Mittwoch, 28. März 2007
Robby Clemens: Das Exklusiv-Interview mit Rolly Schlehmens
Die Leser meines kleinen Blogs haben heute Gelegenheit, Borderline-Journalismus vom Feinsten zu erleben. Wie einst Tom Kummer den Hollywood-Stars, so habe ich dem Weltlaufextremisten Rolly Schlehmens aufs große Maul geschaut und die inhaltsschweren Worte dieses genialen und starken Mannes notiert. Nachdruck erwünscht, aber solch Spitzenjournalismus hat seinen Preis … Honoraranfragen gern unter zeitungsdieb@yahoo.de

Frage: Hallo Rolly, vielen herzlichen Dank dafür, dass Sie sich die Zeit für ein Interview nehmen. Die Leser meines Blogs „Laufende Gedanken“ sind sportlich sehr interessiert und begierig darauf, einige Neuigkeiten aus ihrem Mund zu erfahren.

Rolly Schlehmens: Das gefällt mir, wie Sie das sagen. Sport ist gut, ist wichtig. Man muss trainieren, kann schließlich nicht alles nur mit dem Equipment allein machen. Wobei, meine Brille ist schon toll … Aber zurück zum Thema. Ich war ja selbst mal Sportler, Deutschlands bekanntester und bester Extremläufer, müssen Sie wissen. Aber das ist Geschichte, ich bin jetzt ein Botschafter unserer stolzen Nation, der Frieden, Eia und gute Laune durch die Welt trägt. Naja, tragen lässt.

Frage: Haben Sie denn dem Laufen ganz abgeschworen?
Rolly Schlehmens: Bekommt mir nicht. Sehen Sie, früher war ich ein ganzer Mann. Da brachte ich was auf die Waage, konnte einen ganzen Tag ackern. Abflüsse reinigen, Möbel stemmen. Und als Läufer? Bekomme ich einen Hungerast. Muss Petrs eklige Suppe löffeln. Wenn der Wind bläst oder die Berge in die falsche Richtung zeigen, tut mir was weh und ich muss mit dieser elektrischen Schwindelkiste meine Muskeln zappeln lassen. Und dann noch dieses Rumgealbere mit den lächerlichen Stöckchen.
Außerdem habe ich mir durch das Laufen die ganze Figur versaut. Schauen Sie mich doch an – da kann ich noch so teure Schuhe und coole Klamotten tragen, die Mädels wollen lieber Kerle zum Anlehnen, nicht zu sich dran splittern.

Na,na, jetzt untertreiben Sie aber. Mit ihren engen, dünnen Beinkleidern haben Sie doch schon für großes Aufsehen gesorgt.
Rolly Schlehmens: Sie meinen meine „gemächtbetonenden Hosen“? Das war einer meiner besten Sprüche, ist mir in Leipzig beim Loslaufen noch mal so rausgerutscht. Kommt aber wirklich toll, vor allem in den islamischen Ländern. Die Bräute sehen doch dort nur Kerle die rumlaufen wie altmodische Stehlampen. Und dann ich ...

Und, alles echt?
Rolly Schlehmens: Wo haben Sie das denn nun wieder aufgeschnappt. Muss doch gar nicht echt sein, muss nur so aussehen. Der eine hat dafür eine Hasenpfote in der Jeanstasche, ich habe meine Spezialanzüge. Hat ja nie einer gefragt, ob die eigentlich für Läufer oder für Tänzer sind. Mit meinem dürren Body würde ich doch sonst keinen Stich sehen ...

Aber so dürr sind Sie doch gar nicht.
Rolly Schlehmens: Das verdanke ich dem Petr. Der Junge ist ja nicht nur wegen seines komischen Akzents bei uns, er kocht auch für mich. Und für wie wenig Geld der arme Kerl ackern muss, nur weil er Neueuropäer ist. Aber auf diese Weise sparen wir so viel ein, da können wir uns gelegentlich mal wieder eine Kamera klauen lassen.

Auf Ihrer Spottfrei-Homepage ist aber doch zu lesen, dass Sie immer noch laufen.
Rolly Schlehmens: Ja, darauf besteht Onkel Rolf. Wegen der Sponsoren. Damit die nicht abspringen. Aber lassen Sie sich von mir als gestandener Handwerker eins gesagt sein: Wer so dämlich war, sich von uns vor dem Start über den Tisch ziehen zu lassen, der merkt auch nicht, dass die ganze Nummer eine absolute Verlade ist. Drum heißt das Unternehmen ja auch word-run. Wir laufen nur mit der Klappe, gewissermaßen virtuell. Das „L“ im Namen ist doch nur ein Tipfehler bei der Anmeldung der Domain gewesen.

Wollen Sie damit sagen, dass ihre Sponsoren Deppen sind?
Rolly Schlehmens: Die meisten zumindest. Einer ist helle, aber gegen den hat Onkel Rolf noch was aus DDR-Zeiten in der Hand … Und außerdem hat er ihm letztens geholfen, seine Mitarbeiter wieder zu bekommen, die ihm in so einem Sandalenstaat abhanden gekommen waren. Onkel Rolf ist da wie der Pate, der hat auch nie einen Gefallen vergessen, den er noch einfordern konnte.

Fassen wir zusammen: Wegen der Sponsoren müssen Sie ab und an doch noch mal die Laufschuhe anziehen. Wie läuft so ein Lauftag ab?
Rolly Schlehmens: Lauftag, ablaufen – tolles Wortspiel. Sie könnten bei unserem Team mitmachen, so mit der Schnauze sind Sie auch ganz toll. Also: Mein Lauftag. Das Härteste ist das frühe Aufstehen. Weil. So gegen 7 drückt die Blase. Muss an diesem ägyptischen Bier liegen. Aber für richtiges aus der Heimat ist kein Geld da, sagt Onkel Rolf. Die Knete muss ja schließlich bis Vietnam reichen, in Saigon hat Onkel Rolf alte Freunde, die ihm noch was schulden …
Nach dem Pullern geht’s ans Frühstück. Gegen neun nimmt Petr vier lange und ein kurzes Hölzchen. Lang heißt Auto, kurz laufen. Gestern muss er mich betrogen haben, da zog ich das kurze. Scheißtag. Drecksgegend. Sonne. Und ich mittendrin. Na gut, nur zehn Minuten, dann hatte ich das Stück vom Wohnmobil zu dieser alten Ruine geschafft.
Oben drückte mir Rolf einen Zettel in die Hand. Stand was über Geschichte, Pharaonen und so’n Mist drauf. Musste ich vorlesen, Kamera hat alles aufgenommen. Hinterher sah das dann wirklich echt aus, so als wäre ich zu den Pyramiden gelaufen und hätte dort tolles Zeug über die Bedeutung des Ortes erzählt. Ich sage nur: postproduction! Nach den Aufnahmen mussten wir aber schnell los, weil lauter solcher arabischen Bakschischjäger kamen, lauter nerviges Volk.

Wie ging ihr Lauftag weiter?
Rolly Schlehmens: Ging ist gut, wieder so’n Brüller. Ihr Journalisten habt’s einfach drauf. Gegangen sind wir dann. Zum Wohnmobil, Zeit fürs Mittagessen, danach Massage. Den Petr habe ich vorher rausgeschickt, wenn’s gut sein soll, muss man sich’s selbst machen. Dann ein Mittagsschlaf. Gegen 17 Uhr bin ich raus zum 3. Turn des Tages, ich war sehr gut gelaunt und bin vom Wohnmobil fast 100 Meter bis zum Hotel gegangen. Ich hätte auch laufen können, so gut bin ich im Training, aber es war Rückenwind. Und da muss ich vorsichtig sein, genau wie bei Windstille oder Gegenwind, so tut mir wieder was weh, sagt Onkel Rolf.

Und was steht im Lauftagebuch?
Rolly Schlehmens: 68 Kilometer, was sonst? Und das in 15 Minuten netto, das gibt wieder’n Schnitt, da spucken die Laufidioten Gift und Galle. Sollen sie doch - die Kilometer sind uns ja nicht wirklich wichtig. Wir hatten nie vor, einen Rekord oder solchen Blödsinn zu laufen. Wir wollten Spaß haben, auf andere Leute Kosten um die Welt reisen, ab und zu einen wegstecken. Uups, das streichen Sie aber bitte, meine Frau liest ja manchmal doch die eine oder andere Zeile.

Versprochen. Unter Ehrenmännern. Aber um noch mal auf Ihren Tagesablauf zu kommen. Schlaucht das nicht?
Rolly Schlehmens: Und wie! Am schlimmsten ist das ständige Aus- und Eingesteige bei dem Wohnmobil. Onkel Rolf sagt nämlich, wer zuviel säuft, muss draußen pinkeln, das Bordklo ist nur für Notfälle. Jeden Abend fünfmal treppauf, treppab – das geht ganz schön in die Beine. Ich bekomme auf der Reise noch richtige Waden.

Wie funktioniert der Kontakt in die Heimat?
Rolly Schlehmens: Bestens. Oder glauben Sie etwas den Scheiß, der auf unsere Webseite steht, das mit „kein Internet“, „kein Handy“ und so? Hier kann man rund um die Uhr telefonieren. Störungen gibt es nur, wenn der Muezzin ruft. Internetanschlüsse finden sich auch in fast jedem Dorf. Post geht schneller als daheim, schließlich fliegt Onkel Rolf ja fast täglich nach Old Germany und macht dort irgendwelche Journalisten rund.

Gibt es bei der Vielfliegerei keinen Ärger mit den Behörden?
Rolly Schlehmens: Haben Sie etwa die Märchen von den langen Wartezeiten geglaubt? Onkel Rolf hat doch von früher noch einen Diplomatenpass. Die Kameltreiber haben doch gar nicht mitbekommen, dass es das dazu gehörende Land gar nicht mehr gibt. Die tragen ihm sogar seine schweren Pakete ums Röntgengerät herum.

Pakete?
Rolly Schlehmens: Na, irgendwie muss sich der Lauf doch lohnen. Nur wegen der Völkerverständigung macht das doch keiner. Schließlich will Onkel Rolf sein Investment wiederhaben, so blauäugig war er doch nicht, hier Geld zu verbrennen. Big run, big deal.

Wie stehen Sie dazu, dass einige Läufer angekündigt haben, Sie auf der einen oder anderen Etappe zu begleiten?
Rolly Schlehmens: Tolle Sache, die glauben wohl tatsächlich, sie könnten mit mir mithalten. Die sollen doch alle an meinem Auspuff schnuppern. Aber mal im ernst: Wenn morgen so eine Ultraflitzpiepe vor dem Wohnmobil darauf warten würde, dass ich loslaufe und er mich kontrollieren kann, dann würde Onkel Rolf sich was einfallen lassen, dass man aus Sicherheitsgründen nicht laufen kann, so wie damals im Irak. Bombendrohung, Militärputsch, Attentat, Entführung oder was in der Art – der Pate hat doch Connections hinter jeder Palme.

Lieber Rolly, vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch. Ich wünsche Ihnen, auch im Namen meiner Leser, noch viele toller Erlebnisse und viele unvergessliche Kilometer bei ihrem Lauf um die Welt.

Also, bis jetzt waren Sie mir ja sympathisch, aber nun wollen Sie mich wohl ärgern, was? „unvergessliche Kilometer“, soll das eine Drohung sein? Wenn ich die wollte, hätte ich auch einen Trainingsplan von Abu Greif nehmen und mich auf Erkrath vorbereiten können.
Was meinen Sie denn, warum wir „Sport frei“ rufen? Weil wir frei von Sport um die Welt fahren wollen!

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