nur die Handlanger eines staatlichen Dopingsystems die sprichwörtlichen Hosen herunterlassen müsse. Nein, man sollte auch den politischen Wegbereitern des Dopings Licht am Hacken machen. Man sollte auch den Sportfunktionären, die ein solches System mitgetragen haben, Licht am Hacken machen.
Nun mag sich der eine oder andere Leser dieses kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches fragen, worauf ich mit dieser Forderung ziele. Da gibt es zum einen führende Funktionäre im DOS, die durchaus nicht immer so vehement gegen das Doping gewesen sind, wie sie es heute gern darstellen.
Besonders liegt mir in punkto Aufarbeitung der Doping-Vergangenheit West jedoch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble am Herzen, heute nicht nur Befürworter eines Überwachungsstaates, sondern Kraft seines Amtes zugleich Nummer 1 der bundesdeutschen Sportpolitik. Besagter Wolfgang Schäuble hat sich vor rund 30 Jahren (das ist in etwa der historische Abstand, um den es bei einigen der heute am Dopingpranger stehenden Trainer-Ost geht) im Deutschen Bundestag öffentlich für Doping ausgesprochen. Nur so könne man im sportlichen Wettbewerb mit dem Ostblock bestehen, lautete seine damalige Begründung. Eine Distanzierung von dieser Forderung, die übrigens im Archiv des DLF gespeichert ist, hat meines Wissens bisher nicht stattgefunden. Aber vielleicht erinnert sich Anti-Doping-Schäuble ja gelegentlich daran, dass er Doping als probates Mittel gefordert hat.

Allerdings sollte man nicht zuviel Hoffnung habe, denn mit Schäubles Gedächtnis ist es nicht so weit her. Am 2. September 1999 erklärte er in öffentlicher Bundestagssitzung, dem Waffenhändler Karlheinz Schreiber „im Spätsommer oder Frühherbst 1994“ bei einem Gesprächsabend in einem Bonner Hotel kurz vorgestellt worden zu sein. Wenige Wochen später musste Schäuble zugeben, dass er von Schreiber 1994 eine Barspende von 100.000 DM erhalten und diesen auch 1995 wieder getroffen habe. Im September 2000 leistete Schäuble vor dem Bundestag Abbitte für seine kreative Schwindelei – nachdem ihm diese nachgewiesen worden war.

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Mittwoch, 22. April 2009
Sportstadt Leipzig reloaded. Oder: Lauft euren Marathon doch woanders!
Vor einigen Tagen schwadronierte ich in meinem kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuch über den Niedergang der Sportstadt Leipzig und über den Realitätsverlust gewisser Kommunalpolitiker, die diesen leugnen und entsprechende Veröffentlichungen in den Medien als böse, böse Feindpropaganda abtun. Guckst Du hier: http://zeitungsdieb.blogger.de/stories/1382267/
Wie weit meine Heimatstadt inzwischen von ihrem einstigen Ruf als Mekka des Sports entfernt ist, machte der hiesige Marathon, seines Zeichens mit nunmehr 33. Auflagen ältester deutscher Stadtmarathon deutlich.

Nein, ich will jetzt nicht über die euphorischen Vorabmeldungen lästern, die dem Marathon einen neuen Teilnehmerrekord prophezeiten. War ja nun doch nichts, denn bei Berücksichtigung aller irgendwie sportlichen Angebote, zu denen beinahe auch noch Teebeutelweitwurf und Kleinstkinderwettkrabbeln gezählt worden wären, konnten die Macher des Marathons lediglich 7096 Aktive zählen – und das waren rund 350 weniger als im Vorjahr. Macht nix.

Nein, ich lästere auch nicht darüber, dass die Zahl der Finisher über die Marathondistanz mit 560 Männern und 83 Frauen nicht wirklich gigantisch ist. Im Gegenteil, im Vorjahr kamen nur 540 Männer und 76 Frauen an, folglich ist die Zahl der erfolgreichen Marathonis sogar gestiegen. Und dass Leipzig mit seinem Marathon eher provinziell daherkommt, ist keine Schande – es passt zur Provinzialität der Stadt, in der gemauschelt und gekungelt wird wie im tiefsten Bayern.
So lange hier keine attraktivere Strecke mit tollen Sehenswürdigkeiten und einem Zieleinlauf am Alten Rathaus (gab's schon) oder in der Glashalle der Leipziger Messe (gab's noch nicht) gefunden wird, bleibt der Leipzig-Marathon ein Provinzlauf.

Dass Leipzig keine Sportstadt mehr ist, machten andere Details deutlich. Der wohlsituierte Mitteldeutsche Rundfunk strafte den hiesigen Marathon durch weitgehende Missachtung. Das soll nicht heißen, dass die Veranstaltung boykottiert wurde. Aber man hätte dem tumben Couchsportler ja durchaus ein wenig Marathonstimmung live ins Wohnzimmer schicken können. Einfach eine Kamera im Start-Ziel-Bereich aufstellen und eine zweite auf der Strecke – das hätte das Programm preisgünstig gefüllt und dem Marathon gedient. Und so viel Geld sollte der mdr trotz aller Börsenzockerei noch in der Kasse haben.
Dass Leipzig alles andere als eine Sportstadt ist, machten aber auch die Stimmen empörter Autofahrer deutlich, die die vorsorglich schon drei Wochen vorab aufgestellten Sperrschilder einfach ignorierten und sich am Marathonsonntag prompt in ihren Bürgerrechten eingeschränkt sahen. Meine Lokalpostille, die Leipziger Volkszeitung, hatte zwar vorab über die Verkehrseinschränkungen berichtet, aber selbst Redakteure und Redakteusen besagter Zeitung kamen nicht zum Dienst, weil sie ihre eigene Zeitung nicht gelesen hatten (Was nicht unbedingt gegen die Nichtleser spricht, aber das ist ein anderes Thema.).
Die LVZ berichtete von tobenden Chauffeuren, geifernden Autofahrern, Gewaltätigkeiten gegen Ordner und ahnungslosen Polizisten, die vom Marathon mal wieder überrascht worden waren. Wie jedes Jahr. Auf die Idee, am Tag nach dem Lauf die Ergebnisliste in Kleinstschrift ins Blatt laufen zu lassen, wie das die Zeitungen in anderen (Sport-)Städten machen, kamen meine Lokalpostillione nicht.

Fazit: Frust und Gemecker allerorten, Geschimpfe gegen die Teilnehmer, dass diese doch bitteschön woanders laufen mögen. Was sie ja in der übergroßen Mehrheit auch tun, drum dümpelt der hiesige Marathon trotz des Engagements vieler Helfer leider nur in der Regionalliga der Laufveranstaltungen herum.

Sportstadt Leipzig? Das ist Geschichte.

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Montag, 20. April 2009
Unterwegs im Gottesgarten. Oder: Obermainmarathon
Am Sonntag bin ich den Obermain-Marathon gelaufen. Mal wieder. Bei strahlendem Sonnenschein, leichtem Wind, also idealem Laufwetter. An Höhenmetern mangelt es auf der Marathonstrecke ebenso wenig wie an spektakulären Sehenswürdigkeiten und faszinierenden Ausblicken, so z.B. vom Staffelstein. Dank des herrlichen Wetters kann ich nun auch verstehen, warum diese Gegend den Beinamen Gottesgarten trägt. Beneidenswerter Landstrich.
Wer nachschauen will: www.obermain-marathon.de

Zum sportlichen Teil: Ein toller Lauf, aufs Allerfeinste organisiert. Man merkt, dass hinter dem Obermain-Marathon keine Event-GmbH steht, deren GF gehört hat, dass man mit "sowas" Knete verdienen kann, sondern eine Gruppe enthusiastischer Läufer. Fünf Sterne.

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Samstag, 28. Februar 2009
De Hesse komme. Oder: Ein Gruß an den neuen Leser aus ...
Die geneigten Leser meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches wissen, dass ich ein gewisses Faible für IP-Adressen und die gelegentliche Verschwurbelung derselben habe. Ihnen ist auch bekannt, dass ich hin und wieder schaue, wer in meinem Tagebuch so mitliest. Schön finde ich, und diese Begeisterung habe ich an dieser Stelle noch nicht kundgetan, dass es neben den dynamischen IP-Adressen, die vom Provider bei der Einwahl ins Netz vergeben werden, auch statische gibt. Das sind zum einen Adressen innerhalb eines Netzwerkes, die bestimmten Computern oder anderen Geräten fest zugeteilt werden, zum anderen aber auch die Netzwerkanschlüsse bestimmter Unternehmen, Behörden und Ministerien, die stets mit ein und derselben IP-Adresse ins Web gehen.
Nun gibt es abgrundschlechte Menschen (Ich verabscheue sie, pfui Deibel!), die die letztgenannten statischen Adressen sammeln und publik machen. Das geht soweit, dass einige dieser bösen, bösen Menschen auf ihren Seiten kleine Anwendungen betreiben, die sich normalerweise still verhalten, den Inhaber einer solchen Behördenadresse aber freundlich mit Anreden wie „Hallo, BKA!“ begrüßen. Wenn er denn mit einer der bekannten BKA-Adressen surft.
Wie gesagt, ich verabscheue solcherart Datensammlung, aber mitunter werde ich auch schwach und erliege der Versuchung, bei der einen oder anderen IP mal nachzuschauen. Ähem. Umso mehr freue ich mich, dass seit einiger Zeit auch Angehörige der hessischen Sicherheitskräfte zu meinen Stammlesern gehören. Mehr will ich nicht ins Detail gehen, um meinen neuen Fan nicht zu outen. Nur so viel: Sei herzlich willkommen beim Zeitungsdieb und seinen laufenden Gedanken. Einer Deiner Mitstreiter lässt sich auch regelmäßig hier blicken.

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Freitag, 27. Februar 2009
Doping-Beichte. Oder: Hustenfrei und Spaß dabei.
Hallo Lance, hi Floyd; na Dieter, wie geht’s? Und Jan, wieder Gewichtsprobleme? Wie läuft’s, Katrin? Bitte entschuldigt die vertrauliche Ansprache, aber ich fühle mich Euch nun deutlich mehr verbunden als noch vor wenigen Wochen. Ich nehme nun auch das eine und das andere Mittel ein, das auf der Verbotsliste der Welt-Antidopingagentur WADA bzw. deren deutschem Äquivalent NADA steht (Guckst Du hier: http://www.nada-bonn.de/ und vor allem hier: http://www.nada-bonn.de/fileadmin/user_upload/nada/Downloads/Listen/2008_List_En.pdf )
Dass ich so offen darüber spreche, liegt nicht daran, dass ich ertappt wurde und nun einen „auf Kronzeuge“ mache. Nönö, es hat sich ja gezeigt, dass das nichts bringt und den betreffenden reuigen Sünder ganz schnell ins Abseits radeln lässt, während diejenigen, die sich an die Omertà halten, damir besser fahren und vor allem schneller und besser bezahlt wieder mitfahren dürfen als ihre Kollegen, die die Pentito-Nummer (guckst Du hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Pentito ) abziehen. Schweigen kann wirklich Gold sein, gelle Lance?
Um aber auf meine Doping-Karriere zu kommen: Da Ultralauf nicht wirklich ein Sport ist, mit dem man finanziell auf einen grünen Zweig kommt, sind auch die Verlockungen, durch Doping ein wenig mehr Leistung aus sich herauszukitzeln, eher gering. Schließlich fehlt der großzügige Sponsor, der den Ultraläufer mit Barem überhäuft, sollte dieser bei den 24 Stunden von Hoyerswerda (Guckst Du hier: http://www.hoyerswerda-marathon.de/ ) mal eben so 240 km laufen. Sicher, es gibt ein dem Multi-Level-Marketing verschriebenes Unternehmen aus der Nahrungsergänzungsbranche, das dem erfolgreichen Läufer ein Kistchen seiner zauberhaften Essenzen („Alles natürlich!“) spendieren könnte, aber dafür dopen und womöglich riskieren, dass des Nachts das Blut in den Adern geliert - nönö.
Meine Beweggründe sind folglich pragmatischerer Natur: Mich quälte seit jüngerer Zeit zumeist nächtliches Gehuste und Gepfeiffe, das mir selbst entwich und den erquickenden Nachtschlaf raubte. An Prosecco und gut ausgebauten Rotwein war kaum noch zu denken, da solcherart Genüsse die Anfälle zusätzlich provozierten. Mitunter saß ich wortkarg am Frühstückstisch, weil mir die Luft zum Brabbeln fehlte. Wer mich und meine Plaudermanie ein wenig kennt, weiß, was ich durchlitt.
Nach einigen besonders unerfreulichen Erlebnissen im Spätherbst vergangenen Jahres suchte ich einen Pulmologen heim, der bei mir asthmatische Unerfreulichkeiten diagnostizierte und mich mit Mittelchen zur akuten Symptombekämpfung und langfristigen Therapie versah.
Fazit: Es hilft, die Lunge tut wieder störungsfrei ihren Dienst, Leben und Laufen machen wieder Spaß und meine unerfreuliche Anfälligkeit gegen diverse Getränke ist auch verschwunden.
Und außerdem sieht man diese Behandlung nicht - im Gegensatz zu dem wirklich bescheuerten Nasenpflaster, dass so mancher Volksläufer im Hoffen auf den Turboeffekt in seinem Gesicht platziert.
Aber – und nun kommt die Sache mit WADA, NADA und der Dopingliste – die überaus nützlichen Pharmazeutika fallen unter die verbotenen Substanzen, weil wohl der eine oder andere Profisportler damit über des Nasenpflasters Wirkung hinausgehend Luft in seinen Organismus strömen ließ.
Dass ich mich dennoch als Konsument solcherart tunender Substanzen oute, liegt an der „Medizinischen Ausnahmegenehmigung für die Anwendung von Beta-2-Antagonisten durch Inhalation”. Selbige schützt mich davor, sollte ich bei der Auslosung der nach einem Lauf zu testenden Aktiven zum beaufsichtigten Urinieren geschickt werden, plötzlich als Missetäter entlarvt und in einen Topf mit Lance, Dieter, Floyd, Jan und anderer Schwerverdienern geworfen zu werden.
Denn da gehöre ich nun wirklich nicht hin – weder sportlich noch einkommensmäßig (leider), aber auf gar keinen Fall moralisch.

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Samstag, 31. Januar 2009
Steigerwald wird Hybrid. Oder: Hirn für die Bosse der Rasenkomiker
Zugegeben: Fußball ist nicht mein Ding. Muss es aber auch geben, schließlich bringt’s Quote und stellt das Volk ruhig. Dafür dürfen dann auch ein paar (wenn’s nur ein paar wären ...) Millionen verbrannt werden – pro Mannschaft.
Und wenn es bei den Fußballern nicht läuft? Dann ist der Trainer schuld. Oder das Stadion.
In ersterem Falle wird gefeuert, in letzterem gejammert und um- oder neugebaut vor viele Millionen. Diese kommen von einem Investor, vom Land oder der Kommune. Theoretisch auch vom Fußballverein, aber das ist – wie gesagt – eher theoretisch.
In aller Regel wird ein solcher Neubau damit begründet, dass die unterklassige Mannschaft der Provinzstadt X schon lange zum Gespött der Liga geworden ist, dass der DFB die Zulassung entzieht und der Wieder aufstieg in die vorletzte Klasse nur mit neuem Stadion möglich ist. Und überhaupt. Dass das Stadion nichts mit der Leistung der Mannschaft(en) zu tun hat, sieht man sehr schön in Leipzig. Dort gibt es ein sehr schönes WM-Stadion, das seit der WM nur noch wenig genutzt wird und den örtlichen Rasenkomikern wahrlich nicht zu Höhenflügen verhilft. Weil sie’s nicht draufhaben und weil sie sich das Spiel in besagtem WM-Stadion kaum leisten können – schon wegen der Nebenkosten.
Aber weil ja jeder das Recht hat, seine Fehler selbst zu machen, wurden nun in Erfurt per Stadtratsbeschluss die Weichen für den Um- oder besser Neubau des Steigerwaldstadions gestellt. 30 Millionen kostet der „Um”-Bau, acht steuert die thüringische Landeshauptstadt Erfurt bei, der Rest soll, so die Forderung der Grünflächenartisten, vom Land kommen. Damit wieder Leistung gebracht werden kann. Schaunmermal.
Lustig ist aber die Beschreibung des neuen Stadions. Dabei soll es sich um ein Hybridstadion handeln. Wer nun an ein Stadion mit Verbrennungs- und Elektromotor denkt, liegt falsch. Mit Hybrid meinen die Planer ein Stadion, in dem König Fußball sich soweit herablässt, sogar anderen Sportarten ein wenig Platz einzuräumen. Neben den humpelnden Grastretern sollen auch Leichtathleten ins Stadion dürfen. Sowas war früher – siehe Steigerwaldstadion oder Stuttgarter Daimler-Arena – die Norm. Erst in jüngerer Zeit störten sich die Fußballbosse daran, dass bei der Übertragung im TV zwischen überbezahlten Kickern und Werbebande noch eine Tartanbahn im Bild war. Folglich sperren heutige „moderne“ Stadien, die zum überwiegenden Teil mit Steuermitteln finanziert werden, einen großen Teil der Sportarten aus, nur um König Fußball gut ins Bild zu setzen.
Schön, dass das zumindest in Erfurt nicht der Fall sein wird. Voraussichtlich. Denn vielleicht muss ja noch gespart werden, dann fällt die Tartanbahn weg ...
Denn Fußballfunktionären, Planern und Erfindern des Wortes Hybridstadion sei auf alle Fälle ein Hybridhirn gewünscht: Eines, das nicht nur die hohle Rübe füllt, sondern auch zum Denken geeignet ist.

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Montag, 19. Januar 2009
Offener Brief an einen Veranstalter. Oder: Nicht mit dieser Funktionärsfigur
Heute muss ich mich bei denjenigen Lesern meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches entschuldigen, die mit dem Laufsport, insbesondere dem Ultralauf, nichts am Hut haben. Sie mögen den folgenden Text einfach ignorieren. Den "Ultras" unter meinen Lesern sei verraten, dass ich am Wochenende die Einladung zum Delmenhorster 24-h-Lauf erhielt, der in diesem Jahr mit der 1. DLV-Challenge gekoppelt ist. Und da diese wiederum mit dem Namen des DLV-Ultramarathonberaters Volkmar Mühl zusammenhängt, kommt für mich eine Teilnahme an dieser Veranstaltung auf keinen Fall in Frage. Nicht mal für Freistart und Freibier.
Aus diesem Grund habe ich dem Veranstalter die folgende Mail geschrieben, die zugleich auch an alle anderen Empfänger der Einladung verschickt wurde:

Lieber Karl-Ludwig Rittel,
vielen Dank für Deine freundliche E-Mail und die Einladung zum diesjährigen 24-Stunden-Lauf in Delmenhorst. Da Du sicher meinen Bericht über Eure vorjährige Veranstaltung gelesen hast, weißt Du, dass es mir in Delmenhorst sehr gut gefallen hat. Nur zu gern wäre ich in diesem Jahr zur DUV-DM wieder bei Euch gelaufen – aber unter den aktuellen Rahmenbedingungen kann und will ich das nicht tun.
Zur Begründung: Meine Entscheidung richtet sich weder gegen den Burginsellauf noch gegen Eure Leistung als Veranstalter, sondern gegen die Kopplung des Burginsellaufes mit der 1. Deutschen 24-h-Challenge. Letztere ist aus meiner Sicht untrennbar mit dem Namen des DLV-Ultramarathonberaters Volkmar Mühl verbunden. Nach meinem Kenntnisstand hat es wohl noch kein Funktionär geschafft, dem Anliegen des Ultramarathonlaufes in Deutschland in einem so erschreckenden Maße zu schaden wie eben dieser Volkmar Mühl. Die Einzelheiten sollten Dir als Nutzer des DUV-Forums hinlänglich bekannt sein.
Mit (m)einem Start in Delmenhorst – ganz gleich, ob auf dieser oder jener Runde – würde ich mich vor den Karren dieser Figur spannen lassen. Da ich das nicht will, setze ich aufs kommende Jahr, wenn Euer Lauf hoffentlich nicht mehr mit diesem leidigen Namen verbunden sein wird. Wenn der DLV trotz aller bisherigen Vorfälle an seinem dubiosen Ultramarathonberater festhält, so soll dieser zumindest vor möglichst kleinem Publikum agieren und sich nicht noch mit einer vermeintlichen Rekordteilnahme schmücken können.
Aus gleichem Grund werde ich auch nicht bei Lauffreunden „für Delmenhorst“ werben, sondern im Gegenteil jedem von der Fahrt zu Euch abraten und statt dessen auf die Teilnahme an der DUV-DM in Stadt Oldendorf orientieren.

Lieber Karl-Ludwig Rittel,
bitte sieh diese Entscheidung meinerseits nicht als Angriff auf Deine Person bzw. Deine Mitstreiter. Ich bedaure sehr, dass Ihr mit Eurer Veranstaltung zwischen die Fronten eines Konfliktes geraten seid, den ein gewisser Volkmar Mühl vom Zaun gebrochen hat. Sobald Ihr besagten Funktionär samt seiner Challenge aus dem Tempel gejagt habt, könnt Ihr wieder auf meine Teilnahme und Unterstützung zählen.

Bis (hoffentlich) 2010
André Dreilich
„Der Zeitungsdieb“

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Mittwoch, 7. Januar 2009
Alpinski, Physik und die menschliche Dummheit. Oder: Nachunfallgedanken
Der von mir hochgeschätzte Ultraläufer Werner Sonntag hat sich in seiner Laufreport-Kolumne (guckst du hier: http://www.laufreport.de/vermischtes/sonntag/sonntag.htm), ausgehend vom Ski-Unfall des thüringischen Ministerpräsidenten Althaus, mit dem Ski-Massentourismus beschäftigt. Da auch ich mich vor einigen Tagen noch der industrialisierten Alpin-Gaudi hingegeben habe, konnte ich seine äußerst lesenswerten Gedanken gut nachvollziehen – und kann auf einige eigene Ergänzungen beim besten Willen nicht verzichten.
Um es vorweg zu nehmen: Eine Wertung zum Althaus’schen Ski-Unfall werde ich nicht vornehmen. Und: Trotz des Rummels und des mitunter nervigen Wartens und Drängelns an allerlei Liften macht das Schneegerutsche einen Heidenspaß. Noch dazu, wenn man wie ich zwar ein Bewegungsidiot und daher allenfalls mittelmäßiger Fahrer ist, dank des läuferischen Ausdauertrainings aber auf längeren Abfahrten die meisten vermeintlichen Freaks und Jungdynamiker abkochen kann. Dieser Effekt wird immer deutlicher, je weiter der fortschreitet. Oder, anders formuliert: Je später der Tag, desto schlapper die Skifahrer.
Womit wir bei einem generellen Problem angekommen sind: Ein erschreckend großer Teil der Pistennutzer ist praktisch untrainiert und stellt sich pro Winter in einer oder zwei Wochen auf die Hightech-Bretter. Dabei handelt es sich zumeist um Carver, die gutmütig ausgelegt und leicht beherrschbar sind.
Diese an sich löblichen Eigenschaften verführen viele der Gelegenheitsskifahrer zu immer flotterem Fahren und immer waghalsigeren Manövern, die sie angesichts ihrer eingeschränkten technischen Fähigkeiten und Kondition nur unzureichend beherrschen und in ihren Folgen abschätzen können. Der Vergleich zum Auto drängt sich auf: ABS, ESP, Einparkhilfe und all die anderen Wunderdinge bügeln viele Fahrfehler aus, machen aus einem miesen Chauffeur aber keinen Michael Schumacher.
Und während beim Auto Airbag, Knautschzone und andere Helferlein dafür sorgen, dass im E-Fall die Folgen persönlichen Unvermögens – ggf. auch anderer – in Grenzen gehalten werden, erlebt man beim Skifahrern die Wirkung der Physik sehr direkt. Dann knacken schon mal Knochen, dann fließt auch mal Blut.
In seinem o.g. Beitrag schreibt Werner Sonntag, dass Skifahrer durchaus schon bis zu 70 km/h erreichen können. Lieber Werner, in diesem Punkt muss ich Dir widersprechen. Ich hatte in den vergangenen Tagen „mein Garmin“ mit auf der Piste und erreichte trotz betont zurückhaltender Fahrweise locker die „70 Sachen“ – und wurde dabei reichlich überholt. Wer der Beschleunigung freien Lauf lässt, kann ohne große Mühe auf öffentlichen Skipisten die 100er Marke kratzen – ob er diese Geschwindigkeit beherrscht, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Natürlich, Helme und Protektoren können so manchen Crash entschärfen, doch mehr Sicherheit auf der Piste bringen sie nicht. Wenn eine wohlverpackte menschliche Kanonenkugel mit Highspeed in den Wald rauscht, gibt es Bruch. Wenn diese Kugel einen anderen Skifahrer trifft, ist diesem ein Flug ins Spital sicher.
Mir kommt bei diesem Satz eine Parallele zum Zugspitzlauf in den Sinn. Viele Freizeitsportler haben ein hohes Anspruchsdenken und leisten sich eine gefährliche Vollkaskomentalität, beides lässt sie die Eigentverantwortlichkeit aus den Augen verlieren. Beim Unglück an der Zugspitze sind viele Läufer im Bewusstsein der gezahlten Startgebühr ohne Sinn und Verstand und angemessene Kleidung in den Berg gestiegen. Auf den alpinen Pisten ist das nicht anders: „Ich habe einen Urlaub gebucht, ich zahle 160 oder 180 Euro für den Skipass, ich habe die neusten Racecarver, Helm und Protectoren – also muss ich mich um nichts kümmern“, scheinen viele Hilfsrennpiloten zu denken.
Dass gegen diese gefährliche Mixtur aus Dummheit, Selbstüberschätzung und Rücksichtslosigkeit durchaus ein Kraut gewachsen ist, beweisen die oft als „südländisch-lässig“ geschmähten Italiener. Auf den Pisten der Sellaronda habe ich schon mehrfach Carabinieri erlebt, die nicht nur schneidig aussahen, sondern auch knallharten Dienst taten: Kaum in Kraft getreten, wurde vor Jahren die Einhaltung der Helmpflicht für Kinder durch Kontrollen und Strafen durchgesetzt. Geschwindigkeitsmessungen an gefährlichen und entsprechend markierten Pistenabschnitten sind an der Tagesordnung. Und die Skibullen haben sogar den Mut, sich zu nachmittäglicher Stunde mit all zu lustigen Hüttenkunden anzulegen …
Als ich vor einer Woche vom Unfall des Thüringer MP erfuhr, bot ich meinen Ski-Mitfahrern eine Wette darüber an, dass nun all die Verbände und Bedenkenträger in Deutschland eine Verschärfung von Vorschriften bis hin zu generellen Helm- und Wasweißich-Pflicht fordern werden. Das ist tatsächlich eingetreten, aber schlichtweg Unfug.
Wie so oft kommt es darauf an, nicht neue Vorschriften zu erlassen, sondern bestehende (Guckst Du z.B. hier: http://www.sportunterricht.de/ski/regeln.html) durchzusetzen. Nur so können unbelehrbare Idioten gebremst werden.

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