Montag, 13. Dezember 2010
Gastronomischer Zeitsprung. Oder: Aus meinem Büro geplaudert.
Kürzlich fühlte ich mich plötzlich um 10, nein 15 Jahre jünger. Oder, genauer gesagt, um eine ebensolche Zeitspanne zurückversetzt. Ausgelöst hatte diesen gefühlten Zeitsprung die Arbeit an einer Kundenzeitschrift, genauer gesagt an einem Teil derselben. Im Rahmen eines so genannten "Specials" wurden auf mehreren Seiten Unternehmen der Gastronomie mit ihren kulinarischen und sonstigen Höchstleistungen vorgestellt. Die Maitres stellten das dazu benötigte Material (nichts Essbares, es ging um Informationen, Fotos usw.) zur Verfügung. In zwei, drei Fällen klappte das ganz gut, ich erhielt eine lesbare (!) Datei mit einer fertig gestalteten Unternehmenspräsentation. Zwar lässt sich über Geschmack streiten, aber zumindest ist die Arbeit so recht angenehm. Die anderen Kochlöffelschwinger demonstrierten mir hingegen die Richtigkeit der alten Weisheit "Schlimmer geht immer". Einige grauslige Bilder kamen per E-Mail, die Stichworte zum segensreichen Tun des Bierzapfers immerhin als Word- oder sonstwas-Datei. Doch die Mehrheit wollte von solcherart modernem Kram rein gar nichts wissen und schickte mir wie anno dunnemals Zettelchen und Bilderchen, die es in sich hatten und die ich erfassen bzw. scannen durfte. Dass ein Kneiper kein Kalligraph sein muss, leuchtet mir ein, dass er aber seine unternehmerische Selbstdarstellung mit Bleistift auf einen Kellnerblock kritzelt, eher nicht.
Über die meisten der gelieferten Fotos decke ich den Mantel des Schweigens. Nur so viel: Wenn die Zukunft der deutschen Gastronomie von diesen Aufnahmen abhinge, sollte ein jeder Kneipengänger bzw. Restaurantbesucher ganz schnell lernen, selbst zu kochen ...

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Augenzeugen und Experten. Oder: Ein schönes Stück Qualitätsjournalismus von meiner Lokalpostille
Okay, dass sich neuerdings jeder, der mal etwas von einer Sache gehört hat oder zumindest jemanden kennt, der mal dabei war, als ein anderer etwas über eine so ähnliche Geschichte erzählt hat, Experte nennt und mit seinem Expertenwissen im Fernsehen auftritt, muss wohl so sein. Schlimm isses trotzdem.
Von der medialen Verwurstungsmaschinerie blieben so genannte Augenzeugen allerdings bisher weitgehend verschont. Wenn Du dabei warst und etwas gesehen oder zumindest gehört hast, bist Du ein Augenzeuge, wenn nicht, hast Du ruhig zu sein. Ausnahmen galten bisher nur für TV-Korrespondenten von ARD und ZDF, die vom Fenster ihres Kairoer Hotels "live" über Ereignisse in Israel, Jordanien und Somalia berichteten - oder zumindest so taten, indem sie den Zuschauern daheim erzählten, was diverse arabische Sender über den Schirm schickten und was die Zweitaugenmumien aus der ersten Reihe hätten auch selbst im Internet herausfinden können - wenn sie denn könnten.
Aber ich vertrudele mich, ich wollte ja ganz woanders hin: Meine Lokalpostille, die nach eigener Aussage dem Qualitätsjournalismus verpflichtete Leipziger Volkszeitung, machte heute in ihrer Online-Ausgabe eine Mitarbeiterin zur Augenzeugin des Stockholmer Terroranschlages vom Sonntag. Nachzulesen ist das wirklich schöne Stück hier http://nachrichten.lvz-online.de/nachrichten/topthema/das-leben-geht-weiter-augenzeugin-berichtet-nach-dem-versuchten-attentat-aus-stockholm/r-topthema-a-64980.html
Dass die Redakteurin gar nicht am Ort des Geschehens, sondern "ein paar Straßen weiter" im Kaufhaus "Nordiska Kompaniert" beim Weihnachtsshoppen war und dort nicht nur nichts vom Anschlag gesehen, sondern auch nichts gehört und erst im Hotel von dem Anschlag erfahren hat - wen stört das schon? It's not a buck, it's LVZ.

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Gesegnete Weihnacht ohne Kirche. Oder: Neues vom Pfaffenticker
Der Evangelische Pressedienst epd meldet hier http://www.epd.de/nachrichten/nachrichten_index_83041.html , dass 43 Prozent der Deutschen zu Weihnachten (nein, nicht an!) in die Kirche gehen werden, 53 Prozent werden dies nicht tun. Im Osten Deutschlands haben übrigens nur 21 Prozent der Befragten (Für Pisa: Viere gehen, einer nicht) Ambitionen, sich einer heiligabendlichen Hirnwäsche zu unterziehen und dann noch mit schlechtem Gewissen an der Spendensammelkiste vorbeizumogeln.
Der Pfaffenticker verweist übrigens stolz darauf, dass Weihnachten für die heiligen Heerscharen die Hauptkampfzeit ist, denn „Die Gottesdienste an Heiligabend sind mit weitem Abstand die besucherstärksten in den christlichen Kirchen.“ Was da cash und ohne Quittung in die Beutel und Büchsen kommt ...
Hier gibt es übrigens eine Parallele zum Einzelhandel, der in der Weihnachtszeit ja übrigens auch einen großen Teil seines Jahresumsatzes macht – wenn er denn darf. Wenn ihm z.B. die Pfaffen nicht ins Handwerk pfuschen und für die Sonntagsruhe streiten. Zwar nicht mit Feuer und Schwert, dafür aber gerichtlich und erschreckend erfolgreich.
Dass den christlichen Seelenjägern jemand ihr missionierendes Tun und Spendensammeln an Sonn- und Feiertagen untersagt, ist übrigens nicht zu befürchten. Dank des Reichskonkordats genießt die Pfaffenschaft in Deutschland einen ganzen Klingelsack voller Privilegien, die man angesichts der im Grundgesetz verankerten Trennung von Kirche und Staat eigentlich nicht für möglich halten möchte. Wer’s mal nachlesen will, dem sei ein Blick in die Sammlung des Kirchenrechtlers Ulrich Rhode empfohlen: http://www.ulrichrhode.de/lehrv/religionsrecht/qsamm.pdf
Dort steht übrigens auch, warum ein deutscher Gottesdienst am Sonntag nie wegen irgendwelcher Arbeitszeitprobleme ausfallen wird (Weil die entsprechenden Gesetze für die Kirchen nicht gelten) und warum den Pfaffen auch kein Personalrat reinquatscht (weil das Personalvertretungsgesetz für Kirchen und deren Unternehmen nicht gilt).

In diesem Sinne: Ich wünsche allen LeserInnen meines kleinen, politisch nicht immer korrekten Tagebuches eine gesegnete Weihnacht - was nicht bedeutet, dass ich mich bis dahin nicht mehr melden werde. Da müsst Ihr durch ...

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